Ich hatte Angst um meine Puppe
Großmutter und ich packten die Luftschutztasche und ein Kissen für mich auf einen Handkarren. Wir fragten die Soldaten, ob wir noch durchlaufen dürfen. Sie meinten, wir sollen schnell machen, denn die Sprengladung sei schon an der Brücke angebracht. Wir sind bis zum „Bächinger Keller“, einem Wirtshaus zwischen Gundelfingen und Bächingen, gelaufen. Dort fragten wir, ob wir im Bierkeller Unterschlupf bekommen. In diesem Moment ist unsere Brücke in die Luft geflogen. Es war plötzlich ganz hell und ich hatte Angst um meine Puppe.
Eine Weile später kamen SS Leute und sagten, dass hier der Gefechtsstand der SS eingerichtet wird. Kurz darauf wurde schon der erste verwundete Soldat hergebracht. Der Keller hat insgesamt sechs „Volltreffer“bekommen. Mit der Zeit sind immer mehr Verwundete angekommen. Viele haben vor Schmerzen geschrien, manche haben nach ihrer Mama gerufen. Ein alter Mann wollte sich unbedingt eine Zigarette anzünden. Diese kleine Glut veranlasste den Gegner, zu schießen. So hat es immer wieder gekracht. Wir Kinder sind immer wieder die Treppe raufgelaufen und wollten rausschauen. Den Reichherzer Günther hat es dann an die Wand geworfen. Unsere Mütter haben geschrien und wir durften nicht mehr weggehen. Die Erwachsenen haben gesagt, wenn sich Gundelfingen nicht ergibt, kommen Flieger. Dann kam ein Soldat und sagte, dass sie keine Munition mehr haben. Ab Nachmittag war Ruhe. Als es Tag wurde, hat meine Oma ihren Wagen genommen, hat ihr Kopftuch an eine Rute gehängt und wir sind Richtung Gundelfingen gelaufen. Als die ersten Häuser kamen, sahen wir einen toten Soldaten und ein Fahrrad im Graben liegen. Der wollte bestimmt noch weg! Beim Rigel lag der nächste Tote.
Die Toten liegen bei uns auf dem Friedhof. Erst im Alter habe ich begriffen, dass es großteils erst 18-jährige „Buben“waren. Als damals Zehnjährige waren es für mich schon richtige Männer.