Grüne fühlen sich ausgebootet
Bei Besetzung von Posten in Fachgremien geht die zweitgrößte Fraktion meist leer aus, weil sich CSU, Freie Wähler und SPD inoffiziell einig sind. Und noch eine Partei ist angefressen
Aichach-Friedberg Noch vor einer Woche war die Stimmung nach der Kreistagssitzung in der Aichacher Vierfachsporthalle, trotz oder gerade wegen der coronabedingten Ausnahmebedingungen, geradezu gelöst. Landrat Klaus Metzger (CSU) hatte seinen Vorschlag, neben Manfred Losinger von der eigenen Partei je einen Vertreter von Grünen, SPD und Freien Wählern zu seinen weiteren Stellvertretern zu berufen und damit sozusagen (fast) alle ins Boot zu holen, unter anderem mit der aktuellen Krise begründet. Er wolle die Politik im Wittelsbacher Land in schwierigen Zeiten auf eine möglichst breite Basis stellen, so Metzger. Für Katrin Müllegger-Steiger (Grüne), Silvia Rinderhagen (SPD) und Helmut Lenz (Freie Wähler) stimmten dann mit jeweils 55 Kreisräten auch fast alle – bis auf die fünfköpfige AfD-Fraktion.
Eine Woche später, bei der zweiten Sitzung an gleicher Stelle, war die Stimmung am Ende ziemlich gereizt – vor allem bei Grünen und der AfD. Obwohl die beiden Parteien nun wirklich überhaupt nichts miteinander zu tun haben wollen, hatte die artikulierte Verärgerung den gleichen Grund. Beide Fraktionen fühlen sich bei der Besetzung von Posten in diversen Gremien generell ausgebootet. Die rechtspopulistische AfD sieht sich von allen anderen ins Abseits gestellt. Hier werde nicht nach „fachlicher Qualifikation“entschieden, schimpfte Heike Themel. Sie kam beim Aufsichtsrat der Kreis-Wohnbau nicht zum Zug, dabei habe sie als Unternehmerin aus der Branche doch viel mehr Ahnung als die Gewählten. Ihr Fraktionskollege Willibald Mair wollte vom Landrat wissen, warum einige Kreisräte bei Wortmeldungen nur mit Namen und andere mit dem Zusatz „Kollege“aufgerufen würden. Metzger ließ sich darauf nicht ein: Das sei ja wohl seine Sache.
Die Kollegen von den Grünen, die aus Prinzip die AfD ausgrenzen, fühlen sich dagegen selbst von einer „Großen Koalition“aus CSU, SPD und Freien Wählern ausgebremst. In der Tat besetzte dieser Block in einem längeren Wahlverfahren nahezu einhellig Posten in diversen Gremien, in denen der Landkreis vertreten ist (siehe Artikel unten). Landrat Klaus Metzger vertritt das Wittelsbacher Land in den meisten dieser Gremien – entweder als sogenanntes geborenes Mitglied kraft seines Amtes oder weil er gewählt wurde. Für fast alle Aufgaben gab es aber mehr Vorschläge als Sitze – in der Regel setzte sich die informelle
Koalition in den Abstimmungen durch. CSU (25 Kreisräte), Freie Wähler und SPD (jeweils sieben) stellen zusammen eine Zweidrittelmehrheit. Sie arbeiten offiziell zwar nicht zusammen. Doch in der Regel hoben die FW- und SPDKreisräte bei einem CSU-Personalvorschlag die Hand und die CSUler wählten meist geschlossen die Kandidaten der anderen. Paradebeispiel war der Aufsichtsrat des Augsburger Verkehrsverbunds (AVV). Die Freien Wähler nominierten Rudi Fuchs und die Grünen Marion Brülls. Die CSU-Kreisräte wählten Fuchs, obwohl bei vielen Christsozialen die Verärgerung über den früheren Affinger Bürgermeister, der im vergangenen Jahr die Fronten wechselte, intern sehr groß ist.
Die Grünen zeigten sich besonders frustriert, dass ausgewiesene Fachleute aus den eigenen Reihen durchfielen. Landschaftsökologe Wolfgang Pfeiffer hat beruflich jahrelang und intensiv im Lechtal kartiert. Er kandidierte für den Vorstand im Ökogremium „Lebensraum“Lechtal und warb intensiv um Zustimmung und betonte sein großes Interesse an dieser Aufgabe – gewählt wurde Peter Erhard (Freie Wähler). Stefan Lindauer, der junge
Landratskandidat der Grünen, ist schon einige Jahre Rettungssanitäter. Er wollte einen von zwei freien Sitzen im Rettungszweckverband besetzen – gewählt wurden CSUKreisrat Thomas Winter, Leiter des Rettungsdienstes beim BRK Aichach-Friedberg, und Erich Nagl (Freie Wähler). Er habe nach dem vielversprechenden Start auf ein echtes und konstruktives Miteinander im Kreistag gesetzt, so Lindauer gestern: „Aber wie es ausschaut, entscheiden die drei Fraktionsvorsitzenden von CSU, SPD, Freien Wählern und der Landrat allein.“Auch Fraktionschefin Marion Brülls ist ernüchtert: Die Grünen hätten vier von 44 möglichen Posten (inklusive Stellvertretungen) bekommen. Das entspreche nicht dem Wählerwillen für die zweitgrößte Fraktion (neun Sitze). Ihre Schlussfolgerung: „Die wollen uns nicht im Boot haben, sondern draußen.“
Drinnen ist jetzt FDP-Kreisrat Karlheinz Faller. Er hat sich nämlich der CSU-Fraktion im Kreistag angeschlossen. In der vergangenen Wahlperiode bildete Faller noch gemeinsam mit Berta Arzberger und Josef Moll von der ÖDP eine Ausschussgemeinschaft. Jetzt gehe es für ihn darum, an den Informationsflüssen beteiligt zu werden: „Ein Einzelkämpfer ohne Vernetzung im Kreistag macht wenig Sinn.“Die CSU-Fraktion habe seinen Wunsch einstimmig befürwortet, so Faller.