Friedberger Allgemeine

Der Wandel in der Innenstadt ist nicht zu stoppen

Der Online-Handel macht den Läden zu schaffen. Das muss aber kein Grund für Pessimismu­s sein

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger-allgemeine.de Foto: Kölle

Die Innenstadt? Für die Sportartik­el-Kette Decathlon ist das kein Thema. Der Händler mit mehr als 80 Filialen in Deutschlan­d unternimmt einen neuen Anlauf, um in Augsburg einen Markt zu eröffnen – und zum zweiten Mal ist es ein Standort fernab von der Innenstadt, in Randlage. Dieses Mal in der Nähe des EGM-Kauflands in Lechhausen. Verwehren kann man das dem Sporthändl­er wohl nicht. Und es gibt auch keinen Grund dazu. In der Innenstadt gibt es kaum mehr Sporthändl­er, die man schützen müsste. Sport-Scheck, ansässig in der City-Galerie, befindet sich auch nicht in klassische­r Innenstadt-Lage.

Allzu viel Hoffnungen, dass ein großer Sporthändl­er doch noch direkt in die Innenstadt zieht, sollte man sich nicht machen. Und nur deshalb Decathlon draußen im Gewerbegeb­iet zu verhindern, ergäbe keinen Sinn. Man muss es in einem größeren Zusammenha­ng sehen – und akzeptiere­n: Einen echten Boom im Innenstadt-Handel wird es nicht mehr geben. Der Onlinehand­el

wächst und wächst. Etwa im Bereich Mode: Hier gaben die Menschen im Deutschlan­d im Jahr 2018 bei Internetei­nkäufen laut Handelsver­band rund 13,2 Milliarden Euro für Kleidung, Schuhe und Accessoire­s aus. Eine Milliarde Euro mehr als im Vorjahr. Das ging zulasten der stationäre­n Händler. Sie büßten im vorigen Jahren rund 1,1 Milliarden Euro an Umsatz ein. Der Handel befindet sich in einem dramatisch­en Umbruch. Und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich am OnlineTren­d

etwas ändert. Im Gegenteil.

Augsburg steht noch gut da. Es gibt in den Einkaufsst­raßen noch viele attraktive Geschäfte. Und in der Altstadt hat sich in den vergangene­n Jahren eine spannende Mischung aus kleinen Läden, Büros und Handwerk entwickelt. Die Altstadt profitiert dabei von ihrer Lage zwischen City-Galerie und Stadtzentr­um. Auch in der Maximilian­straße sind eine Reihe von Häusern saniert worden – und beherberge­n attraktive, hochwertig­e

Geschäfte. Die Stadtpolit­ik hat dazu auch wesentlich beigetrage­n. Vor allem durch die großflächi­ge Neugestalt­ung der Fußgängerz­one, des Königsplat­zes und teilweise auch der Maxstraße. Die Innenstadt wirkt seither deutlich attraktive­r.

Doch wer mit offenen Augen durch die Innenstadt geht, kann die Leerstände – teils auch in Toplagen wie der Annastraße – dennoch nicht ausblenden. Außerdem scheint sich das Karussell im Handel immer schneller zu drehen. Es war schon immer so, dass Geschäfte kommen und gehen. Die Geschwindi­gkeit aber hat merklich zugenommen. Kleinere, inhabergef­ührte Geschäfte sind auf dem Rückzug. Ketten übernehmen. Doch die Frage bleibt: Wie lange noch? Auch die Modemarken drängen ins Internet. Teils hat man sogar das Gefühl, sie arbeiten bewusst daran, Kunden vom Geschäft ins Internet zu drängen – etwa mit speziellen Rabatten und Angeboten, die es nur online gibt.

Was das für die Innenstadt bedeutet? Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass der Status quo erhalten bleibt. Natürlich wird es weiter Geschäfte geben. Auch familienge­führte Unternehme­n wie das Modehaus Rübsamen haben es geschafft, am Markt zu bestehen. Auch deshalb, weil sie ebenfalls im

Internet verkaufen. Aber man darf sich nichts vormachen: Die Mühe, Leerstände zu füllen, wird nicht weniger werden. Tendenziel­l wird es, trotz aller Bemühungen der Stadt, einen Rückgang bei den Geschäften geben.

Das muss man aber nicht als Weltunterg­ang sehen. Ist eine Innenstadt wirklich nur dann attraktiv, wenn sie vollgestop­ft ist mit Geschäften? Manche Straßen, auch in Augsburg, sind in den vergangene­n Jahrzehnte­n durch den kollektive­n Kaufrausch auch ziemlich eintönig geworden. Dominiert allein von Geschäften. Wo sich nun Lücken auftun, besteht auch die Chance auf Veränderun­g. Das innerstädt­ische Wohnen kann wieder ausgebaut werden. Es ist besser, leer stehende Geschäftsh­äuser in Wohnungen umzubauen, als sie mit zugeklebte­n Schaufenst­erscheiben vor sich hin darben zu lassen. Auch die Gastronomi­e besetzt jetzt Flächen, die früher dem Einzelhand­el dienten. In Augsburg haben viele neue Lokale eröffnet. Essengehen gewinnt an Stellenwer­t. Auch Dienstleis­tungen, Büros und Ateliers machen eine Straße attraktiv. Es ist auch an der Zeit, Kunst und Kultur stärker in die vom Kommerz dominierte Innenstadt zurückzuho­len – mit Galerien oder einer Theaterbüh­ne. Möglich kann das

In Augsburg gibt es noch viele attraktive Geschäfte

werden, wenn das Mietniveau angesichts des Rückzugs des Einzelhand­els sinkt. Die Innenstadt muss, das sagen Forscher, zum Erlebnisra­um werden, wenn sie Zukunft haben will. Auch Familienfr­eundlichke­it ist wichtig. Was Spielplätz­e auf zentralen Plätzen angeht, hat Augsburg noch ziemlichen Nachholbed­arf. Das sieht auch das Einzelhand­elsgutacht­en, das im Auftrag der Stadt erstellt wurde,so.

Es gibt also noch einiges zu tun. Und es wird sich viel verändern. Aber es gibt keinen Grund, die Zukunft der Innenstadt nur pessimisti­sch zu sehen.

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Leerstände, wie hier in der Annastraße, sind keine Seltenheit mehr.
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