„Das ist ein gewaltiger Unterschied“
Interview Der ehemalige Spitzenspieler Max Wünschig feiert am Samstag seinen 70. Geburtstag. Ein Gespräch über seine aktive Zeit im Tennis, Veränderungen und Philipp Kohlschreiber
Herr Wünschig, einen 70. Geburtstag würde man normalerweise in großer Runde feiern. Wie sehen Ihre Feierlichkeiten in der Coronakrise aus?
Ich bin sowieso kein Feierbiest, wenn Jubiläen anstehen. Wir wären im kleinen Kreis mit Familie und guten Freunden zum Essen gegangen. Das muss leider entfallen, ich werde zu Hause sein.
Sie haben zwei Söhne und vier Enkelkinder, nicht einmal die Familie werden Sie an Ihrem Geburtstag sehen, oder?
Wir sehen unsere Enkel seit geraumer Zeit nur auf Distanz, der Kontakt wird sich auf einen Videoanruf beschränken. Das ist zwar schade, aber vernünftiger. Alles andere holen wir nach.
Mit Blick aufs Alter gehören Sie beim Coronavirus zur Risikogruppe.
(lacht) Sie haben mich an mein Alter erinnert. Aber ich fühle mich jetzt nicht so, dass ich krankheitstechnisch dazugehöre. Da gibt es bestimmt andere Fälle. Wenn es die nächsten 70 Jahre wie jetzt weitergeht, bin ich nicht traurig.
Wie geht es Ihnen denn gesundheitlich? Haben Sie mit Folgen des Spitzensports zu kämpfen?
Verletzungen kann man behandeln. Dass ich nicht mehr exzessiv Sport treiben kann, in dem Knie und Arme gefordert sind, ist verkraftbar. Damit komme ich bestens zurecht. Sportlicher Ehrgeiz ist nebensächlich. Wenn ich golfen gehe, stehen gutes Wetter, ein vernünftiges Grün und die Zeit mit Freunden im Vordergrund. Außerdem fahre ich Rad oder gehe Schwimmen. (lacht) Ich mache eben seniorengerechte Sportarten.
Eigentlich treffen Sie sich einmal im Jahr mit alten Weggefährten, um entspannte Tage auf Mallorca zu verbringen. Wie steht es jetzt um Ihre Reisegruppe?
Anfang Mai wollten wir die Reise machen, ich und meine Kollegen werden sie aber absagen.
Absage ist das Stichwort. Zahlreiche Sportveranstaltungen werden in diesem Jahr nicht stattfinden, unter anderem das Tennisturnier in Wimbledon. Wie groß ist noch Ihr Interesse an Spitzentennis?
Ich habe im Jahr 2000 mit Tennis aufgehört, meine Aktivitäten beschränken sich auf Fernsehen und Medien. Mit meinem Sohn habe ich mal eine halbe Stunde aus dem Stand heraus gespielt, um zu schauen, ob ich den Ball noch auf der Besaitung treffe oder vorbeihaue.
Wenn ich mir große Turniere anschaue, ist das ein gewaltiger Unterschied. Ich bin begeistert, was Spitzenspieler heutzutage mit dem Ball anstellen. Wie präzise und schnell sie bei Ballwechseln mit 40, 50 Schlägen spielen. Hätte ich damals so hingehauen, wäre der Ball wohl 400 Meter weit geflogen. Wir waren bestimmt in unserer Zeit auch nicht ganz schlecht, aber wir waren einfach nicht so gut trainiert und professionell. Man sollte das nicht vergleichen, ich möchte keine Sekunde dieser schönen Zeit missen.
Wünschig: Wer sich heutzutage im Spitzensport bewegt – egal welche Sportart –, der muss sich rund um die Uhr damit beschäftigen, muss medizinisch betreut werden und sich entsprechend ernähren. Daran haben wir nie gedacht. Ich habe beim Seitenwechsel mein Wasser getrunken, für den Geschmack gab es mal einen Schluck Cola. Das hat jeder so gemacht.
Wie beurteilen Sie die Tennisszene in Augsburg?
Insgesamt spielen weniger Leute Tennis, der Nachlauf der Jugend ist nicht mehr da. Tennis ist eine schwierige Sportart, womöglich sind Kinder und Jugendliche nicht mehr bereit, so viel Zeit ins Training zu investieren. Bis beim Tennis gute Ballwechsel zustande kommen, vergehen oft Jahre mit Training.
Wünschig: Es ist toll, dass die Vereine etwas auf die Beine stellen. Ohne Sponsoren geht es aber nicht, das weiß ich aus Erfahrung (Wünschig war Mitbegründer des legendären Weka Cups in den 80er und 90er Jahren, d. Red.). Bei diesen Turnieren treten zwar nicht die Topstars an, das sportliche Niveau ist dennoch beeindruckend.
Mit Philipp Kohlschreiber wird in naher Zukunft ein Augsburger Ausnahmespieler seine Karriere beenden. Wer war besser? Er oder Sie?
Das kann man nicht vergleichen. Philipp hat den Sport von Kindesbeinen an professionell betrieben, seit Jahren steht er in der Weltrangliste unter den besten 50 Spielern. Ich habe mir eine Existenz aufgebaut, die nicht im Profitennis lag, sondern in meinem Freizeitcenter. Hätte mich meine Frau Karin dabei nicht derart tatkräftig unterstützt, wäre das eh nicht möglich gewesen.
war zweimal deutscher Meister im Einzel (1976, 1980) und wurde fünfmal mit dem TC Amberg deutscher Mannschaftsmeister. Außerdem spielte er im Daviscup für Deutschland. Mit Maximilian und Stefan hat er zwei Söhne und lebt mit Frau Karin in Haunstetten.