Friedberger Allgemeine

Einmaliges Experiment in der „Alten Schmiede“

Wie Studenten der Hochschule Augsburg und ihr Professor ein leer stehendes historisch­es Gebäude renovieren und neu beleben. Eine ungewöhnli­che Aktion, von der auch andere profitiere­n sollen

- VON EVA MARIA KNAB

Die schweren eisernen Schmiedeza­ngen hängen noch fein säuberlich aufgereiht über der riesigen Feuerstell­e. So als ob gleich heute das nächste Pferd beschlagen werden soll. Der Hufschmied in der „Alten Schmiede“am Milchberg ist aber schon lange nicht mehr am Werk. Das historisch­e Anwesen unterhalb von St. Ulrich stand viele Jahre leer. Jetzt kommt neues Leben ins Haus. Der Eigentümer wagt ein DenkmalExp­eriment, das in Augsburg und weit über Augsburg hinaus einmalig sein dürfte: Er legt die Sanierung in Hände von Studenten.

Student Max Kling und seine Kommiliton­en vom Sanierungs­team der Fakultät für Architektu­r und Bauwesen an der Hochschule Augsburg freuen sich sehr auf die ungewöhnli­che Herausford­erung. Denn die Alte Schmiede ist nicht irgendeine­s der vielen Augsburger Baudenkmäl­er. Sie steht an einer exponierte­n Stelle im Ulrichsvie­rtel. Und sie ist ein geschichts­trächtiger Ort. Das Anwesen gehörte ursprüngli­ch zum Kloster St. Ulrich und Afra. Schon 1184 soll die Hufschmied­e in einer schwäbisch­en Chronik erwähnt worden sein.

Auch bei der Stadt hat man ein Auge auf das historisch­e Gemäuer. Fachleute sagen, es gebe nur wenige andere Baudenkmäl­er, in denen heute noch so viel originale Substanz erhalten geblieben ist, ohne dass in neuerer Zeit mit Renovierun­gen eingegriff­en wurde. In der Alten Schmiede gibt es allerdings auch ein großes Problem. Seit Langem steht sie leer, weil in den unsanierte­n Räumen niemand mehr dauerhaft wohnen oder arbeiten kann. Eigentümer Bernhard Heilmann hat das Gebäude von seinen Großeltern geerbt. Er kann es alleine aber nicht soweit instand setzen, dass er „normale“neue Mieter finden würde. Zwar hatte er Angebote von Kaufintere­ssenten. Aber verkaufen will er nicht. Denn ein Bauträger würde das historisch­e Gebäude so konsequent durchmoder­nisieren, dass er es möglichst gewinnbrin­gend vermarkten kann, aber von Denkmal nur noch die Hülle übrig bleibt.

Heilmann sagt, sein Ziel sei, die Alte Schmiede in Familienbe­sitz zu halten und zu einer „kleinen Perle“zu machen. Nun gehe es darum, eine finanziell überschaub­are Lösung für eine neue, verträglic­he Nutzung zu finden. Dafür arbeitet er mit Studenten der Hochschule und deren Professor Christian Bauriedel zusammen. Es ist ein außergewöh­nliches Experiment. Gerade beginnt es, Gestalt anzunehmen.

Das große Ziel der Studenten aus dem Studiengan­g Energieeff­izientes Planen und Bauen beschreibt deren Betreuer Bauriedel so: „Wir wollen das Gebäude mit wenig Geld denkmalger­echt instandset­zen und ganzjährig nutzbar machen.“Angestrebt sei, dass man sich in den Räumen heute wohlfühlen kann und trotzdem die Geschichte des Gebäudes überall spürbar und sichtbar bleibt. Passanten am Milchberg konnten am Donnerstag­abend zum offizielle­n Auftakt des Projektes eine Premiere erleben: Zum ersten Mal seit Jahrzehnte­n öffnete sich in der Alten Schmiede das Eingangsto­r. Es gab den Blick auf die historisch­e Werkstatt mit der Esse frei, in der ein Feuer loderte.

Das Sanierungs-Experiment für das Augsburger Baujuwel hat viele ungewöhnli­che Facetten. Der Plan sieht so aus, dass eine Gruppe von Studenten erst einmal einige Zimmer im Gebäude in Eigenregie provisoris­ch herrichtet, aber immer in enger Absprache mit der Denkmalpfl­ege. Im Gegenzug überlässt der

Eigentümer den Studierend­en die Zimmer für einen begrenzten Zeitraum mietfrei als Arbeits- und Projekträu­me.

Die ersten Veränderun­gen im Gebäude sind bereits zu sehen. Student Max Kling und seine Mitstreite­r haben es entrümpelt. Dann legten sie in früheren Wohnräumen im ersten Stock die historisch­en Dielen-Böden frei und strichen die Wände mit reversible­r Kalkfarbe. Ein Originalfe­nster wurde innen mit Isoliergla­s ergänzt, um einen Wärmeschut­z für die Räume zu testen.

An einigen Stellen zeigt der studentisc­he Sanierungs­trupp exemplaris­ch, welche architekto­nischen und gestalteri­schen Details in der Alten Schmiede zu finden sind: Malereien mit floralen Mustern, Wandkonstr­uktionen mit Holzbalken und Haselruten oder Schichten von Wandputz über die Jahrhunder­te hinweg. Solche besonderen Stellen sollen in Bilderrahm­en zum Hingucker werden, auch für Besucher im Haus. Das vorläufige Renovierun­gsergebnis beschreibe­n die Studenten als „Werkstätte­n-Look“. Die Materialko­sten für die Räume lagen bisher bei 600 Euro.

Mit im Team ist auch Amanda Natterer. Sie ist freiberufl­iche Bauforsche­rin und schließt derzeit ein Denkmalpfl­ege-Studium in Bamberg ab. Sie sagt, „wir haben die Räume denkmalpfl­egerisch untersucht und dokumentie­rt und dabei auch ein großes öffentlich­es Interesse bemerkt“. Viele Passanten seien im Zuge der Arbeiten vorbeigeko­mmen und hätten mehr über das Gebäude und seine Geschichte wissen wollen.

Professor Bauriedel und sein Team könnten sich eine neue Nutzung für die Alte Schmiede gut vorstellen, während die studentisc­he Sanierung in Schritten voranschre­itet: unten im Parterre öffentlich­e Räume für Ausstellun­gen, Vorträge und Schulungen und oben studentisc­he Arbeitsräu­me für verschiede­ne Fakultäten der Hochschule sowie eine Gründersch­miede.

Ob aber aus dem „gelebten Studium“im Bereich Bauwesen ein offizielle­s Projekt der Hochschule Augsburg werden könnte, ist noch offen. Eigentümer Heilmann hofft, dass es mit einer Zusammenar­beit klappt. Er meint, „das wäre für die Studenten und das Haus wohl die beste Lösung“.

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Die Alte Schmiede am Milchberg ist ein außergewöh­nliches, aber schwierige­s Baudenkmal. Der Eigentümer legt die Sanierung in die Hände von Studenten. Mit im Team sind Carmen Herrmann, Amanda Natterer und Max Kling (von links).
Foto: Bernd Hohlen Die Alte Schmiede am Milchberg ist ein außergewöh­nliches, aber schwierige­s Baudenkmal. Der Eigentümer legt die Sanierung in die Hände von Studenten. Mit im Team sind Carmen Herrmann, Amanda Natterer und Max Kling (von links).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany