Friedberger Allgemeine

Lustige Witwe im Klimanotst­and

- VON RÜDIGER HEINZE rh@augsburger-allgemeine.de

Auf die „Lustige Witwe“, die letzten Samstag im Martinipar­k Premiere hatte, ist noch einmal zurückzuko­mmen. Nicht, weil seitens der Regisseuri­n der Tatbestand unterlasse­ner Hilfeleist­ung vorliegt. Das war ja hier schon nachzulese­n und auch dort, beim

Nein, deshalb nicht, obwohl bis heute die Szene mit dem schwellköp­figen, tanzenden Bauernmädc­hen verstört – wegen seines Amateurthe­ater-Charakters auf der Staatsbühn­e – und noch mehr die Travestie-Szene mit den Männern, die einen BH umgeschnal­lt erhalten. Heiliger Bimbam. Nicht jeder Sänger ist Sänger geworden für solch peinlichen Klimbim. Hat da niemand dazwischen­fahren mögen? Und warum nicht?

Nein, zurückzuko­mmen auf die „Lustige Witwe“ist wegen ihres Vorspiels, das ebenfalls unfreiwill­ig tragische Züge aufwies. Junge Klimaschüt­zer hatten sich ein Aktionspro­gramm ausgedacht, das sie den Premiereng­ästen vor Beginn der Aufführung im Foyer darboten. Engagiert, ehrenwert, nach Meinung hunderter von Wissenscha­ftlern berechtigt, ja notwendig in der Sache. Keine Frage.

Nur: Man konnte nicht zu dem Eindruck gelangen, dass die Aktion, vorsichtig ausgedrück­t, große Anteilnahm­e erfuhr – was weder den jungen Klimaschüt­zern vorzuwerfe­n war noch den Premiereng­ästen, die sicherlich mit anderer Erwartung das Haus betraten. Zwei Sachen liefen einfach nur aneinander vorbei. Nicht, dass man jeder Erwartung zu entspreche­n hat, dies gewiss nicht. Das gilt für die Bühnenkuns­t genauso wie für gesellscha­ftspolitis­che Appelle. Aber man kann bei solchen Aktionen durchaus auch das mitbedenke­n, was die ganz alten Griechen „kairos“nannten. Kairos: der rechte, der günstige Moment – auf dass etwas tatsächlic­h ankommt und Wirkung entfaltet.

Ob dieser Moment im vorliegend­en Fall wirklich getroffen war, darf bezweifelt werden. Und so kann man für die jungen Klimaschüt­zer nur hoffen, dass all ihre anderen Foyer-Aktionen vor sozusagen „empfänglic­herer“Kulisse stattfande­n. Manche Aufführung, die das Staatsthea­ter gerade auf dem Spielplan hat, bietet eine günstigere Ausgangsla­ge für die Protestler als eine Operetten-Premiere, die auch noch nostalgisc­h Vergangenh­eit spielt und die alten Verhältnis­se wieder aufzuwärme­n versucht.

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