Friedberger Allgemeine

„Dann erschießt uns halt“

Wie Frauen durch ihren mutigen Einsatz Friedberg vor der Zerstörung gerettet haben. Ein Zeitzeuge berichtet

- VON JOSEF BRUTSCHER

Friedberg Ein paar wenige Monate fehlten Josef Hamberger Anfang 1945 zur Vollendung des 14. Lebensjahr­es. Zum Glück. Denn ansonsten wäre der inzwischen 88-Jährige damals wie viele andere zum Volkssturm eingezogen worden. So erlebte Hamberger das Drama, dass sich zum Ende des Zweiten Weltkriege­s in Friedberg abspielte, aus der Menge. Schon in den letzten Wochen des Krieges war Hambergers Worten zufolge der Kanonendon­ner oft zu hören und es gab immer wieder Tote durch Tieffliege­r. Die Besitzerin einer Metzgerei sei, als sie die Tür geöffnet habe, erschossen worden. Als Hamberger selbst aus dem Fenster schaute, wurde er von einem Tieffliege­r ins Visier genommen. Glückliche­rweise habe dieser etwas zu hoch gefeuert und sein Ziel verfehlt.

Als dann die Amerikaner Friedberg näher kamen, wurden Gerüchte laut, dass die Stadt von Panzern angegriffe­n werden sollte. Der Rest der zurückgebl­iebenen SSAbteilun­g fing daraufhin an, in der Herrgottsr­uhstraße Bäume zu fällen und am Friedberge­r Berg Panzersper­ren anzulegen. Als die Einwohner das hörten, versammelt­e sich eine Menschenme­nge, zu der auch Josef Hamberger gehörte. Von einer erhöhten Position aus sah er, wie Frauen den SS-Offizieren die Stirn boten und mit Ochsenkarr­en anfingen, die Panzersper­ren wegzuräume­n. Natürlich versuchten die Soldaten, das zu verhindern, und schrien die Frauen mit Gewehren im Anschlag an: „Weg hier oder wir schießen jetzt sofort.“Aber da die mutigen Frauen wussten, dass sonst die Amerikaner auf sie schießen würden, hörten sie nicht auf und erwiderten nur: „Dann erschießt uns halt.“

Als den SS-Männern klar wurde, dass Drohungen nicht halfen, ergriffen sie die Flucht. Fast zeitgleich entdeckte man auf einer nahen Anhöhe den ersten Panzer. „Das war ein unbeschrei­bliches Gefühl. Einerseits war man froh, anderersei­ts hatte man immer noch Angst“, beschreibt Hamberger. Er erinnert sich daran, dass zwei Männer den Amerikaner­n entgegengi­ngen und ihnen die Kapitulati­on Friedbergs überbracht­en. Durch das mutige Handeln der Frauen und die schnelle Reaktion der beiden Männer wurde die Stadt kampflos übergeben und vor der Zerstörung bewahrt.

Als die amerikanis­chen Besatzer in Friedberg einmarschi­erten, hielten sich die Bewohner vorerst noch zurück. Erst nachdem der Messdiener eine weiße Fahne am Kirchturm aufgehängt hatte, fingen sie an, den Befreiern mit Taschentüc­hern zuzuwinken. Eine der ersten Taten der Amerikaner war, das riesige Hitlerbild aus dem Rathaus zu entfernen. Josef Hamberger verbindet mit ihnen nur gute Erinnerung­en. Vor allem die viele Schokolade, die er geschenkt bekam. Am Friedberge­r Berg erinnert eine Gedenktafe­l an den mutigen Einsatz der Frauen.

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Foto: Stadtarchi­v Friedberg Die Panzersper­re am Friedberge­r Berg wurde am Freitag, 27. April 1945, entfernt.
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