Geduld als Tugend der Stunde
Den Einstand hatte sich Christian Barthen anders vorgestellt: Seit zwei Monaten ist er Kirchenmusiker bei St. Anna
Normalerweise beginnt der Wechsel zu einem neuen Arbeitsplatz mit jeder Menge Schwung. Der oder die Neue hat Ideen im Kopf, muss sich einarbeiten, stellt sich vor. Als Christian Barthen, 36, seine neue Aufgabe als Kirchenmusiker von St. Anna in Augsburg aufgenommen hat, war es genauso. Zum Einstand Anfang März hat er sich als Solist an der Orgel präsentiert, mit drei großen Orgelwerken von Franz Liszt vor einer großen Zuhörerschar. Das Coronavirus breitete sich da schon aus in Deutschland, aber niemand konnte absehen, was drei Wochen später geschehen würde.
Als Barthen Anfang März über sich sprach, freute er sich zum Beispiel auch auf die Zusammenarbeit mit dem Madrigalchor der St. AnnaKirche, eine Probe fand im Anschluss auch noch statt. Am Karfreitag und am Ostersonntag sollten die ersten gemeinsamen großen Auftritte in St. Anna stattfinden.
Barthen deutete auch eine große erste Aufgabe als Kirchenmusiker an, die Kirchenorgel in der AnnaKirche könnte zu seiner Großbaustelle werden. Denn jener Teil, den die Kirchenbesucher sonst nicht zu sehen bekommen, der rückwärtige
Teil, macht eine regelmäßige Wartung schwierig. „Die Orgel ist komplett verbaut“, sagt Barthen. Was daran liegt, dass sie mit einer elektronischen Steuerung gebaut wurde und nachträglich und zusätzlich eine mechanische bekommen hat. Die Konstruktion erscheint auf den ersten Blick aberwitzig. An manche Register kann man nur kommen, wenn man anderes ausbaut. Ein Unding, da das Instrument ja regelmäßig gestimmt werden muss. „Mittelfristig wollen wir eine neue Orgel in St. Anna einbauen“, sagte Barthen Anfang März.
Daran hat sich auch nichts geändert. Aber dann griffen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus und legten den Start von Barthen als neuer Kirchenmusiker von St. Anna weitgehend lahm. Statt Neugier war nun Geduld als große Tugend der Stunde gefragt. „So stark haben sich die Tage gar nicht unterschieden“, sagt Barthen, als Musiker probe er sowieso oft an der Orgel und auch am Klavier, seiner zweiten großen Leidenschaft. Allerdings fanden die Chorproben nicht mehr statt, mussten die ersten Höhepunkte im kirchenmusikalischen Jahr abgesagt werden: an Karfreitag und am Ostersonntag.
Ein bisschen Abwechslung boten in der Zeit die vier Gottesdienste, die von St. Anna im Internet übertragen wurden und die Barthen an der Orgel begleitete. Vergangenen Sonntag war nun erstmals wieder die Gemeinde in der Kirche versammelt. „Das war sehr bewegend“, sagt er, obwohl die Kirche neu bestuhlt war, größere Abstände einzuhalten waren, alle Mundschutz trugen.
Wann Barthen endlich anfangen kann, mit dem Madrigalchor regelmäßig zu proben, kann er noch nicht sagen. Dass die lange Pause anfangs auch einen Verlust an gesanglicher Qualität verursache, könne gut sein. „Aber wir sind schnell wieder auf dem alten Niveau.“Nun plant Barthen für die Pfingsttage etwas Größeres, das sich mit den Abstandsregeln vereinbaren lässt.
Auch den anderen Teil von Barthens musikalischem Leben betreffen die Corona-Maßnahmen zunehmend – seine Konzerttätigkeit als Organist. „Für Mai sind die ersten Konzerte abgesagt worden“, erzählt er, Orgelfestivals in Düsseldorf und in Rheinland-Pfalz finden nicht statt. Die meisten Termine hat er für die zweite Jahreshälfte ausgemacht, da weiß er noch nicht, ob sie stattfinden können oder nicht. Barthen ist ein gefragter Solist an der Orgel, vor allem für Bach-Interpretationen und für Werke aus der deutschen und französischen Romantik werde er immer wieder angefragt. Wobei sein Spektrum breiter ist. Noch während seines Studiums in Saarbrücken, Paris und Stuttgart war ihm selbst gar nicht klar, ob das Instrument seiner Wahl nicht doch das Klavier oder das Cembalo sei, die er ebenfalls studierte. „Aber dann gewann ich als Organist wichtige Preise“, erzählt Barthen. Und die Entscheidung, ob er nun als Pianist oder Organist sein Glück versuchen wollte, fiel dadurch von selbst.
Barthen ist von Giengen an der Brenz nun nach Augsburg gekommen. Das war seine erste Station als Kirchenmusiker. Mit seiner Frau – ebenfalls Kirchenmusikerin – und seiner 19 Monate alten Tochter ist er jetzt nach Hainhofen gezogen. Von dort ist Barthen zuletzt auch öfter nach Westheim und nach Ottmarshausen gefahren, um dort in den Kirchen zu üben.