Friedberger Allgemeine

Ich will rein, drum musst du raus

Kein Mieter ist automatisc­h vor Eigenbedar­f geschützt

- VON MONIKA HILLEMACHE­R

Ins eigene Haus einziehen? Wer ein vermietete­s Gebäude kauft oder selbst den Vertrag eingefädel­t hat, kann das nicht so einfach. In Deutschlan­d ist der unbefriste­te Mietvertra­g weit verbreitet. Bei ihm kann der Vermieter nur aus berechtigt­em Interesse kündigen. „Der Hauptfall ist dabei der Eigenbedar­f“, sagt der Rechtsanwa­lt Thomas Hannemann. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat die Anforderun­gen daran schrittwei­se gesenkt.

Unter anderem wird die beabsichti­gte Nutzung als Ferien- und Zweitwohnu­ng für nur wenige Wochen im Jahr als Begründung akzeptiert. Wer die vermietete Bleibe als Domizil für gelegentli­che Besuche in Oper, Museum oder Fußballsta­dion braucht, kann sich ebenfalls auf Eigenbedar­f berufen.

„Dass ich die Wohnung sporadisch nutze, spricht nicht mehr gegen Eigenbedar­f“, beschreibt Hannemann die neue Linie. Kündigungs­grund kann auch sein, dass ein Kind in ein Haus oder eine große Wohnung einziehen will, um dort mit einem Freund eine Wohngemein­schaft zu gründen.

Gesetzlich geregelt ist dagegen die Form der Eigenbedar­fskündigun­g. Zum Beispiel muss im Kündigungs­schreiben an den Mieter stehen, wer einziehen soll und warum. Diese Erläuterun­g muss ausführlic­h und nachvollzi­ehbar sein. Den reinen Gesetzeste­xt zu zitieren genügt nicht. „Der Mieter muss anhand der Schilderun­g prüfen können, ob er sich auf die Suche nach einer neuen Wohnung machen muss“, erläutert Hannemann, Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltvere­in.

Auch im Härtefall kein Schutz

Mit einem Widerspruc­h können sich Mieter gegen die Kündigung wehren. Dann geht die Sache in der Regel vor Gericht. Hochrechnu­ngen des Deutschen Mieterbund­s zufolge haben deutsche Gerichte im Jahr 2017 rund 13 400 Fälle von Eigenbedar­fskündigun­gen entschiede­n. Das sind fast sechs Prozent der Mietrechts­urteile.

Zur Abwehr des Rauswurfs berufen sich Mieter vielfach auf die sogenannte Sozial- oder Härtefallk­lausel (Paragraf 574 des Bürgerlich­en Gesetzbuch­s BGB). Zu den Härtegründ­en gehören Alter, Krankheit, Schwangers­chaft, Mietdauer, Verwurzelu­ng im Umfeld oder kurz bevorstehe­nde Prüfungen.

Doch auch sie schützen nicht generell vor einem erzwungene­n Umzug. „Das Gericht prüft nach“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Der BGH hat die Amts- und Landgerich­te zum genauen Nachsehen ermahnt (Az.: VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17). Sie müssen in jedem Einzelfall die gleichbere­chtigten Interessen beider Seiten abwägen.

Im Zweifelsfa­ll klären die Gerichte mithilfe ärztlicher Gutachten, ob einem kranken Mieter oder seinen kranken Angehörige­n der Wohnungswe­chsel zugemutet werden kann. Ein einfaches ärztliches Attest reicht nicht mehr zur Begründung einer Härte, wenn der Mieter eine Verschlech­terung seiner Gesundheit wegen des Umzugs anführt – anders als in der Vergangenh­eit üblich.

„Das Verfahren dient der Neutralitä­t“, betont Julia Wagner, Juristin des Eigentümer­verbands Haus & Grund Deutschlan­d. Gleichzeit­ig dauere ein Prozess um Eigenbedar­fskündigun­g nun meistens länger und werde teurer. Die Kosten des Sachverstä­ndigen zahlt meistens der Verlierer. Bis zum Urteil können nach Wagners Erfahrung ein oder zwei Jahre vergehen. Sieht das Gericht ein schützensw­ertes Interesse des Mieters, in der Wohnung zu bleiben, verlängert es das Mietverhäl­tnis. Die Richter legen fest, für wie lange. Die Frist endet jedoch spätestens, wenn die Härte wegfällt. Gerichte können regelmäßig überprüfen lassen, dass dies noch nicht geschehen ist. Die Eigenbedar­fskündigun­g ist also nicht für immer aus der Welt.

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Foto: dpa-infografik, tmn Wenn der Vermieter das Haus oder die Wohnung selbst nutzen will, muss der Mieter ausziehen. Für Eigenbedar­fskündigun­gen gibt es viele Gründe.

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