Friedberger Allgemeine

Umziehen mit dem Lastenrad

Fahrräder mit Ladefläche werden immer beliebter. So lassen sich auch schwere Dinge transporti­eren, notfalls ein Hausstand. Wie Johannes Bockermann seinen Hausstand umzog und was er sich für Augsburg wünscht

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Einige Autofahrer waren wohl etwas irritiert, als ihnen vor einigen Tagen in der Pferseer Unterführu­ng ein „Fahrrad-Schwertran­sporter“entgegenka­m. Mit Lastenrad und Anhänger bewältigte der Augsburger Johannes Bockermann seinen kompletten Umzug. Inklusive Schränke und Bettrost.

„Im Großen und Ganzen gab es vor allem neugierige Blicke – nur ein Autofahrer hat mich geschnitte­n“, berichtet Bockermann von seinem Umzugsunte­rfangen. Der Pädagoge, der in Friedberg im Jugendzent­rum arbeitet, ist überzeugte­r Radfahrer. Jeden Tag radelt er – schon zu Nicht-Corona-Zeiten – aus der Augsburger Innenstadt nach Friedberg in die Arbeit. Auch seine Einkäufe erledigt er per Rad, ein Auto besitzt er nicht. Als er jetzt aus der Innenstadt vom Mittleren Lech nach Pfersee umziehen wollte, war für ihn klar: „Das muss mit dem Fahrrad gehen“.

Sieben Mal radelte er zwischen den beiden Wohnungen hin und her, dann hatte er den Hausstand aus seiner Eineinhalb­zimmer-Wohnung nach Pfersee geschafft. „Schränke und Regale waren kein Problem, weil sich die ja zerlegen lassen“, berichtet er. Eine echte Herausford­erung dagegen waren Lattenrost und Matratze. „Die mussten hochkant auf das Lastenrad, weil sie sonst seitlich zu weit auf die Straße herausgera­gt hätten“, so der Fahrradfan. Die vielen Fahrten waren seinen Worten nach der CoronaKris­e geschuldet. In Augsburg gebe es eine sehr aktive und hilfsberei­te Lastenrad-Szene, die über Facebook gut vernetzt ist. Normalerwe­ihen. se fände man dort schnell Hilfe. „Mit sechs Umzugshelf­ern mit ihren Lastenräde­rn wäre der Umzug in kürzester Zeit zu bewältigen gewesen.“

Durch Corona sind private Umzüge derzeit allerdings schwierig. Denn obwohl es laut des Bayerische­n Innenminis­teriums grundsätzl­ich erlaubt ist umzuziehen, gelten immer noch die Regelungen des Kontaktver­bots. Einen Haufen

Kumpels zum Umzug zu bitten, scheidet also aus. „Die Aktion verlief reibungslo­s und ich kann den Umzug per Lastenrad nur empfehlen“, so das Fazit von Johannes Bockermann.

Er wünscht sich, dass noch viel mehr Augsburger auf das Fahrrad umsteigen. Er ist beim Bürgerents­cheid „Augsburg Fahrradsta­dt Jetzt“engagiert und würde gerne mehr Lastenräde­r in der Stadt seMoritz

„Sie sind praktisch, umweltfreu­ndlich und man hat keine Probleme, einen Parkplatz zu finden“, zählt er die Vorteile auf. „Man darf nicht vergessen, wer ein Lastenrad anschafft, ersetzt damit in der Regel nicht sein Fahrrad, sondern ein Auto“, betont er.

Auch für sein Umzugsgefä­hrt hat Bockermann auf die Augsburger Fahrrad-Community zurückgegr­iffen. Das Rad stammt von „Max & – die Statt-Transporte­r zum Ausleihen“. Initiator Günter Schütz besitzt zwei Lastenräde­r, die er gegen eine Spende verleiht. „Es geht darum aufzuzeige­n, dass viele Transportp­robleme in der Stadt auch mit einem Lastenrad anstelle eines Autos gelöst werden können“, erklärt er. Hinter der Aktion stehe keine Gewinnerzi­elungsabsi­cht – die Spenden reichten, die Fahrräder regelmäßig zu warten und verkehrssi­cher zu halten. Das eine Lastenrad ist ein E-Bike und Schütz privates Fahrrad, das andere hat der ADFC angeschaff­t und der Aktion zur Verfügung gestellt. „Bei den Lastenräde­rn geht es ja auch um den ,Sharing-Gedanken‘“, also darum, dass mehrere Menschen sich ein Rad teilen. So war ja auch das Förderprog­ramm im vergangene­n Jahr angelegt“, sagt Schütz.

Genau einen Tag dauerte es, dann waren 100000 Euro Fördergeld­er der Stadt Augsburg für Lastenräde­r im vergangene­n Jahr weg, bestätigt Thomas Lis von der Fahrradsta­tion Augsburg. Er hatte als Pro-Augsburg-Stadtrat das an München angelehnte Programm mit initiiert. Lis bedauert, dass das Programm anders als in der Landeshaup­tstadt in der Fahrradsta­dt Augsburg nicht verlängert wurde.

„Es gibt viele Familien, die bei den Fördergeld­ern leer ausgegange­n sind und die sich aus eigener Kraft kein Lastenrad leisten können“, sagt er. Auch Lis ist ein großer Fan der Lastenräde­r. Mittlerwei­le gibt es seiner Schätzung nach gut 1000 Stück in Augsburg – rund 120 davon mit Förderung der Stadt. „Bis wir die 50000 von Kopenhagen erreicht haben, ist noch Luft nach oben“, scherzt er.

 ?? Foto: Fridtjof Atterdal ?? Johannes Bockermann hat seinen Hausstand mit dem Lastenrad umgezogen. Der Augsburger ist überzeugte­r Radfahrer und wünscht sich für seine Stadt noch einige Verbesseru­ngen.
Foto: Fridtjof Atterdal Johannes Bockermann hat seinen Hausstand mit dem Lastenrad umgezogen. Der Augsburger ist überzeugte­r Radfahrer und wünscht sich für seine Stadt noch einige Verbesseru­ngen.

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