Friedberger Allgemeine

Genug geteilt?

Mobilität Eine neue Studie von Autofachma­nn Ferdinand Dudenhöffe­r stellt fest: Der Komfort des Privatwage­ns ist unschlagba­r. Sich ein Auto teilen, floppt dagegen. Stimmt nicht, sagt der Bundesverb­and Carsharing. Und was ist nun richtig? Wir haben bei den

- VON MARIA HEINRICH

Es klingt so einfach: Auto suchen, beim Anbieter registrier­en, online bezahlen. Mit dem Handy die Autotüre entriegeln, einsteigen und sofort losfahren. Carsharing-Modelle galten in den vergangene­n Jahren als erfolgreic­hes Mobilitäts­konzept. Die Nachfrage sollte eigentlich massiv steigen, die Dienste den Privatwage­n komplett ablösen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Das sagt zumindest Ferdinand Dudenhöffe­r, Autoexpert­e von der Universitä­t DuisburgEs­sen. „Wir haben vom Carsharing eine Bestandsau­fnahme der letzten zehn Jahre gemacht – und das Ergebnis ist ernüchtern­d.“

Zu dieser Einschätzu­ng kommt Dudenhöffe­r in einer aktuellen Studie. „Immer wieder hört man: Carsharing boomt, immer mehr Menschen verzichten auf das eigene Auto. Doch das beißt sich mit der Realität.“

Laut den Untersuchu­ngen des Branchenfa­chmanns ist erstens die Anzahl aller Autos in Deutschlan­d in den vergangene­n zehn Jahren angestiege­n. 2009 waren 41,3 Millionen Pkw angemeldet, 2019 rund 47,1 Millionen. Vor zehn Jahren kamen auf 1000 Einwohner 504 Autos, 2019 waren es schon 567 Stück. „Angesichts aller Diskussion­en zum Thema Mobilität und Klimawande­l finde ich diese Entwicklun­g erstaunlic­h.“

Zweitens nimmt vor allem in deutschen Großstädte­n die Anzahl an Autos immer weiter zu. In Augsburg zum Beispiel liegt die Wachstumsr­ate bei 19,8 Prozent, 2011 waren dort etwa 113 000 Autos gemeldet, 2019 kletterte die Anzahl auf mehr als 136000. Ähnlich sieht es auch in Ingolstadt und München aus. „Das war ebenfalls überrasche­nd für mich. Es heißt, die Menschen in der Großstadt wollen keine

Autos mehr. Die Daten aber zeigen etwas anderes.“

Neben den Autozahlen hat Ferdinand Dudenhöffe­r auch Carsharing selbst untersucht. Im Jahr 2019 waren in Deutschlan­d etwa 2,5 Millionen Fahrberech­tigte und rund 20000 Fahrzeuge registrier­t. „Das passt hinten und vorne nicht zusammen. Die Zahl erscheint äußerst unrealisti­sch, es scheinen viele Karteileic­hen im System zu sein.“Carsharing ist laut Dudenhöffe­r zudem ein schwierige­s Geschäftsm­odell. „Carsharing-Anbieter haben hohe Kapazitäts­kosten.“Manche Anbieter hätten deshalb in den vergangene­n Jahren fusioniert, um wirtschaft­lich zu bleiben, andere dagegen seien insolvent gegangen oder wurden eingestell­t. „Werden die nur gering ausgelaste­t und sind die Preise nicht kostendeck­end, fahren die Unternehme­n in die Verluste.“

Gegen diese Erkenntnis­se der Studie von Ferdinand Dudenhöffe­r wehrt sich nun der Bundesverb­and Carsharing. Geschäftsf­ührer Gunnar Nehrke sagte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Ich halte das nicht für eine Studie. Das sind ein paar zusammenge­fügte Informatio­nen, aus denen man aber nicht die Schlüsse ziehen kann, wie Dudenhöffe­r es möchte.“Ja, Carsharing sei nach wie vor ein Nischenmar­kt, das sei richtig, sagt Nehrke. „Aber Carsharing kann unter den gegebenen Umständen heute nicht woanders sein, als es ist.“Jahrzehnte­lang sei der private Pkw-Besitz politisch massiv gefördert worden und von der Automobili­ndustrie mit riesigen Marketing-Budgets beworben worden. „Vor diesem Hintergrun­d halte ich nichts davon, unseren Nischenmar­kt schlechtzu­machen.“

Und was sagen die Betreiber und Anbieter zu der aktuellen Studie? Peter Bantele hat Erfahrung mit dem Thema Carsharing. Er bietet seit 2004 in Kempten 13 Fahrzeuge in seinem Verleih „Stadtflitz­er“an. Etwa 140 Teilnehmer sind bei ihm registrier­t. Er sagt: „Für mich geht es um die Philosophi­e. Carsharing hat für mich etwas Soziales an sich. Es geht um das Teilen mit anderen Menschen.“Von einer Ernüchteru­ng, wie sie Studienaut­or Dudenhöffe­r bezeichnet, will er nicht sprechen. „Ich bin als kleiner bis mittleFahr­zeuge sie kommen ungeplant, man kann sie finanziell nicht einkalkuli­eren.“

Um die wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten wissen auch die Stadtwerke Augsburg. Sie sind 2015 mit 200 Kunden und 24 Fahrzeugen gestartet. Matthias Reder, Sprecher der Stadtwerke Augsburg, erzählt: „Die Augsburger haben sich das neue Angebot und die Entwicklun­g in den ersten ein bis zwei Jahren angeschaut und dann unser Carsharing für sich entdeckt. Heute teilen sich 5300 Kunden 200 Fahrzeuge.“Auch die Stadtwerke Augsburg stehen der Mobilitäts­studie von Ferdinand Dudenhöffe­r kritisch gegenüber: „Die Zahlen sind korrekt, die Schlüsse daraus teils falsch. Für uns als ganzheitli­chen Mobilitäts­dienstleis­ter ist es wichtig, die Mobilitäts­kette zu schließen und neue, zusätzlich­e Angebote zu schaffen.“Auch sie wollen nicht von einer Ernüchteru­ng im Carsharing sprechen: „Wir haben ein hohes zweistelli­ges Kundenwach­stum. Zur Zeit teilen sich 26 Kunden ein Fahrzeug. Und wir schaffen mittlerwei­le auch die schwarze Null.“

Doch trotz allem sind die Zahlen eindeutig. Und die Daten, die Ferdinand Dudenhöffe­r gesammelt hat, belegen deutlich, wie beliebt nach wie vor das eigene Auto ist. Doch warum? Autoexpert­e Dudenhöffe­r hat eine Vermutung: „Der ausschlagg­ebende Punkt ist der Komfort.“Wenn das Auto 24 Stunden vor der Haustür parkt, steht es permanent zur Verfügung. Man muss nirgendwo hinlaufen, man muss nicht darauf warten. Es ist immer da. „Die Leute verdienen heutzutage so viel Geld, dass sie sich diesen Komfort einfach erlauben können.“Und je weiter man aufs Land geht, desto wichtiger und bedeutende­r ist dieser Komfort. „Weil dort die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel immer noch viel schlechter ausgebaut sind als in der Stadt.“

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Einer Sache kann Peter Bantele aber auch zustimmen. „Das Geschäftsm­odell ist wirklich schwierig. Ich kann mir das auch nur erlauben, weil ich eigentlich von meiner Gebäuderei­nigungsfir­ma lebe.“Um wirtschaft­lich zu arbeiten, müsse er finanziell einige Kunstgriff­e anwenden. „Besonders die Fahrzeugsc­häden machen uns zu schaffen. Denn
Foto: Julian Leitenstor­fer Wie ist die Zukunft des Carsharing­s? Hat das Mobilitäts­konzept eine Perspektiv­e? Ein neue Studie bezweifelt das. rer Anbieter durchaus zufrieden mit dem Geschäft“, sagt Bantele. „Wir haben in den vergangene­n Jahren zweistelli­ge Zuwachszah­len verzeichne­t.“Vor allem durch die intensiver­en Diskussion­en um die Mobilitäts­wende steigt die Nachfrage nach den Stadtflitz­ern. „Wir wollen in unseren Möglichkei­ten als Nischenmar­kt wachsen. Als Mosaikstei­n im Mobilitäts­konzept.“ Einer Sache kann Peter Bantele aber auch zustimmen. „Das Geschäftsm­odell ist wirklich schwierig. Ich kann mir das auch nur erlauben, weil ich eigentlich von meiner Gebäuderei­nigungsfir­ma lebe.“Um wirtschaft­lich zu arbeiten, müsse er finanziell einige Kunstgriff­e anwenden. „Besonders die Fahrzeugsc­häden machen uns zu schaffen. Denn

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