Friedberger Allgemeine

Abitur in Zeiten von Corona

Mittwoch beginnt das Abitur. Chiara Ferner ist im Abschlussj­ahrgang des Gymnasiums Friedberg. Sie berichtet von den Sorgen und Nöten der Schüler im Homeschool­ing – und darüber, was an der Situation gut ist

- VON CHIARA FERNER

Am Mittwoch beginnt das Abitur. Eine Schülerin des Abschlussj­ahrgangs am Gymnasiums Friedberg berichtet von den Sorgen und Nöten der Schüler.

Friedberg Als die Schulen geschlosse­n wurden, machte sich vor allem ein Jahrgang des Gymnasiums Friedberg große Sorgen: die Zwölftkläs­sler, deren Abitur vor der Tür steht. Am Mittwoch startet das Abitur nach sechs Wochen Homeschool­ing. Ein erstes Fazit:

Ein normaler Schultag beginnt für die Abiturient­en um 8 Uhr, jetzt schlafen viele um diese Zeit noch. Hier gehen die Meinungen stark auseinande­r. Die einen finden, dass ein geregelter Tagesablau­f wichtig ist, die anderen haben herausgefu­nden, dass sie viel besser arbeiten können, wenn ihr Körper erholt ist. Bereits hier zeigt sich die erste Herausford­erung: sich seine Zeit einteilen zu können. Wann werden die Aufgaben aus der Schule erledigt, wann ist Freizeit? Sich zu motivieren, an den zur Schulbank umfunktion­ierten Schreibtis­ch setzen und konzentrie­rt zu arbeiten, auch wenn niemand dazu drängt, kostet viel Selbstdisz­iplin. Schulleite­rin Ute Multrus sieht das als Pluspunkt: „Auch an der Uni oder der Hochschule seid ihr in eurer Eigenveran­twortung gefordert“, erinnert sie die Schüler. Die Situation bereite die Schüler also auf ihre Zukunft vor.

Doch es ist nicht immer leicht, sich den Stoff selbst anzueignen, das mussten die Abiturient­en erfahren. Von einem Lehrer persönlich, anschaulic­h und direkt den Stoff erklärt zu bekommen ist nicht vergleichb­ar mit einem Lernvideo, einem Infokasten im Schulbuch oder einem Arbeitsbla­tt. Auch Fragen kann ein Lehrer verständli­cher im Unterricht­sgespräch beantworte­n als in einer E-Mail. Trotzdem kamen die angehenden Abiturient­en gut mit dem Stoff zurecht, den die Lehrer optimal aufbereite­t zur Verfügung gestellt hatten, und fühlten sich bei Rückfragen gut aufgehoben.

Erleichter­nd kommt hinzu, dass der Stoff in den meisten Fächern, vor allem in den wichtigen Abiturfäch­ern Mathe und Deutsch, bereits vor der Schulschli­eßung ganz oder beinahe abgeschlos­sen war. Die Herausford­erung bestand hauptsächl­ich darin, alte Abituraufg­aben zu lösen und anhand der Musterlösu­ng zu kontrollie­ren oder dem Fachlehrer zur Korrektur zuzuschick­en. Das Wissen, gut vorbereite­t zu sein, nimmt vielen die Angst, beim Abitur einen Nachteil durch die besondere Situation zu haben. Sie hoffen, dass das Kultusmini­sterium Maßnahmen ergreift, die zum Wohl der Abiturient­en beitragen.

Eigentlich hätten die Prüfungen Ende April beginnen sollen, wurde dann aber auf 20. Mai verschoben. Auch wenn die Schüler die Entscheidu­ng nachvollzi­ehen können, lässt die Coronakris­e viele Vorhaben platzen: reisen, Praktika absolviere­n, arbeiten oder entspannen. In diesen Zeiten sei es wichtig, eigene Interessen hintanzust­ellen, betont Multrus. Sie ist bemüht, den Schülern die positive Seite der Verschiebu­ng zu zeigen: „So wenig Ablenkung fürs Lernen wie zur Zeit hatten die Jahrgänge vor euch nicht. Es kommt darauf an, was ihr draus macht.“

Sicher, es fällt nicht immer leicht, sich zu motivieren. In der Schule ist man gezwungen aufzupasse­n, zu Hause muss man die Motivation selbst aufbringen. Gerade in Fächern, die einem nicht so sehr liegen, fällt das schwer. Und wenn man den Berg an Aufgaben sieht, den die Schüler zugeschick­t bekommen, ist es nachvollzi­ehbar, wieso dem einen oder anderen auch mal die Lust am Lernen vergeht. Besonders am Anfang überschätz­ten die Lehrer das Pensum, schickten zu viele Aufträge für einen kurzen Zeitraum. Andere schickten Aufgaben spät oder erst Stunden nach der eigentlich­en Unterricht­sstunde. Dies machte es den Schülern nicht leicht, sich die Arbeit einzuteile­n, da man nie wissen konnte, was noch kommt. Missverstä­ndliche Aufgabenst­ellungen und eine gescheiter­te Kommunikat­ion erschwerte­n die Zusammenar­beit zusätzlich. Mit der Zeit fanden sowohl Lehrer als auch Schüler in einen Rhythmus, mit dem beide Seiten zurechtkam­en.

So futuristis­ch Online-Unterricht auch klingen mag, er ist mit Problemen verbunden. War es am Anfang aufregend, im virtuellen Klassenzim­mer zu sitzen, zeigten sich schnell die negativen Seiten. Die Lernplattf­orm Mebis, die viele Lehrer des Gymnasiums nutzen, war in den ersten Tagen überlastet und nicht aufrufbar. Versuche einer Videokonfe­renz scheiterte­n, entweder an einem nicht funktionie­renden Mikrofon, einem zu leisen Lautsprech­er oder überforder­ten Lehrern und Schülern. Die Abiturient­en halten Videokonfe­renzen für sinnvoll, wenn es das Thema wirklich nicht anders erlaubt. Viel Aufwand hätte man sich sparen können, wenn weniger Wichtiges nicht in einer Konferenz in die Länge gezogen worden wäre. Besonders im Hinblick auf die mündlichen Abiturprüf­ungen waren sie extrem hilfreich.

Groß war die Erleichter­ung, nach sechs Wochen endlich wieder in den Präsenzunt­erricht zurückkehr­en zu können – in Kleingrupp­en, mit Wahrung der Abstände und Einhaltung der Hygienemaß­nahmen. Die letzten Stunden vor dem Abitur wurden genutzt, um letzte Unsicherhe­iten aus dem Weg zu räumen.

Das Wissen, bald ihr Abiturzeug­nis in den Händen halten zu dürfen, hilft den Abiturient­en durch die schwere Zeit. Es wird ein besonderes Abitur sein, jenes des Jahrgangs 2020. Multrus gibt ihren Schülern eine aufmuntern­de Botschaft mit auf den Weg: „Ich denke viel an euch. Das Wichtigste ist, dass ihr und eure Familien gesund seid.“

 ?? Foto: Hannes Warnberger ?? Die Abiturient­en des Gymnasiums Friedberg mussten ihren Schreibtis­ch zur Schulbank umfunktion­ieren.
Foto: Hannes Warnberger Die Abiturient­en des Gymnasiums Friedberg mussten ihren Schreibtis­ch zur Schulbank umfunktion­ieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany