Warum Augsburger die Welt retten können
Die junge Truppe von Fridays for Future hat so viele Menschen wie nie für das Klima auf die Straße gebracht. Aber können eine Stadt und ihre Einwohner das schaffen? Na klar! Wer sonst?
Wir sind selber schuld, dass am Freitag die Schule anruft und sagt: „Ihr Kind hat die Schule unerlaubt verlassen.“Klimastreik. Wir sind selber schuld, dass am Freitag der Verkehr in der Innenstadt nur noch kroch, als 6000 Menschen für mehr Klimaschutz demonstrierten. Wir sind selber schuld, weil wir über Jahre und Jahrzehnte die globale Erwärmung so ernst genommen haben wie die Waage daheim, die anzeigt: He, Du nimmst zu!
Jeder weiß, dass das auf Dauer nicht gesund ist, aber oft muss es erst der Arzt sagen oder gar der Körper streiken. Man muss den Schülern danken, denn sie haben uns endlich wachgerüttelt. Ihnen ist gelungen, woran die „Profis“gescheitert sind.
Und so diskutieren wir jetzt im Supermarkt mit dem Nachwuchs, ob die Bio-Gurke aus Spanien besser ist als die regionale ohne Bio. Verbannen Plastikflaschen und verzichten ziemlich oft auf Fleisch. Haha, wird jetzt mancher sagen. Das soll die Welt retten? Was bringt das schon? Etwas größer gedacht klingt der Zweifel so: Augsburg kann nie das Klima retten, Deutschland kann doch nichts bewegen, wenn die anderen nichts tun. Die Chinesen, die Amerikaner, die was weiß ich wer. So kann man argumentieren und man tut es in der Regel dann, wenn man selbst nichts tun will. Es wird immer einen geben, der nicht mitzieht. Würden wir immer auf alle anderen warten, würde die Welt in einem ewigen Stillstand verharren. Frei nach dem Satz von John F. Kennedy – „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.“– könnte man sagen: Frage, was Du für das Klima tun kannst, was Deine Stadt dafür tun kann.
so tief greifende Veränderung lässt sich in einer Demokratie nämlich nicht von oben diktieren – das wäre wohl nur in Nordkorea möglich. In einer Demokratie kann sich die Politik doch nur in dem Rahmen bewegen, den die Menschen ihr geben. Und wenn in Augsburg rund 6000 Menschen fürs Klima auf die Straße gehen, geben sie ein klares Zeichen, wo sie diesen Rahmen sehen. Sie haben der Stadt eine der größten Demonstrationen seit Langem beschert, es waren mindestens so viele Augsburger unterwegs als während des AfD-Parteitags. Die Zahl zeigt, dass viele bereit sind, etwas zu tun.
Die größte Macht ist tatsächlich das Handeln – von unten her. Viele Menschen sind dort schon viel weiter als die Politik. In Augsburg gibt es seit langem Aktive in den vielen Gruppen der Lokalen Agenda. Jenseits dessen bauen sich Augsburger Passivhäuser, obwohl das niemand verlangt. Sie kaufen Elektroautos (wenn sie eines bekommen). Oder sie nehmen schlicht das Fahrrad oder gehen zu Fuß statt ins Auto zu steigen. Einfacher und billiger kann man das Klima nicht schützen – und den Geldbeutel schonen. Sie warten nicht, bis die Stadt, die Bundesregierung oder die Welt etwas beschließen oder verbieten, denn sie merken: Da ist ein Problem und ich will etwas dageEine gen tun. Denn eines ist auch klar: Die Folgen werden wir spüren – jeder Einzelne, aber auch Augsburg als Stadt. Das beste Beispiel ist der Dieselskandal: Mit den Folgen – möglichen Fahrverboten – müssen sich die Städte herumschlagen. Wenn die Sommer unerträglich heiß werden, muss erst einmal die Stadtplanung eingreifen. Und wenn die Menschen mehr mit Tram und Rad fahren wollen, ist die Stadt gefragt. Und sie kann handeln. Königsplatzumbau und Fahrradstadt sind nur zwei Beispiele aus dem Bereich Mobilität. Es geht auch viel kleiner: Im Internet kann jeder abrufen, ob sich sein Hausdach eignet, um Sonnenstrom zu erzeugen. Energieberater geben kostenlos Tipps, wo man im Haus oder in der Wohnung auch mit weniger Strom auskommt. Natürlich verringert sich der weltweite CO2-Ausstoß dadurch nur um eine lächerlich kleine Menge. Wenn aber viele Menschen und viele Städte an einem Strang ziehen, bewegt sich etwas, und es baut sich Druck nach oben auf. Daher ist es auch richtig und wichtig, dass die Augsburger Aktivisten von Fridays for Future demnächst konkrete Forderungen für die Stadt formulieren. Einen besseren Moment gibt es wohl nicht – kurz vor der Kommunalwahl im März 2020.
Wer handeln möchte – und es scheinen nicht wenige Menschen zu sein – hat nun die besten Chancen. Das ist ganz klar der Verdienst der Schülerinnen und Schüler. Sie uns wachgerüttelt. Und so wie es aussieht, werden sie auch nicht locker lassen. Das ist gut so. Danke.
Ein solcher Wandel lässt sich nicht von oben verordnen