Der Zarenhof im Schaezlerpalais
Erstmals ist in Deutschland zu erleben, wie prächtig es zur Barockzeit in der russischen Sommerresidenz Peterhof, also auch unter Katharina II., ausgesehen hat
Weihnachtskonzert des Motettenchores Augsburg
Am Sonntag, 15. Dezember, findet um 19 Uhr in St. Anna das Weihnachtskonzert des Motettenchores Augsburg unter Leitung von Kantor Michael Nonnenmacher statt. Auf dem Programm steht Chormusik von Johannes Eccard, Adam Gumpelzhaimer, Hans-Michael Schletterer, Friedrich Silcher, Vytautas Miskinis. Eintritt frei.
Schon der Aufstieg zur Ausstellung im zweiten Schaezlerpalais-Geschoss und dort die Supraporten stimmen in das Thema ein: Im Treppenhaus das Deckenfresko von Gregorio Guglielmi, im Stockwerk die Bilder von Joseph Christ. Beide zog es in den 1770er Jahren gen Osten an den Zarenhof – wie so viele andere Künstler, Kunsthandwerker, Baumeister, Händler auch. Der Lockruf kam von Peter dem Großen (1672–1725), der mit seinen Reformen eine Annäherung Russlands an die Länder Westeuropas anstrebte. Der Sieg im Nordischen Krieg (1700–1721) eröffnete ihm die Ostsee. Und auf einer Anhöhe der Newa-Bucht errichtete er mit Blick auf das Meer, seine wichtigste Eroberung, den Palastkomplex „Peterhof“. Diese deutsche Ortsbezeichnung taucht erstmals in seinem Reisetagebuch auf. Peter reiste viel und 1717 auch nach Versailles, wo er und seine Begleiter eine Art Bauspionage betrieben. Peterhof, sein „russisches Versailles“, wurde aber mit seinen Haupt- und Nebenbauten, Kaskaden und Fontänen mehr als eine Kopie. Von Peters Hand sind 28 Planzeichnungen erhalten. Doch von seiner und seiner Nachfolger Sommerresidenz Peterhof, die nach dem Überfall HitlerDeutschlands auf die Sowjetunion
Aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs
1941 direkt im Frontgebiet lag, blieben nur noch Trümmer. Die russische Operation „Januardonner“befreite Peterhof im Januar 1944. Schon drei Monate später wurden Maßnahmen zur Wiederherstellung beschlossen. Obwohl Kunstschätze ausgelagert wurden (bis Nowosibirsk), war der Verlust ungeheuerlich. Und es grenzt an ein Wunder, dass das, was jetzt in Augsburg an Schätzen aus Schloss Peterhof zu sehen ist, nur einen geringen Bruchteil des Bestandes ausmacht.
Und an ein Wunder grenzt auch, dass nach den Wunden dieser Kriegskatastrophe ein solcher Kunstaustausch gelingt. Er gelang, was Augsburg betrifft, schon 2008, als das Maximilianmuseum „Augsburger Silber aus dem Kreml“präsentierte. Dessen Generaldirektorin Gagarina hoffte damals, dass dies „zu einem Meilenstein“für die russisch-deutschen Kulturverbindungen werden möge. Die jetzige Ausstellung, die erste Peterhof-Auswahl in Deutschland, bestätigt diese Hoffnung aufs Schönste. Allerdings wurden die im Schaezlerpalais gezeigten Kunstschätze – im Unterschied zum „Zarensilber“2008 – nur zum geringsten Teil in Augsburg gefertigt: eine aus vergoldetem Silber und Porzellan geschaffene Besteckgarnitur von Abraham IV Warnberger, eine Horizontaluhr von Johannes Benner, ein reich intarsiertes Kästchen von Johann Mann, ein schmuckvoller Degen mit Porzellangriff und, indirekt, ein Jagdmotiv von Johann Elias Ridinger auf einem Petersburger Porzel
Teile einer Besteckgarnitur des Augsburgers Abraham IV Warnberger. lan. Aber gerade das letzte Beispiel belegt ja den europäischen Kulturtransfer des 17. und 18. Jahrhunderts (oft parallel zu dynastischen Transfers). Augsburg hat dazu auch durch die enorme Produktivität seiner Kupferstecher und Verleger als „Bilderfabrik Europas“beigetragen. Kunstvolle Silberarbeiten wurden über Jahrhunderte zum Bestandteil der internationalen Diplomatie. So gelangten schließlich über 500 Stück in die Rüstkammer des Kreml – und daraus 70 in die Augsburger „Zarensilber“-Ausstellung. Diesmal glänzt nur das Warnberger-Besteck. Aber der „Augsburger Geschmack“des Rokoko ist auch bei einem Kerzenleuchter-Paar aus Petersburger Manufaktur erkennbar.
Eingangs der Schau im Schaezlerpalais grüßt Peter der Große als Brustporträt (nach dem französischen Maler Louis Caravaque), im Schlusskabinett spiegelt sich Katharina die Große so graziös wie majestätisch in einem Ölbild des Dänen Vigilius Eriksen. In den Kabinetten dazwischen figurieren die Zarin Anna Iwanowna mit strengem Blick (von Louis Caravaque) und besonders prächtig Zarin Elisabeth Petrowna (Tochter Peters des Großen, porträtiert von Charles-André van Loo). Beide Kaiserinnen haben übrigens Gemälde inventarisiert, wobei auch der Memminger Universalgelehrte Jacob Staehlin mitwirkte. Die von Peterhof nach Augsburg entsandten Konterfeis lassen Zar Paul I. (den Urenkel Peter des Großen) so wenig aus wie den holsteinischen Prinzen, der in Russland
Großfürst Peter Fjodorowitsch und dann Zar Peter III. wurde. Seine Gemahlin, die Prinzessin Sophie Auguste Friederike von AnhaltZerbst und Großfürstin Katharina Alexejewa, war beteiligt am Komplott der gräflichen Brüder Orlow, der Peter III. vom Thron stürzte und diesen für seine Frau als Zarin Katharina II. frei machte. Ein Thronsessel von ihr ist im Schlusskabinett ausgestellt. Daneben das schon genannte Spiegel-Porträt, für das Katharina selbst Modell gestanden haben soll. Links von ihr hängt pikanterweise ein Porträt des lächelnden Grigori Orlow, der auch einer ihrer Liebhaber war. So entfaltet sich im Schaezlerpalais Schritt für Schritt nicht nur höfische Kunst sowie Wohn- und Tischkultur, sondern auch russische Herrschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts. Der Zweimetermann Peter I. war monströs. Davon erzählt seine im NewaDelta erbaute Hauptstadt St. Petersburg ebenso wie der etwa 30 Kilometer entfernt errichtete Palastkomplex
Sturz vom Thron und Neubesetzung
Lapislazuli-Vase, ein Erzeugnis der Peterhofer Steinschleifmanufaktur.