Alle Kraft der Lyrik
Ursula Haeusgen ist Stifterin des Lyrik Kabinetts in München. Was vor 30 Jahren als Buchhandlung begann, ist heute eine Sammlung von öffentlicher Bedeutung
Bösewicht und Ex-Jedi-Ritter Darth Vader sucht nach der Zerstörung des Todessterns die Galaxie nach dem neuen Rebellenstützpunkt ab, der sich auf dem Eisplaneten Hoth befindet. Als sein Sohn Luke Skywalker dort von einem Schneemonster angegriffen und beinahe getötet wird, erscheint ihm der verstorbene Jedi-Meister Obi-Wan Kenobi in einer Vision und rät ihm, sich von Meister Yoda zum Jedi ausbilden zu lassen. Das Imperium findet den Stützpunkt, und die Rebellen fliehen.
Luke fliegt zum Sumpfplaneten Dagobah und trifft auf Yoda, der sich dort seit 22 Jahren vor dem Imperium versteckt. Yoda befürchtet, dass Luke wie einst sein Vater der dunklen Seite der Macht verfallen könnte, bildet ihn dann aber doch zum Jedi aus. Als dieser spürt, dass Han und Leia in Gefahr sind, macht er sich auf zur Wolkenstadt Bespin. Dort hat Lando Calrissian, ein alter Freund von Han, die Besatzung des Millenium Falken aber an das Imperium verraten.
Darth Vader lässt Han Solo in Karbonit einfrieren und wartet auf Luke, weil er ihn auf die dunkle Seite der Macht ziehen will. Lando wechselt die Fronten und befreit Leia und Chewbacca. Luke erreicht die Wolkenstadt und kämpft gegen Darth Vader, der ihm erst die rechte Hand abschlägt und ihm dann erklärt, dass er Lukes Vater ist. Luke widersteht den Versuchen seines Vaters, auf die dunkle Seite der Macht zu kommen, und springt in einen Abgrund. Über die Macht ruft er Leia um Hilfe und wird gerettet. Dank des Droiden R2-D2 können sie den Raumschiffen des Imperiums entkommen.
Luke bekommt auf einem Rebellen-Raumschiff eine künstliche Hand und Chewbacca macht sich mit Lando auf nach Tatooine, um dort den eingefrorenen Han zu befreien.
● „Ich bin dein Vater!“Darth Vader zu Luke Skywalker.
Glossar
Mechaniker-Droide, der seinen Besitzern dank seiner technischen Fähigkeiten mehrfach das Leben rettet.
Wüstenplanet, auf dem Anakin Skywalker (der spätere Darth Vader) und sein Sohn Luke Skywalker aufwuchsen.
66 Zentimeter groß, grün, mit spitzen Ohren, großer Jedi-Meister, fast 900 Jahre alt, spricht schiefe Sätze.
Als Ursula Haeusgen vor 30 Jahren begann, ihrer Leidenschaft zu folgen, konnte sie nicht ahnen, wohin das führen würde. 1989 eröffnete sie eine Buchhandlung in der Maximilianstraße in München. Zwischen teuren Uhren, Suiten und Anzügen sollte es auch Bücher zu kaufen geben. Und keine beliebigen: Lyrik sollte es sein. Das scheiterte fünf Jahre später an der Ladenmiete ebenso wie an Haeusgens wachsender Abneigung gegen Verkäufe. Lieber sammelte sie. Durchstöberte alle Kataloge zur Lyrik, die sie finden konnte. 1500, 2000 Bände pro Jahr kamen dazu. Die Buchhandlung schloss fünf Jahre später, der Bestand wuchs weiter. 63 000 Bände sind es heute – damit bietet das Lyrikkabinett die zweitgrößte öffentliche Poesiesammlung Europas nach der „Poetry Library“in London.
Denn Ursula Haeusgen – 77 Jahre alt, wache, blaue Augen, bayerische Mundart – ließ sich von dem Rückschlag mit der Buchhandlung nicht in ihrer Leidenschaft aufhalten. „1994 habe ich einen gemeinnützigen Verein gegründet und meine Bücher als Grundstock für die heutige Bibliothek eingesetzt.“2003 schließlich hob Haeusgen die Stiftung „Lyrik Kabinett“aus der Taufe, stattete sie mit reichlich Grundkapital aus und ermöglichte den Umzug in einen Neubau, in dem sie seit 2005 residiert. Warum das alles? Sie, die Erbin eines globalen Maschinenbau-Unternehmens (HaweHydraulik) und gelernte Kauffrau, hätte ein zurückgezogenes Leben
können. Stattdessen ist sie bis heute beinahe jeden Tag im Kabinett; noch immer stöbert sie in Katalogen, wählt bis zu 2000 Bände im Jahr für die Bibliothek aus. Die soll weiter wachsen, der Nachwelt die gleiche Freude an Lyrik vermitteln, die die Stifterin selbst verspürt: „Nirgendwo erlebe ich eine solche Wirkung wie bei der Lyrik. Oft wenig Text, ganz konkret am Leben, es berührt mich sehr.“In Gedichten finde sie alles, was sie brauche. Das Ungefähre, das Schwebende.
In der Münchner Amalienstraße können heute nicht nur Studenten der Lyrik nachspüren. Die Präsenzbibliothek steht fünf Tage die Woche jederfrau und jedermann offen. Etwa 45 Veranstaltungen im Jahr – Lesungen, Diskussionen, Tagungen – finden hier statt. Zeitgenössische Plastiken bewachen einen gläsernen Bau, innen eine Menge Kunst an den Wänden, auf Tischen und Schränken, in Vitrinen und auf dem Boden. Installationen, Zeichnungen, Fotos und Skulpturen. In schweren schwarzen Metallschränken werden die kostbaren Bücher bewahrt. Wer sie lesen will, kann das an Schreibtischen tun oder sich auf ein gemütliches Sofa lümmeln.
Ursula Haeusgen will Lyrik in die Unmittelbarkeit des Lebens holen und somit einem breiten Publikum zugänglich machen. Damit ist Lyrik aus aller Herren Länder gemeint – für alle. Im Gespräch merkt man, es ist der 77-Jährigen eher unangenehm, über ihr Mäzenatentum zu sprechen. Lieber lässt sie den Geschäftsführer der Stiftung, Holger Pils, die aktuelle Lage der Lyrik in
Deutschland erklären: „Es gibt ungezählte Verlage, auch junge Avantgardisten, die Werke herausbringen. Lyrik wird wieder mehr geschätzt als früher – aber natürlich nicht mit Belletristik vergleichbar.“Dennoch hat das Lyrik Kabinett im Laufe seines Bestehens nicht nur viele Zuschauer angelockt, sondern auch berühmte Künstler.
Viele, die in der Poesie Rang und Namen haben, lasen hier: Durs Grünbein, Hilde Domin, John Ashbery, Volker Braun, Kurt Drawert, Seamus Heaney, Raoul Schrott. Manche von ihnen lange, bevor sie preisgekrönt waren. „Das Publikum und die Autoren“, so Pils, „sollen hier in einen Austausch kommen. Das gelingt eigentlich immer.“Aktuell wird dem Lyrik Kabinett besonders viel Aufmerksamkeit zuteil. Schließlich existiert es nun seit 30 Jahren – und hat, pünktlich zum Jubiläum, einen kleinen Skandal am Hals.
Die zur Jubiläumsfeier eingeladene Lyrikerin Birgit Müller-Wieland hatte in einem offenen Brief protestiert und ihr Fernbleiben angekündigt. Der ehemalige Hanser-Verleger und Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Michael Krüger, ist der Grund dafür. Er habe in zwei Gedichten, die ausdrücklich dem ehemaligen Präsidenten der Musikhochschule München, Siegfried Mauser, gewidmet sind, sexuelle Gewalt verharmlost und den Rechtsstaat angezweifelt beziehungsweise angegriffen. Mauser wurde mittlerweile rechtskräftig wegen sexueller Nötigung in mehreren Fällen verurteilt. Krüger ist Kuführen ratoriumsvorsitzender im Lyrik Kabinett. Er sollte am 4. Dezember die Begrüßungsansprache halten und die Lebensleistung der Kabinettsgründerin und Stifterin Ursula Haeusgen würdigen. Wie Pils gegenüber der erklärte, habe man mit der fernbleibenden Lyrikerin ein vernünftiges Gespräch geführt und bedaure ihre Absage. Viel los also rund um den 30. Geburtstag.
Ursula Haeusgen ist froh, dass Geschäftsführer Pils sich seit sechs Jahren um die Administration kümmert. Er sagt, „wir sind ein kleines Poesie-Unternehmen“. Neben den Lesungen im Kabinett organisiert die Stiftung Workshops zur Lyrik in Schulen und gibt eigene Bände heraus. Dank der Unterstützung durch die Stadt München, des Freistaats und privater Spenden kann sich das Kabinett bei Veranstaltungsreihen und Fortbildungen engagieren. In Kooperation mit dem Hanser-Verlag erscheint zum 30-jährigen Jubiläum nun der Sammelband „Im Grunde wäre ich lieber Gedicht“. In der Anthologie sammeln sich drei Jahrzehnte Lyrik Kabinett. Die Hälfte der 260 Gedichte ist zweisprachig abgedruckt.
Während Pils erzählt, sitzt Haeusgen daneben und lächelt. „Mir wird nun klar“, sagt sie, „das hier ist mein Lebenswerk“. Als sie begonnen habe ihrer Leidenschaft nachzugehen, habe sie nicht daran gedacht, dass das Projekt einmal so groß werden würde. Und noch immer brennt in ihr das Feuer für die Lyrik. „Wissen Sie, in der Bibliothek fehlt noch so viel. Fertig ist man mit der Poesie nie.“