Der Wandel in der Innenstadt ist nicht zu stoppen
Der Online-Handel macht den Läden zu schaffen. Das muss aber kein Grund für Pessimismus sein
Die Innenstadt? Für die Sportartikel-Kette Decathlon ist das kein Thema. Der Händler mit mehr als 80 Filialen in Deutschland unternimmt einen neuen Anlauf, um in Augsburg einen Markt zu eröffnen – und zum zweiten Mal ist es ein Standort fernab von der Innenstadt, in Randlage. Dieses Mal in der Nähe des EGM-Kauflands in Lechhausen. Verwehren kann man das dem Sporthändler wohl nicht. Und es gibt auch keinen Grund dazu. In der Innenstadt gibt es kaum mehr Sporthändler, die man schützen müsste. Sport-Scheck, ansässig in der City-Galerie, befindet sich auch nicht in klassischer Innenstadt-Lage.
Allzu viel Hoffnungen, dass ein großer Sporthändler doch noch direkt in die Innenstadt zieht, sollte man sich nicht machen. Und nur deshalb Decathlon draußen im Gewerbegebiet zu verhindern, ergäbe keinen Sinn. Man muss es in einem größeren Zusammenhang sehen – und akzeptieren: Einen echten Boom im Innenstadt-Handel wird es nicht mehr geben. Der Onlinehandel
wächst und wächst. Etwa im Bereich Mode: Hier gaben die Menschen im Deutschland im Jahr 2018 bei Interneteinkäufen laut Handelsverband rund 13,2 Milliarden Euro für Kleidung, Schuhe und Accessoires aus. Eine Milliarde Euro mehr als im Vorjahr. Das ging zulasten der stationären Händler. Sie büßten im vorigen Jahren rund 1,1 Milliarden Euro an Umsatz ein. Der Handel befindet sich in einem dramatischen Umbruch. Und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich am OnlineTrend
etwas ändert. Im Gegenteil.
Augsburg steht noch gut da. Es gibt in den Einkaufsstraßen noch viele attraktive Geschäfte. Und in der Altstadt hat sich in den vergangenen Jahren eine spannende Mischung aus kleinen Läden, Büros und Handwerk entwickelt. Die Altstadt profitiert dabei von ihrer Lage zwischen City-Galerie und Stadtzentrum. Auch in der Maximilianstraße sind eine Reihe von Häusern saniert worden – und beherbergen attraktive, hochwertige
Geschäfte. Die Stadtpolitik hat dazu auch wesentlich beigetragen. Vor allem durch die großflächige Neugestaltung der Fußgängerzone, des Königsplatzes und teilweise auch der Maxstraße. Die Innenstadt wirkt seither deutlich attraktiver.
Doch wer mit offenen Augen durch die Innenstadt geht, kann die Leerstände – teils auch in Toplagen wie der Annastraße – dennoch nicht ausblenden. Außerdem scheint sich das Karussell im Handel immer schneller zu drehen. Es war schon immer so, dass Geschäfte kommen und gehen. Die Geschwindigkeit aber hat merklich zugenommen. Kleinere, inhabergeführte Geschäfte sind auf dem Rückzug. Ketten übernehmen. Doch die Frage bleibt: Wie lange noch? Auch die Modemarken drängen ins Internet. Teils hat man sogar das Gefühl, sie arbeiten bewusst daran, Kunden vom Geschäft ins Internet zu drängen – etwa mit speziellen Rabatten und Angeboten, die es nur online gibt.
Was das für die Innenstadt bedeutet? Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass der Status quo erhalten bleibt. Natürlich wird es weiter Geschäfte geben. Auch familiengeführte Unternehmen wie das Modehaus Rübsamen haben es geschafft, am Markt zu bestehen. Auch deshalb, weil sie ebenfalls im
Internet verkaufen. Aber man darf sich nichts vormachen: Die Mühe, Leerstände zu füllen, wird nicht weniger werden. Tendenziell wird es, trotz aller Bemühungen der Stadt, einen Rückgang bei den Geschäften geben.
Das muss man aber nicht als Weltuntergang sehen. Ist eine Innenstadt wirklich nur dann attraktiv, wenn sie vollgestopft ist mit Geschäften? Manche Straßen, auch in Augsburg, sind in den vergangenen Jahrzehnten durch den kollektiven Kaufrausch auch ziemlich eintönig geworden. Dominiert allein von Geschäften. Wo sich nun Lücken auftun, besteht auch die Chance auf Veränderung. Das innerstädtische Wohnen kann wieder ausgebaut werden. Es ist besser, leer stehende Geschäftshäuser in Wohnungen umzubauen, als sie mit zugeklebten Schaufensterscheiben vor sich hin darben zu lassen. Auch die Gastronomie besetzt jetzt Flächen, die früher dem Einzelhandel dienten. In Augsburg haben viele neue Lokale eröffnet. Essengehen gewinnt an Stellenwert. Auch Dienstleistungen, Büros und Ateliers machen eine Straße attraktiv. Es ist auch an der Zeit, Kunst und Kultur stärker in die vom Kommerz dominierte Innenstadt zurückzuholen – mit Galerien oder einer Theaterbühne. Möglich kann das
In Augsburg gibt es noch viele attraktive Geschäfte
werden, wenn das Mietniveau angesichts des Rückzugs des Einzelhandels sinkt. Die Innenstadt muss, das sagen Forscher, zum Erlebnisraum werden, wenn sie Zukunft haben will. Auch Familienfreundlichkeit ist wichtig. Was Spielplätze auf zentralen Plätzen angeht, hat Augsburg noch ziemlichen Nachholbedarf. Das sieht auch das Einzelhandelsgutachten, das im Auftrag der Stadt erstellt wurde,so.
Es gibt also noch einiges zu tun. Und es wird sich viel verändern. Aber es gibt keinen Grund, die Zukunft der Innenstadt nur pessimistisch zu sehen.