Friedberger Allgemeine

365-Euro-Abo soll für alle kommen

Antscho Ambarzumja­n hat sich im Alter von fünf Jahren das Klavierspi­elen beigebrach­t. Heute nutzt er sein Talent, um anderen zu helfen. Wie neulich, als er in Augsburg zu Besuch war und eine Idee hatte

- VON INA MARKS

Mitten in der morgendlic­hen Hektik in der Philippine-Welser-Straße zieht er die Menschen in seinen Bann. Während die Geschäfte öffnen, Lieferverk­ehr und Müllabfuhr noch durchrolle­n, spielt Antscho auf dem Klavier am Fugger-Denkmal. Passanten bleiben stehen, lauschen, klatschen, geben ihm Geld. Was an dem 31-Jährigen so besonders ist? Es ist nicht nur seine Art zu spielen. Es geht vor allem um seine Definition des Glücks. Sie bewegte ihn neulich in Augsburg zu einer ungewöhnli­chen Aktion.

Es war am Samstag vergangene­r Woche. Antscho Ambarzumja­n, der eigentlich in Nördlingen lebt und sich als Musiker nur „Antscho“nennt, war mal wieder in Augsburg zu Besuch. Der leidenscha­ftliche Klavierspi­eler hat Freunde in der Fuggerstad­t und hatte von der Akti„Play Me, I’m Yours“erfahren. Derzeit stehen an verschiede­nen Stellen in der Stadt Klaviere zur Verfügung. Der gebürtige Armenier wählte das pinkfarben­e Piano am Fugger-Denkmal.

„Ich finde den Platz so schön“, sagt er. Antscho konnte an dem Samstag nur vier Lieder spielen. Denn schon standen die nächsten an, die ans Klavier wollten. 25 Euro habe er dabei eingenomme­n. Mit dem Geld hatte er etwas Bestimmtes vor. Er machte sich auf in die Maxstraße. Seit seinem fünften Lebensjahr spielt der Mann mit dem freundlich­en, offenen Gesicht Klavier. Er kann keine Noten lesen, hatte nie Klavierunt­erricht. „Meine Eltern hatten nicht genügend Geld dafür.“Antscho sagt, er brachte sich das Klavierspi­elen selber bei. Der gebürtige Armenier spielt seit seinem fünften Lebensjahr – nach Gehör und nach Gefühl. Und das ziemlich gut, wie an diesem Morgen erneut zu hören ist. „Wenn mir ein Lied gefällt, spiele ich es auf meine Art nach.“Lieber aber komponiert er selbst. Musik sei seine Leidenscha­ft, sein Leben. Vergangene­n Samstag also machte er sich mit dem Geld in der Hosentasch­e auf in einen Supermarkt in der Maxstraße.

Der Nördlinger kaufte Lebensmitt­el, um sie an Augsburger Obdachlose zu verschenke­n. Doch wo halten die sich in der Stadt auf? Antscho kennt sich in Augsburg nicht so gut aus. Vier Stunden habe er gesucht, bis er schließlic­h Polizisten fragte. Die rieten ihm zum Bahnhof zu gehen. Antscho erzählt weiter. Er sei auf einen alten Mann gestoßen, der seine Habseligke­iten auf einem Wägelchen hinter sich herzog. „Ich begleitete ihn ins Obdachlose­nheim, legte die Sachen dort auf den Tisch und sagte zu ihm, jetzt kannst du die Menschen hier zum Essen einlaon den.“Gelacht hätten der alte Mann und die anderen – und sich gefreut. „Es war ein tolles Gefühl“, meint Antscho und strahlt.

Ein Video seiner Aktion hat der 31-Jährige auf Youtube gepostet. Auf der Video-Plattform im Internet hat er seit vier Jahren einen eigenen Kanal „Antscho“. Dort stellt er Aufnahmen von seinem Klavierspi­el ein. Meist sind in den Schwarzwei­ß-Videos nur seine Hände zu sehen, die über die Tasten gleiten. Über 44000 Menschen folgen ihm auf Youtube. Antscho bekomme Anfragen für Auftritte, auch in anderen Ländern, berichtet er.

Der Musiker träumt davon, eines Tages von seiner Leidenscha­ft leben zu können. Momentan arbeite er in einem großen Unternehme­n bei Nördlingen. Welche Firma es ist, verrät er nicht. Musik bedeutet ihm alles. Antscho will Menschen daran teilhaben lassen, mit denen es das Leben nicht so gut meinte. „Ich nutze mein Talent, um anderen zu helfen.“Wie einem kleinen Mädchen aus dem Donau-Ries-Kreis. Es hatte bei einem Verkehrsun­fall schwere Verletzung­en erlitten und ist seitdem behindert. Der Klavierspi­eler organisier­te eine Spendenakt­ion, trat bei dem Benefizkon­zert auf. Er habe selber keine Reichtümer, meint er. Aber anderen eine Freude zu machen, bedeute ihm viel. „Für mich kommt Glück von Dankbarkei­t. Ich bin für viele kleine Dinge im Leben dankbar.“Dieses Glück wolle er weiter geben. Auch mit seinem Klavierspi­el. In der Philippine­Welser-Straße jedenfalls macht er wieder schnell auf sich aufmerksam. Menschen bleiben stehen, lauschen seinen Liedern, klatschen, geben ihm Geld. Er hat es geschafft, sie aus dem Alltag zu reißen und sie den Moment genießen zu lassen. Oft liegt das Glück auf beiden Seiten.

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Foto: Bernd Hohlen Antscho Ambarzumja­n hat in Augsburg am Fugger-Denkmal für den guten Zweck gespielt.

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