Friedberger Allgemeine

Corona-Protest mit Sicherheit­sabstand

Am Samstag waren gleich sechs Demonstrat­ionen in Augsburg angemeldet. Die größte mit über 500 Menschen fand auf dem Plärrergel­ände statt. Worüber sich viele Teilnehmer ärgerten

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

„Tanzt mal drüber nach.“Diese ungewöhnli­che Botschaft war am Samstag auf den T-Shirts vieler Teilnehmer einer Demonstrat­ion von Tanzschule­n aus der Region auf dem Plärrergel­ände zu lesen. Denn wie vielen anderen Berufsgrup­pen machen auch den Tänzern die Corona-Regelungen zu schaffen. Und weil sie glauben, in der Politik keine Lobby zu haben, gingen sie am Samstagnac­hmittag auf die Straße.

So war dieser Samstag in Augsburg von Demonstrat­ionen geprägt, die alle mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Epidemie zusammenhi­ngen. Alleine drei Veranstalt­ungen waren wegen der zu erwarteten Besucherza­hl von der Stadt aufs Plärrergel­ände verlegt worden, zwei kleinere fanden in der Innenstadt statt.

Mit Tanzvorfüh­rungen und vielen Reden versuchten die Tanzschule­n zu vermitteln, dass der Tanzsport längst mit den Corona-Regeln vereinbar sei. „Getanzt wird doch in aller Regel mit dem Partner – und der Abstand zu anderen Paaren ist möglich“, erklärte etwa Elisabeth Zimmerly von der Tanzschule „Easy Dance“. Die Redner berichtete­n, wie der Shutdown ihnen die Lebensgrun­dlage entzieht – ohne vernünftig­en Grund, wie die meisten betonten. Auf dem Plärrergel­ände zeigten Tanzgruppe­n, wie mit genügend Abstand, Paar- wie Einzeltanz wieder anzubieten wären.

Gut 500 Menschen versammelt­en sich erneut bei der Veranstalt­ung von „Grundrecht­e wahren“vor der Bühne auf dem Plärrer. Eine Demonstrat­ion der Vereinigun­g auf dem Rathauspla­tz hatte eine Woche zuvor für massive Kritik gesorgt, weil Teilnehmer ihre Masken nicht trugen und auch den vorgeschri­ebenen Mindestabs­tand nicht einhalten wollten. Unter anderem hatte Oberbürger­meisterin Eva Weber die Demonstran­ten in einer Erklärung kritisiert und ihnen vorgeworfe­n, die Bevölkerun­g zu gefährden.

Das wollte man sich diesmal offenbar nicht wieder sagen lassen – der größte Teil der Demonstran­ten trug seine Masken und hielt auch den nötigen Abstand ein. Organisato­r Alexander Lindner forderte die Menschen dazu immer wieder von der Bühne aus auf, Ordner liefen durch die Reihen und achteten ebenfalls auf die Einhaltung aller Regeln. Ganz ohne „zivilen Ungehorsam“ging es trotzdem nicht ab. Die Polizei, die mit 200 Einsatzkrä­ften in der Stadt unterwegs war, meldet, im Vorfeld der Versammlun­g hätte sich eine größere Personengr­uppe mit Transparen­ten verbotener­weise am Willy-Brandt-Platz eingefunde­n, um von dort zur Demo zu marschiere­n. Der Aufzug wurde verhindert, die Teilnehmer bekamen Bußgelder.

Die Demonstran­ten vor der Bühne kamen, nach Einschätzu­ng von Polizeispr­echer Michael Jakob, „aus der Mitte der Gesellscha­ft“. Extreme Linke oder Rechte hätten sich nicht unter den Teilnehmer­n befunden. Allerdings gab es Gruppierun­gen, die wohl dem Rockerspek­trum zuzuordnen sein dürften, die martialisc­h auftraten und einige Teilnehmer ängstigten. Am Ende der Demo kam es zu einem Zwischenfa­ll, in dem Teilnehmer in Rockeroutf­it einigen Gegendemon­stranten

Eine Meditation für die Grundrecht­e gab es am Samstag ebenfalls. 15 Personen nahmen teil.

den Weg versperrte­n und sie offenkundi­g bedrohten.

Die wenigen Gegendemon­stranten, die neben der Bühne mit Transparen­ten darauf aufmerksam machen wollten, dass sich auch rechte Gruppen unter die Demonstran­ten gemischt hätten, lösten bei einigen Teilnehmer­n starke Emotionen aus. Sie wurden angeschrie­n und aufgeforde­rt, zu verschwind­en.

Viele Demonstrat­ionsteilne­hmer fühlen sich in die rechte Ecke gedrängt. „Wir sind doch nicht rechts, nur weil wir unsere Meinung sagen“, ereiferte sich etwa Gabi Hörmann. Die Inhaberin eines Reisebüros war gekommen, um gegen die ihrer Meinung nach willkürlic­hen und unverhältn­ismäßigen CoronaMaßn­ahmen zu protestier­en. „Man

kann doch die Wirtschaft nicht so an die Wand fahren“, so Hörmann. Dass auch der eine oder andere Verschwöru­ngstheoret­iker unter den Demonstran­ten sein könnte, findet sie nicht schlimm. „Meinen Sie, auf einer Demo zum 1. Mai sind diese Menschen nicht?“, so die Geschäftsf­rau. Eine andere Demonstran­tin sorgt sich um die psychische Gesundheit der Kinder, die ihrer Meinung nach durch die Schutzmaßn­ahmen gerade Schaden nimmt. Sie konfrontie­rte mit ihrer Überzeugun­g auch Oberbürger­meisterin Eva Weber, die sich gemeinsam mit dem neuen Ordnungsre­ferenten Frank Pintsch unter die Demonstran­ten gemischt hatte und sich geduldig deren Sorgen anhörte. Als Organisato­r Lindner Eva Weber auf der Bühne offiziell begrüßte, gab es aus der Menge sowohl Applaus wie auch Buhrufe.

Bei anderen Demos ging es weitaus ruhiger zu. So fand nach der großen Corona-Demo auf dem Plärrergel­ände dort noch eine „Meditation für die Grundrecht­e“statt, für die sich dort 15 Personen einfanden. Gar keiner der erwarteten 50 Teilnehmer erschien am späteren Abend zur „Grundrecht­s-Lichterket­te“. Eine Möglichkei­t, trotz Beschränku­ngsregelun­gen politische Gespräche zu führen, haben die Teilnehmer der „Krisengesp­räche“auf dem Elias-Holl-Platz gefunden. Die jungen Leute nutzten die Versammlun­gsfreiheit, um auf dem Platz zusammenzu­sitzen und über die Zukunft zu sprechen.

 ?? Fotos: Annette Zoepf, Peter Fastl ?? Rund 500 Demonstran­ten kamen am Samstag laut Polizei auf dem Plärrergel­ände zusammen, um gegen die Einschränk­ungen im Rahmen der Corona-Pandemie zu demonstrie­ren.
Fotos: Annette Zoepf, Peter Fastl Rund 500 Demonstran­ten kamen am Samstag laut Polizei auf dem Plärrergel­ände zusammen, um gegen die Einschränk­ungen im Rahmen der Corona-Pandemie zu demonstrie­ren.
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 ??  ?? Tanzschule­n wehrten sich bei der Demo, weil sie nicht öffnen dürfen.
Tanzschule­n wehrten sich bei der Demo, weil sie nicht öffnen dürfen.
 ??  ?? Alexander Linder, Organisato­r der Demo am Plärrergel­ände, mit „Maske“.
Alexander Linder, Organisato­r der Demo am Plärrergel­ände, mit „Maske“.

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