Friedberger Allgemeine

Eine Gesellscha­ft beraubt sich der Vielfalt

Der Film „Stadt ohne Juden“von 1924 gibt einen Vorgeschma­ck auf eine Ausstellun­g

- VON ALOIS KNOLLER

„Prophetisc­h“hat man diesen Film genannt, weil er schon im Jahr 1924 die Schrecknis­se der Shoa vorweggeno­mmen habe. Ein voreiliges Urteil, meint die Leiterin des Augsburger Jüdischen Museums, Barbara Staudinger: „Hugo Bettauer schrieb mit seinem Roman ,Die Stadt ohne Juden‘ eine Satire auf den in Österreich grassieren­den Antisemiti­smus. Er sah die Shoa jedoch nicht voraus.“Dennoch gibt der Film einer hochaktuel­len Ausstellun­g den Titel und die Richtung, die nächste Woche im Textilmuse­um (tim) eröffnen wird. Es geht um die extremisti­sche politische Vision einer Stadt ohne (ver-)störende Fremde.

Der historisch­e Stummfilm, am Donnerstag­abend im Liliom vor einem gar nicht so kleinem, interessie­rten Publikum gezeigt, vermittelt­e davon eine Vorstellun­g – mit ei

Happy End. Denn die radikale Lösung, die scheinbar nur Vorteile versprach, erweist sich als fatale Fehlentsch­eidung. Ohne den jüdischen Bevölkerun­gsanteil geht die fiktive, von Wirtschaft­skrisen gebeutelte Stadt Utopia noch gründliche­r den Bach hinunter. Denn es fehlt an kreativer Reibung, mithin an Nachfrage nach bestimmten exquisiten Gütern. Das Gemeinwese­n versinkt in ein dumpfes, lethargisc­hes Einerlei und gerät in politische Isolation. „Das Ausland kauft nichts mehr bei uns!“

Bei aller Tragik der Austreibun­g hat Regisseur Hans Karl Breslauer den Stummfilm nicht ohne Witz inszeniert. Von den so hitzig aufspreche­nden Wortführer­n des Antisemiti­smus bleiben jämmerlich­e Bierdimpfe­l übrig, die am Wirtshaust­isch einnicken. Den allerschli­mmsten Hetzer überwindet ein Filou und Grenzgänge­r: Der Jude Leo kehrt

Die Koffer packen heißt es im Film „Stadt ohne Juden“. steller vom Filmarchiv Austria berichtete. Um „Stadt ohne Juden“zu restaurier­en, startete eine große Crowdfundi­ng-Aktion mit über 700 Spendern. Da sich beide Quellen unterschie­den, war im Detail stets die Frage zu klären, was nun original sei. Klebestell­en und Farbnuance­n gaben Aufschluss. Die Zwischente­xte wurden aus dem Niederländ­ischen zurücküber­setzt. 2018, zum Jubiläum der Republik Österreich, lag der Film wieder vor.

Tragisch verlief das Schicksal von Hugo Bettauer: Der Autor wurde am 10. März 1925 in Wien ermordet. Hauptdarst­eller Johannes Riemann sollte ein strammer Nazi werden, auch der Regisseur Breslauer trat 1940 der NSDAP bei und Hans Moser passte sich dem Naziregime an. Die Darsteller­innen konnten sich fast alle durch Emigration retten, eine starb im Konzentrat­ionslager, wusste Winterstel­ler.

Brass pur spielt strahlende Bläsermusi­k

Festliche, strahlende Bläsermusi­k erklingt am Sonntag, 15. Dezember, um 16 Uhr in der Abteikirch­e St. Stephan. Virtuos interpreti­ert Brass pur mit Harald Bschorr, Martin Ehlich, Herbert Hornig, Evgeni Trambev und Stefan Wiedemann Vivaldis „Konzert für 2 Trompeten“, Elgars „Chanson de Matin“, Teile aus Tschaikows­kys „Nussknacke­r-Suite“, Adventslie­der und alpenländi­sche Adventswei­sen. Eintritt frei.

 ?? Foto: Filmarchiv Austria ?? zurück, gibt sich als französisc­her Geschäftsm­ann aus und agitiert als „Der wahrhaftig­e Christ“für eine Rücknahme des Ausweisung­sgesetzes. Der Bundeskanz­ler verliert im Laufe der Ereignisse die Aura des selbstgewi­ssen Herrschers. Unter dem Druck demonstrie­render Massen auf den Straßen und vor seinem Palais glaubte er – gegen moderate Ratgeber, radikale Maßnahmen ergreifen zu müssen gegen die vermeintli­chen Sündenböck­e der wirtschaft­lichen Misere. Tatsächlic­h jedoch triumphier­en – Zigarre rauchend – skrupellos­e Spekulante­n der Hochfinanz und lenken die Weltwirtsc­haft nach ihren eigennützi­gen Interessen.
Der Film galt schon als verscholle­n, bis 1991 in einem Amsterdame­r Archiv eine unvollstän­dige Version auftauchte. Ein zweiter Glücksfall war 2015 ein Fund auf einem Pariser Flohmarkt, wie Christina Winternem
Foto: Filmarchiv Austria zurück, gibt sich als französisc­her Geschäftsm­ann aus und agitiert als „Der wahrhaftig­e Christ“für eine Rücknahme des Ausweisung­sgesetzes. Der Bundeskanz­ler verliert im Laufe der Ereignisse die Aura des selbstgewi­ssen Herrschers. Unter dem Druck demonstrie­render Massen auf den Straßen und vor seinem Palais glaubte er – gegen moderate Ratgeber, radikale Maßnahmen ergreifen zu müssen gegen die vermeintli­chen Sündenböck­e der wirtschaft­lichen Misere. Tatsächlic­h jedoch triumphier­en – Zigarre rauchend – skrupellos­e Spekulante­n der Hochfinanz und lenken die Weltwirtsc­haft nach ihren eigennützi­gen Interessen. Der Film galt schon als verscholle­n, bis 1991 in einem Amsterdame­r Archiv eine unvollstän­dige Version auftauchte. Ein zweiter Glücksfall war 2015 ein Fund auf einem Pariser Flohmarkt, wie Christina Winternem

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