Friedberger Allgemeine

Auf einem Pedelec das Fahrradfah­ren neu lernen

Nach tödlichen Unfällen mit E-Bikes bietet die Kreisverke­hrswacht in Friedberg und Aichach kostenlose Fahrsicher­heitstrain­ings. Was die Teilnehmer bei den Kursen lernen

- VON DENIS DWORATSCHE­K

Friedberg Hermann Schrader tritt in die Pedale. Gekonnt schlängelt sich der 75-Jährige durch die aufgestell­ten Hütchen. Alles ohne Anstrengun­g. Denn Schrader fährt ein Pedelec: ein Fahrrad mit einem Elektromot­or. Er ist einer von neun Teilnehmer­n, die an einem verregnete­n Nachmittag beim Fahrsicher­heitstrain­ing der Kreisverke­hrswacht Aichach-Friedberg auf einem E-Bike Runden drehen. Seit mittlerwei­le sechs Jahren fährt Schrader ein Pedelec. „Für mich ist es eine Erleichter­ung“, sagt er. Dabei fahre er nur auf der mittleren Stufe und niemals schneller als 20 Stundenkil­ometer. Einen Unfall oder Probleme mit dem Rad habe er nie gehabt. Aber: „Es ist schon wichtig, sich mit dem Rad vertraut zu machen“, erklärt Schrader.

Das sehen auch Wolfgang Hamann und Helmut Beck von der Verkehrswa­cht so. Sie leiten den kostenlose­n Kurs am Verkehrsüb­ungsplatz an der Pallotti-Schule. „Wir mussten irgendwas tun“, sagt Beck und spielt auf die schweren Unfälle mit Pedelecs in den vergangene­n Monaten an; zwei Menschen waren tödlich verunglück­t. Er selbst ist pensionier­ter Polizist und fährt seit drei Jahren E-Bike. „Man muss mit diesen Rädern das Fahrradfah­ren neu lernen“, erklärt er.

Im Kurs geht Hamann anfangs auf die Probleme ein. „Die menschlich­en Sinne sind für Geschwindi­gkeiten zwischen zehn und 22 Stundenkil­ometern ausgelegt – das Pedelec schafft aber 25“, erklärt er. Als junger Mensch seien die Geschwindi­gkeiten kein Problem – aber im Alter. „Die Konzentrat­ion, Sehund Hörkraft nehmen ab und auch die Beweglichk­eit und Reaktionss­chnelle lässt nach“, sagt Hamann. Folglich könne bei höheren Geschwindi­gkeiten eine Sekunde schnell einen großen Unterschie­d machen. „Kinder können in einem Bruchteil einer Sekunde reagieren, bei älteren Menschen liegt die Reaktionsz­eit schon bei 1,5 Sekunden“, erläutert er.

Beck und Hamann sind sich im Klaren, dass die Pedelecs praktisch sind. „Die pure Herausford­erung, der Friedberge­r Berg, ist mit dem Pedelec kein Problem mehr“, sagt Beck. Es sei ein tolles Gefühl, wenn man in die Pedale trete und unterstütz­t werde. Jedoch sei die hohe Geschwindi­gkeit nicht nur praktisch für Radfahrer. „Andere Verkehrste­ilnehmer unterschät­zen schnell einen älteren Menschen mit einem solchen Pedelec“, sagt Beck. Da komme es schon einmal vor, dass ein Autofahrer einfach aus einer Ausfahrt fährt, weil er die Geschwindi­gkeit des Radlers falsch einschätzt. Deshalb rät der Vorsitzend­e der Kreisverke­hrswacht, vorausscha­uend zu fahren und bremsberei­t zu sein.

Beim Seminar gehen die Kursleiter außerdem auf viele grundlegen­de Dinge wie Verkehrsze­ichen, toter Winkel und Straßenver­kehrsordnu­ng ein. Sehr wichtig ist Beiden, dass ein Helm getragen wird. „Mein Kopf ist das Wichtigste, was wir haben. Also lasst es uns schützen“, sagt Hamann. Nach dem dreivierte­lstündigen Theorietei­l geht es dann hinaus an die kühle Luft.

Werner Pfundmeir vom gleichnami­gen Fahrradlad­en stellt kostenlos Testräder zur Verfügung und erklärt die Technik, während die Teilnehmer erste Runden drehen. Einige haben ihr eigenes Rad dabei, so wie Schrader. Sie dürfen sich an einem Slalom versuchen und gezielt Bremsen üben.

Und auch Sabine Schröder traut sich an diesem Nachmittag wieder aufs Pedelec. Sie hatte sich schon einmal eines gekauft. „Es war mir aber unheimlich, weil es so schnell beschleuni­gte und sich anders verhielt“, sagt die 69-Jährige. Hamann kann die Kursteilne­hmerin verstehen und erklärt: „Es ist wichtig, bestimmte Dinge wieder zu verinnerli­chen und man muss selbst damit üben.“

Beim Pedelec empfiehlt er daher, dass man zunächst „einsteigt“und erst dann „aufsteigt“. „Einfach über den Sattel springen und losfahren ist nicht“, so der Experte. Das Pedelec verhalte sich anders als ein Fahrrad, da es schon bei der kleinsten Trittbeweg­ung durch den Motor mitbeschle­unigt. „Dadurch ist der Wendekreis in Kurven höher“, sagt Hamann. Deshalb lieber nicht treten und in der Kurve rollen lassen. „Und nicht den Motor einschalte­n, bevor ich aufsteige, sonst fährt das Rad plötzlich los.“

Schröder fand die paar Runden auf dem Pedelec sehr angenehm. Gerne will sie wieder eines haben und gibt zu, dass sie damals einfach übereilt ein Pedelec gekauft habe. Und auch die restlichen Teilnehmer und Kursleiter waren mit dem zweistündi­gen Kurs zufrieden. „Wir überlegen eine gemeinsame Ausfahrt zu unternehme­n, damit die Teilnehmer einmal auf der Straße fahren können“, sagt Hamann. Er ist sich jedenfalls sicher, dass die Pedelecs in Zukunft noch attraktive­r werden.

 ?? Foto: Denis Dworatsche­k ?? Auf dem Friedberge­r Verkehrsüb­ungsplatz an der Vinzenz-Pallotti-Schule konnten Teilnehmer kostenlos bei einem Fahrsicher­heitstrain­ing der Kreisverke­hrswacht AichachFri­edberg Runden mit einem Pedelec drehen. Hermann Schrader (links) war mit seinem eigenen Rad da. Er probierte sich unter den Augen des Experten Wolfgang Hamann im Slalom.
Foto: Denis Dworatsche­k Auf dem Friedberge­r Verkehrsüb­ungsplatz an der Vinzenz-Pallotti-Schule konnten Teilnehmer kostenlos bei einem Fahrsicher­heitstrain­ing der Kreisverke­hrswacht AichachFri­edberg Runden mit einem Pedelec drehen. Hermann Schrader (links) war mit seinem eigenen Rad da. Er probierte sich unter den Augen des Experten Wolfgang Hamann im Slalom.

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