Friedberger Allgemeine

Vor zehn Jahren ging das B-17-Staudrama zu Ende

Vor genau zehn Jahren wurde das letzte vierspurig­e Teilstück von Klosterlec­hfeld bis Landsberg freigegebe­n. Welche Erkenntnis­se die Polizei über Verkehrsau­fkommen, Geschwindi­gkeit und Unfallzahl­en gewonnen hat

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE UND MARKUS SCHWER

Vor genau zehn Jahren wurde das letzte vierspurig­e Teilstück der B17 von Klosterlec­hfeld bis zur A96 bei Landsberg freigegebe­n. Verkehrsau­fkommen, Geschwindi­gkeit, Unfallzahl­en – welche Erkenntnis­se die Zahlen der Polizei liefern.

Region All jene Augsburger, die regelmäßig in die Berge zum Wandern oder Skifahren fuhren, werden es längst verdrängt, aber nicht vergessen haben: Stoßstange an Stoßstange, oft nur im Schritttem­po ging es abends heimwärts voran, von Landsberg durch die Kauferinge­r Bahnunterf­ührung, an Kolonie und Rasthaus Hurlach vorbei und dann bei Klosterlec­hfeld – endlich – auf die vierspurig ausgebaute B 17. Dieser Tage gilt es ein „Jubiläum“zu feiern: Vor zehn Jahren wurde auch das letzte Teilstück der neuen B17 zwischen Klosterlec­hfeld und Landsberg für den Verkehr freigegebe­n.

Es sind genau 15,5 Kilometer, die vor allem für die vom Verkehr geplagten Kauferinge­r, Hurlacher und Iglinger eine spürbare Entlastung von Lärm und Abgasen brachten. Vor der Fertigstel­lung des 70 Millionen Euro teuren Projekts, für das bereits in den 1990er-Jahren die Planungen anliefen, staute sich der Verkehr in Kaufering und Landsberg zu Stoßzeiten und in den Nachbarort­en mussten die Anwohner den Ausweichve­rkehr ertragen. Heute brauchen Autofahrer zum Beispiel vom Messezentr­um im Augsburger Süden für die rund 35 Kilometer bis zum großen Kreisverke­hr an der A 96 im Normalfall gut 20 Minuten.

Manchmal dauert es aber auch mal länger, denn der Verkehr wird immer dichter. Bei Untermeiti­ngen/ Lagerlechf­eld gibt es eine offizielle Zählstelle. Nach der Fertigstel­lung der kompletten B 17 waren dort pro Jahr knapp 30000 Fahrzeuge pro Tag unterwegs. 2018 registrier­te die Bayerische Straßenbau­verwaltung bereits 37000 Fahrzeuge am Tag, davon waren rund sieben Prozent Schwerlast­verkehr. Das Gesamtaufk­ommen stieg seit 2011 um rund 24 Prozent.

Zugenommen hat auch die Belastung für die Rettungskr­äfte. „Die Iglinger Feuerwehr hat seit der Freigabe deutlich mehr Einsätze“, berichtet Bürgermeis­ter Günter Först. Das hat seinen Grund: Im Iglinger Bereich sind zwei lang gezogene Kurven, die als unfallträc­htig gelten. Laut Rolf Enge von der Landsberge­r Polizei ereigneten sich seit der Eröffnung des Abschnitts 148 Unfälle mit Verletzten: Fünf Menschen starben und 218 wurden teils schwer verletzt.

Besonder tragisch war ein Unfall im Jahr 2010, als ein Auto ein Fahrzeugte­il überfuhr, das nach einem Unfall auf der Gegenfahrb­ahn herüberges­chleudert war. Der Fahrer verlor die Kontrolle, der Wagen überschlug sich – zwei Menschen starben. Später kamen zwei Motorradfa­hrer ums Leben. Der bislang letzte tödliche Unfall ereignete sich 2013: Ein Kleintrans­porter geriet bei Hurlach ins Schlingern und vor einen Lkw. Beide rutschten auf die Böschung. Der Beifahrer des Transporte­rs wurde aus dem Fahrzeug geschleude­rt und überrollt.

Und wie sehen die Unfallzahl­en ob der Verkehrszu­nahme auf der B17 nach Norden bis zur A8 aus? Michael Klein vom Sachgebiet Verkehr des Polizeiprä­sidiums in Augsburg berichtet von schwankend­en Zahlen: 2011 wurden 411 Unfälle registrier­t, 2018 waren es 563. In den Jahren dazwischen gab es Ausreißer nach unten wie auch nach oben mit fast 600 Karambolag­en. Die Zahl der Verletzten erreichte mit 175 im Jahr 2016 einen Höchststan­d – vor knapp zehn Jahren waren es noch 100 im schwäbisch­en B-17-Bereich. Zuletzt wurden 117 Verletzte gezählt. Acht Menschen sind seit 2011 auf der B 17 gestorben. Viermal kam ein Autofahrer von der Straße ab, zweimal übersahen Kraftfahre­r ein Stauende. Der bislang letzte tödliche Unfall ereignete sich 2018, als ein Motorradfa­hrer stürzte und in die Leitplanke prallte. Ein großes Thema bei den Autofahrer­n sind die Tempokontr­ollen auf der B17 – oft beim Parkplatz Hurlacher Heide und vor dem großen Kreisel zur A96. Dort war der „Spitzenrei­ter“mit 148 Stundenkil­ometern unterwegs – bei erlaubten 80. Die Tendenz ist laut Enge aber positiv: „Die Überschrei­tungen haben in den beiden vergangene­n Jahren stark abgenommen.“Trotzdem gab es zuletzt im Landsberge­r Stadtrat Überlegung­en, dort einen stationäre­n Blitzer aufzustell­en – was aber verworfen wurde.

Unfälle auf schneeglat­ter Straße führten dazu, dass Kaufering auf dem kurvenreic­hen Abschnitt ein Tempolimit von 130 forderte – vergeblich. Damals kam auch die Frage auf, ob der Flüsterasp­halt an der Unfallseri­e schuld sein könnte. Den hatte die Marktgemei­nde 2011 für eine halbe Million Euro auf eigene Kosten aufbringen lassen, um die Lärmbelast­ung für die Bürger im Westen Kauferings zu mindern. Auf Höhe Hurlach gibt es keine Beschränku­ng – es sei denn, dort finden Kontrollen des Schwerlast­verkehrs statt. Dann wird ein Tempolimit auf den Anzeigetaf­eln am Straßenran­d angezeigt.

Seit gut einem Jahr ist nun zwischen Königsbrun­n und Augsburg auf dem meist befahrenen Abschnitt eine variable Tempoanzei­ge in Betrieb. Verkehrsex­perte Klein vom Polizeiprä­sidium sagt, dass es für eindeutige Aussagen zur Wirksamkei­t noch zu früh sei. Doch „vorsichtig­e Feststellu­ngen“seien möglich: Demnach ist die Anzahl der Unfälle gegenüber 2017 (jeweils in den ersten sieben Monaten) um rund 30 Prozent auf 98 zurückgega­ngen. Im vorigen Jahr gab es deutlich weniger Verletzte. Betrachte man nur die Unfälle, deren Ursache zu hohes Tempo war, sei ebenso ein Rückgang von über 20 Prozent zu verzeichne­n.

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Archivfoto: Thorsten Jordan Dieses Foto mit Blick von Süden auf Klosterlec­hfeld zeigt den Bau der B 17, die vor genau zehn Jahren eröffnet wurde. Seitdem hat der Verkehr zugenommen, die Unfallstat­istiken weisen keine klaren Tendenzen auf.
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Foto: Silvio Wyszengrad Zur Wirkung der variablen Tempoanzei­gen gibt es jetzt erste Erkenntnis­se aus der Polizeista­tistik.

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