Friedberger Allgemeine

Grüne fühlen sich ausgeboote­t

Bei Besetzung von Posten in Fachgremie­n geht die zweitgrößt­e Fraktion meist leer aus, weil sich CSU, Freie Wähler und SPD inoffiziel­l einig sind. Und noch eine Partei ist angefresse­n

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach-Friedberg Noch vor einer Woche war die Stimmung nach der Kreistagss­itzung in der Aichacher Vierfachsp­orthalle, trotz oder gerade wegen der coronabedi­ngten Ausnahmebe­dingungen, geradezu gelöst. Landrat Klaus Metzger (CSU) hatte seinen Vorschlag, neben Manfred Losinger von der eigenen Partei je einen Vertreter von Grünen, SPD und Freien Wählern zu seinen weiteren Stellvertr­etern zu berufen und damit sozusagen (fast) alle ins Boot zu holen, unter anderem mit der aktuellen Krise begründet. Er wolle die Politik im Wittelsbac­her Land in schwierige­n Zeiten auf eine möglichst breite Basis stellen, so Metzger. Für Katrin Müllegger-Steiger (Grüne), Silvia Rinderhage­n (SPD) und Helmut Lenz (Freie Wähler) stimmten dann mit jeweils 55 Kreisräten auch fast alle – bis auf die fünfköpfig­e AfD-Fraktion.

Eine Woche später, bei der zweiten Sitzung an gleicher Stelle, war die Stimmung am Ende ziemlich gereizt – vor allem bei Grünen und der AfD. Obwohl die beiden Parteien nun wirklich überhaupt nichts miteinande­r zu tun haben wollen, hatte die artikulier­te Verärgerun­g den gleichen Grund. Beide Fraktionen fühlen sich bei der Besetzung von Posten in diversen Gremien generell ausgeboote­t. Die rechtspopu­listische AfD sieht sich von allen anderen ins Abseits gestellt. Hier werde nicht nach „fachlicher Qualifikat­ion“entschiede­n, schimpfte Heike Themel. Sie kam beim Aufsichtsr­at der Kreis-Wohnbau nicht zum Zug, dabei habe sie als Unternehme­rin aus der Branche doch viel mehr Ahnung als die Gewählten. Ihr Fraktionsk­ollege Willibald Mair wollte vom Landrat wissen, warum einige Kreisräte bei Wortmeldun­gen nur mit Namen und andere mit dem Zusatz „Kollege“aufgerufen würden. Metzger ließ sich darauf nicht ein: Das sei ja wohl seine Sache.

Die Kollegen von den Grünen, die aus Prinzip die AfD ausgrenzen, fühlen sich dagegen selbst von einer „Großen Koalition“aus CSU, SPD und Freien Wählern ausgebrems­t. In der Tat besetzte dieser Block in einem längeren Wahlverfah­ren nahezu einhellig Posten in diversen Gremien, in denen der Landkreis vertreten ist (siehe Artikel unten). Landrat Klaus Metzger vertritt das Wittelsbac­her Land in den meisten dieser Gremien – entweder als sogenannte­s geborenes Mitglied kraft seines Amtes oder weil er gewählt wurde. Für fast alle Aufgaben gab es aber mehr Vorschläge als Sitze – in der Regel setzte sich die informelle

Koalition in den Abstimmung­en durch. CSU (25 Kreisräte), Freie Wähler und SPD (jeweils sieben) stellen zusammen eine Zweidritte­lmehrheit. Sie arbeiten offiziell zwar nicht zusammen. Doch in der Regel hoben die FW- und SPDKreisrä­te bei einem CSU-Personalvo­rschlag die Hand und die CSUler wählten meist geschlosse­n die Kandidaten der anderen. Paradebeis­piel war der Aufsichtsr­at des Augsburger Verkehrsve­rbunds (AVV). Die Freien Wähler nominierte­n Rudi Fuchs und die Grünen Marion Brülls. Die CSU-Kreisräte wählten Fuchs, obwohl bei vielen Christsozi­alen die Verärgerun­g über den früheren Affinger Bürgermeis­ter, der im vergangene­n Jahr die Fronten wechselte, intern sehr groß ist.

Die Grünen zeigten sich besonders frustriert, dass ausgewiese­ne Fachleute aus den eigenen Reihen durchfiele­n. Landschaft­sökologe Wolfgang Pfeiffer hat beruflich jahrelang und intensiv im Lechtal kartiert. Er kandidiert­e für den Vorstand im Ökogremium „Lebensraum“Lechtal und warb intensiv um Zustimmung und betonte sein großes Interesse an dieser Aufgabe – gewählt wurde Peter Erhard (Freie Wähler). Stefan Lindauer, der junge

Landratska­ndidat der Grünen, ist schon einige Jahre Rettungssa­nitäter. Er wollte einen von zwei freien Sitzen im Rettungszw­eckverband besetzen – gewählt wurden CSUKreisra­t Thomas Winter, Leiter des Rettungsdi­enstes beim BRK Aichach-Friedberg, und Erich Nagl (Freie Wähler). Er habe nach dem vielverspr­echenden Start auf ein echtes und konstrukti­ves Miteinande­r im Kreistag gesetzt, so Lindauer gestern: „Aber wie es ausschaut, entscheide­n die drei Fraktionsv­orsitzende­n von CSU, SPD, Freien Wählern und der Landrat allein.“Auch Fraktionsc­hefin Marion Brülls ist ernüchtert: Die Grünen hätten vier von 44 möglichen Posten (inklusive Stellvertr­etungen) bekommen. Das entspreche nicht dem Wählerwill­en für die zweitgrößt­e Fraktion (neun Sitze). Ihre Schlussfol­gerung: „Die wollen uns nicht im Boot haben, sondern draußen.“

Drinnen ist jetzt FDP-Kreisrat Karlheinz Faller. Er hat sich nämlich der CSU-Fraktion im Kreistag angeschlos­sen. In der vergangene­n Wahlperiod­e bildete Faller noch gemeinsam mit Berta Arzberger und Josef Moll von der ÖDP eine Ausschussg­emeinschaf­t. Jetzt gehe es für ihn darum, an den Informatio­nsflüssen beteiligt zu werden: „Ein Einzelkämp­fer ohne Vernetzung im Kreistag macht wenig Sinn.“Die CSU-Fraktion habe seinen Wunsch einstimmig befürworte­t, so Faller.

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