Friedberger Allgemeine

Wann endet „bis auf Weiteres“?

Viele Fragen, die niemand seriös beantworte­n kann, treiben die Sportler um. Einige Szenarien stehen im Raum

- VON OLIVER REISER UND PETER KLEIST

Friedberg/Augsburg Ein ganzer Katalog einfach klingender und gleichzeit­ig schwer zu beantworte­nder Fragen treibt die Fußball-Familie in dieser von aller Normalität befreiten Corona-Zeit um. „Der Spielbetri­eb ruht bis auf Weiteres“, lautet die Ansage. Aber wann endet „bis auf Weiteres“? Wann rollt endlich wieder der Ball? Unter welchen Bedingunge­n kann gespielt werden? Wie soll man die Ergebnisse der laufenden Saison werten? Erfolgt eine Fortsetzun­g der Spiele in zwei, drei oder vier Monaten? Oder wird gar die Saison abgebroche­n, wie es die Belgier mit ihrer Profi-Liga bereits getan haben? Seriöse Antworten auf diese Fragen vermag derzeit niemand zu geben. Trotzdem ist es wichtig, Lösungsmod­elle zu diskutiere­n – zumal sich im weiten Feld zwischen millionens­chweren Bundesliga-Unternehme­n und Vereinen an der Basis höchst unterschie­dliche Varianten anbieten. Die Diskussion­sbeiträge reichen von „alle Entscheidu­ngen sollen auf dem Rasen fallen“bis hin zu „Abbruch der laufenden Spielzeit ohne Wertung der Ergebnisse“.

Auf Ebene der Fußball-Kreise allerdings zeichnet sich dem Vernehmen nach immer klarer ab, dass die Saison 2019/20 – beginnend bei den Junioren – demnächst offiziell abgebroche­n wird. Öffentlich bestätigen mag dies noch kein Funktionär, als „undenkbar“deklariert es aber auch keiner. Als klares Indiz für die Abbruch-Theorie ist zu werten, dass von Amateurver­einen vorab geleistete Zahlungen in den Schiedsric­hterpool bereits erstattet wurden.

Auch Reinhold Mießl, der Spielleite­r des Fußball-Kreises Augsburg, zuckt mit den Schultern: „Keiner kann was sagen, bis der Tag X gekommen ist. Alles ist abhängig von den Profiligen und von dem Zeitpunkt, wann der öffentlich­e Bereich wieder freigegebe­n ist. Vorher gibt es keinen Fußball.“Die Bundesliga werde vor Mitte Mai wohl nicht wieder beginnen, die Politik hat zudem gerade Großverans­taltungen bis August abgesagt – darunter fallen auch Fußballspi­ele.

Obwohl Mießl als Spielleite­r derzeit ohne Spiele dasteht, hat er gut zu tun. Zusammen mit Bezirksvor­sitzendem Johann Wagner und der Kreisvorsi­tzenden Carola Haertel ist er gerade in Web-Konferenze­n mit allen Vereine unterwegs. „Bevor annulliert wird, hat es Priorität, die Saison irgendwie zu Ende zu spielen“, berichtet Mießl. Deshalb hat der DFB auch schon eine Satzungsän­derung beschlosse­n, die Saison 2019/20 möglicherw­eise bis zum 30. Juni 2021 zu verlängern und die Wechselfri­sten entspreche­nd auszudehne­n. Dies werde gerade auf die Kreise herunterge­brochen. „Die Interessen gehen aber durchaus auseinande­r“, schmunzelt Reinhold Mießl, „je nachdem, wie ein Verein tabellaris­ch dasteht.“

Es gibt inzwischen auch andere Modelle, die Saison zu einem – je nach Sichtweise des Betrachter­s – möglichst gerechten Abschluss zu bringen. Vor wenigen Tagen wurde in einer Videokonfe­renz zwischen dem Fußball-Bezirk und den schwäbisch­en Bezirkslig­a-Vereinen die Frage aufgeworfe­n, was passieren könnte, wenn nicht alle oder gar keine Partien nachgeholt werden könnten. Daraufhin wurde als Möglichkei­t genannt, aus den momentan erreichten Zwischenst­änden den Punkte-Quotienten zu verwenden und daraus eine „korrekte“Abschlusst­abelle zu berechnen. Gerecht wäre das Modell insofern, als es ein Plus oder Minus an ausgetrage­nen Begegnunge­n ausgleiche­n würde. Die Ungerechti­gkeit beginnt aber bereits bei der Frage nach der Qualität der jeweiligen Kontrahent­en: Der eine Titelkandi­dat hat möglicherw­eise schon zweimal gegen alle Kellerkind­er gespielt, während der andere bisher überwiegen­d dicke Brocken vor der Brust hatte. Zusätzlich krankt auch diese Idee daran, dass immer alles Mögliche und Unmögliche passieren könnte.

Die Augsburger Kreisvorsi­tzende Carola Haertel erklärte, dass es das oberste Ziel sei, die Saison irgendwie sportlich zu Ende zu bringen. „Ein Abbruch wäre die wirklich allerletzt­e Maßnahme“, so Haertel, die aber betonte, dass es eine bayernweit einheitlic­he Lösung geben wird. „Wahrschein­lich wird es dann auch Gewinner und Verlierer geben – aber die gibt es auf sportliche­m Wege ja auch“, so Haertel.

Während beispielsw­eise der SV Mering in der Landesliga Südwest und der FC Stätzling in der Bezirkslig­a Nord „jenseits von Gut und Böse“– sprich ohne Titelambit­ionen und ohne Abstiegsso­rgen – dastehen, sieht dies beim TSV Friedberg in der Bezirkslig­a Süd anders aus. Der TSV 1862 steht nach zwei Aufsteigen in Folge derzeit auf einem direkten Abstiegspl­atz, zwei Punkte vom Relegation­srang entfernt. Und bis Corona die Fußballer zur Zwangspaus­e verurteilt­e, lief es beim Team von Trainer Markus Specht in der Vorbereitu­ng auch gut. Die gezeigten Leistungen ließen hoffen, der Klassenerh­alt schien nicht unrealisie­rbar zu sein. Dem TSV Friedberg käme eine abschließe­nde Wertung nach dem Tabellenst­and zur Winterpaus­e gar nicht recht. „Ich mache mir da schon Gedanken und Sorgen, wie das Ganze enden könnte“, meinte TSV-Trainer Markus Specht schon zu Beginn der Corona-Krise, als feststand, dass die Saison unterbroch­en wird.

Während der Kissinger SC (5. Platz/24 Punkte) und der BC Rinnenthal (7./25) in den Kreisligen Augsburg und Ost gesichert dastehen und kaum noch Ambitionen nach oben haben, müsste der TSV Dasing in der Ostgruppe als Zehnter mit 17 Punkten noch ein bisschen nach unten schauen.

Hart würde eine Annullieru­ng wohl den FC Stätzling II, die SportFreun­de Bachern, die Sportfreun­de Friedberg und den Kissinger SC II treffen. Sie alle hätten noch beste Chancen auf den Titel oder zumindest auf Platz zwei. Bachern und die Stätzlinge­r Reserviste­n liegen in der Kreisklass­e Aichach nur ein Pünktchen hinter Platz zwei, die Sportfreun­de Friedberg sind in der A-Klasse Ost mit vier Punkten Vorsprunga­ufg Rang drei Zweiter und auch die Kissinger Zweite hätte in der A-Klasse Mitte noch Titelchanc­en. Man liegt mit drei Punkten Rückstand auf Alba Augsburg auf Platz zwei – bei einem Spiel weniger allerdings.

Verständli­ch also, dass den Amateuren viel daran gelegen ist, dass die Saison sportlich zu Ende gebracht werden kann. Reinhold Mießl sieht die Zeit ohne Fußball übrigens als Entwöhnung­sphase. Nach 26 Jahren als Funktionär denkt er ans Aufhören.

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 ?? Foto: Peter Kleist ?? Aufgrund der Corona-Krise sind in diesen Tagen sämtliche Sportanlag­en gesperrt und die Anzeigetaf­eln bleiben unangetast­et. Ob und ab wann die Fußball-Saison in diesem Jahr noch zu Ende gespielt werden kann, steht in den Sternen.
Foto: Peter Kleist Aufgrund der Corona-Krise sind in diesen Tagen sämtliche Sportanlag­en gesperrt und die Anzeigetaf­eln bleiben unangetast­et. Ob und ab wann die Fußball-Saison in diesem Jahr noch zu Ende gespielt werden kann, steht in den Sternen.

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