„Wir sollten unseren Träumen folgen“
Marie Bäumer hat es als Schauspielerin zu Erfolg und Ruhm gebracht. Neben ihrer Filmkarriere arbeitet sie als Persönlichkeitstrainerin, um Menschen zu helfen, ihre Berufung zu finden. Dabei wählt sie ungewöhnliche Methoden
Sie sind eine bekannte Schauspielerin und seit über 20 Jahren auch Schauspieldozentin. Was die wenigsten Menschen wissen, Sie arbeiten auch als Trainerin für Persönlichkeitsentwicklung und setzen dabei auf sogenannte Mediationskurse mit Pferden... Marie Bäumer: Schauspielerin ist ganz sicher eine meiner Berufungen und weiterhin auch ein Feld, das ich mit Leidenschaft betreibe. Zur Mediation kam ich nach einem Dreh. Da dachte ich an meine Studentinnen und Studenten und kam zu dem Schluss, dass ich mit den Methoden, die ich nach drei Schauspielschulen und 25 Jahren Arbeit entwickelt habe, auch etwas für Menschen außerhalb des Schauspielberufs tun kann. Dann habe ich das ganz spontan und spielerisch mit Bekannten in Hamburg, München und Montpellier ausprobiert. Die Resonanz war so stark, dass ich daraufhin das Atelier Escapade gegründet habe.
Sie wollen den Menschen beim „Aufbruch in die Freiheit“helfen. In welche Freiheit raten Sie den Menschen, sich auf den Weg zu machen?
Bäumer: Im Grunde genommen rate ich den Menschen nur, ihrer Wesensnatur zu folgen und sich die Freiheit zu nehmen, darauf auch zu vertrauen. Sie sollen entschlüsseln, wer sie sind, und wie sie leben möchten. Sie sollen ihren Träumen folgen.
Eskapade bezeichnet ja zunächst im Pferdesport einen falschen Sprung eines Dressurpferdes, sinngemäß einen Sprung zur Seite beziehungsweise eine „heimliche Flucht, ein Entweichen“. Darf man das auch bei Ihnen so interpretieren?
Bäumer: Im Grunde ist eine Eskapade eine Hindernisverweigerung. Es ist ja tatsächlich so, dass Pferde nicht dafür geboren wurden, um über 1.80 Meter hohe Hindernisse zu springen. Ich halte das auch im übertragenen Sinn beim Menschen für einen klugen Gedanken: mal das eine oder andere Hindernis auszulassen.
Warum arbeiten Sie in Ihren Seminaren auch mit Pferden?
Bäumer: In den Ateliers, ich nenne das bewusst nicht Seminar. Aber es stimmt, das Pferd ist da tatsächlich mit hineingeraten. Dafür bin ich sehr dankbar. Denn ein Pferd ist ein sehr empathischer und sensibler Partner. Es nimmt mir sehr viel Arbeit ab.
Die Arbeit mit Pferden kann bei traumatisierten Menschen helfen, das Urvertrauen wiederherzustellen. Bäumer: Da ist durchaus möglich. Ich arbeite allerdings nicht mit traumatisierten Menschen. Ich bin nämlich weder Therapeutin noch Psychologin, sondern Mediatorin. Das heißt: Ich vermittle zwischen
Mensch und Mensch sowie zwischen Mensch und Pferd. Dabei suche ich Blockaden im Körper, um einen unmittelbaren Zugang zu den Gefühlen der Menschen zu bekommen. Den brauchen wir, denn nur so können wir unseren Bedürfnissen Ausdruck verleihen und unsere Visionen und Träume umsetzen.
Sie haben jetzt auch ein Buch „Escapade – Der Aufbruch in die Freiheit“geschrieben. Mit welchen Techniken lösen Sie diese Blockaden und Schrauben, damit man sein Potenzial voll ausschöpfen kann?
Bäumer: Die Basis und das zweite Kapitel im Buch ist Atmung. Wenn sie blockiert ist, sind es auch die Gefühle. Der Dialog mit dem Atem ist mein wesentlichstes Werkzeug. Zusätzlich gibt es zwei Achsen im Körper: die Rotation im Becken und die Rotation im Oberkörper. Die sind im mitteleuropäischen Raum sehr häufig blockiert. Dadurch können viele nicht auf die zentrale Kraft, die aus dem Becken kommt, zugreifen. Das sind methodische Elemente, an denen ich als Erstes arbeite. In logi
schen Schritten und verschiedenen Übungen baut das dann aufeinander auf. Sehr stark arbeite ich auch mit den ursprünglichen Kräften des Männlichen und des Weiblichen. Die weibliche Kraft ist verbindend und sich nährend, die männliche ist eine Aufrichtekraft. Die ist wichtig fürs Umsetzen. Ich stelle nämlich sehr häufig fest, dass Menschen über ihre Träume und Visionen sprechen können, aber das Umsetzen gelingt ihnen nicht. Das hat zu tun mit der Bündelung und Fokussierung von Kraft und Konzentration. Das ist ein wesentlicher Teil meiner Arbeit.
Sie sagen, Sie haben die Gabe, Blockaden bei Menschen zu erkennen. Bäumer: Ja, ich spüre, wo sie festhalten. Ich kriege relativ schnell Informationen über deren emotionalen Zustand. Da ist viel Übung dabei, aber wahrscheinlich auch ein wenig Gabe. Man muss sich in andere emotional hineinversetzen können.
Eine der Fragen, mit der Sie sich intensiv beschäftigen, lautet: Wie finde und verwirkliche ich meine Berufung?
Also, was muss man anstellen, damit man dieses Ziel erreicht?
Bäumer: Dazu muss man einfach erst einmal die Justierung im Körper ansehen. Dabei sieht man, wo der Mensch seine Stellschrauben hat. Beispielsweise, wo hat er gelernt, sich zu halten, um sich zu schützen vor möglichen Angriffen? Dann kann man, je nach Persönlichkeit, gucken, was das individuelle Thema des Einzelnen ist. Je nach Bereitschaft lässt sich das ziemlich schnell freilegen. So kann man gezielt daran arbeiten, auch mit dem Pferd. Denn wenn man nämlich ein Pferd, das in Freiheit läuft, auffordern muss, mit einem mitzukommen, wird schnell deutlich, ob man eine Verbindung eingehen kann. Lädt man das Tier ein, mitzugehen oder läuft man selbst zwei Meter voraus, hat man denselben Rhythmus des Pferdes oder läuft man dagegen? Das Pferd gibt einen in solchen Fragen ein unmittelbares Feedback.
Wie wichtig ist es, im Leben seine Berufung zu finden?
Bäumer: Ich glaube, das ist ein wesentlicher Baustein, um Glück und Erfüllung zu finden. Wenn es uns gelingt, aus unserer Wesensnatur heraus zu leben, dann wird das Leben unendlich leicht. Dann kommt die Energie, die ich in etwas hineinstecke, unmittelbar wieder zu mir zurück. Bäumer: Wir hatten ja damals keinen Fernseher und das Kino hatte für mich eine besondere Magie. Und wenn ich mir mein Leben heute so anschaue, hat das schon viel von einem Pippi-Langstrumpf-Dasein. Ich glaube, es war bei mir die Sehnsucht, mit so viel Vertrauen und in sich und die Welt und so viel Fantasie und so viel Tieren zu leben wie diese Figur von Astrid Lindgren. Ich finde die Leitsätze Lindgrens sowieso unübertroffen.
Wo leben Sie eigentlich privat und mit wie vielen Tieren?
Bäumer: Ich lebe in Südfrankreich. Und neben dem Pferd habe ich noch eine Hündin.
Woher kommt bei Ihnen diese Suche nach der Freiheit?
Bäumer: Es war keine Suche, sondern schlicht ein großes Bedürfnis. Gott sei Dank hatte ich Eltern, die das auch gefördert haben. Dadurch habe ich mich leicht getan, mir die Freiheit zu nehmen und meine Visionen auch umzusetzen. Bäumer: Oh! Auf die Verbindung bin ich noch gar nicht gekommen. Mir fällt dazu nur ein: Es liegt eine große Schönheit darin, sich Freiheit zu nehmen.
Ist das Schminken bei Frauen ein Akt der Unfreiheit?
Bäumer: Nein, ganz sicher nicht. Schminken ist eine Ausdrucksform, der die Menschheit seit Jahrtausenden nachkommt. Das bringe ich überhaupt nicht mit Unfreiheit in Verbindung. Es ist eher bedauerlich, dass sich in Deutschland die weibliche und männliche Ästhetik immer mehr annähern, und Frauen gar nicht mehr so viel Wert darauf legen. Interview: Josef Karg ⓘ
Marie Bäumer und ihr Buch Die 50-Jährige wuchs in Hamburg auf. Nach der Ausbildung machte sie mit Detlev Bucks „Männerpension“Furore: Für ihre Rolle als Romy Schneider in „3 Tage in Quiberon“erhielt sie 2018 den Deutschen Filmpreis als beste Hauptdarstellerin. Ihr Buch „Escapade – Der Aufbruch in die Freiheit“(200 Seiten, 19,99 Euro) erschien bei Gräfe und Unzer.