Geburtstag Clint Eastwood macht auch mit 90 einfach weiter
Erst Hände desinfizieren und dann flott die Seele baumeln lassen? In diesem Urlaubsjahr wird es nicht möglich sein, alle Sorgen einfach zurückzulassen
Vielleicht blättern wir in ein paar Jahren amüsiert in unseren Urlaubsalben und erinnern uns an diesen verrückten Sommer 2020, als wir im Strandcafé Mundschutz trugen und das Eis unter Plexiglaswänden hindurchgereicht wurde.
Vielleicht kommt es aber auch anders und wir sind in ein paar Jahren befremdet, wie sorglos wir einst unterwegs waren – als es noch lange Schlangen an Hotelbüfetts gab, von denen sich jeder einfach etwas nehmen konnte und dann anschließend das Besteck wieder auf die Platte zurücklegte. Damals, als wir noch Handtuch an Handtuch am Strand lagen ...
Wer weiß das jetzt schon? Wenn sich derzeit alle darüber Gedanken machen, wie viel Urlaub in diesem Corona-Sommer möglich sein kann, dann ist das ein gutes Zeichen.
Denn es bedeutet, dass wir bisher gut durch die Krise gekommen sind und die existenziellen Sorgen sich offensichtlich in Grenzen halten. Wer hohe finanzielle Einbußen durch Kurzarbeit hat oder um einen an Covid-19 erkrankten Angehörigen im Krankenhaus bangt, denkt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht darüber nach, ob die Reise nach Mallorca oder eher in die Toskana gehen wird.
Andererseits wäre es falsch, diese Sehnsucht nach der Ferne als den reinen Luxus abzutun. Andere Länder, andere Leute kennenlernen, sich ein Bild von der Welt machen, besondere Momente in den Alltag tragen – und vielleicht auch Vorurteile über Bord werfen, das bedeutet Reisen. Der Nachholbedarf nach dem wochenlangen Lockdown ist nur verständlich. Verreisen zählt in Deutschland zum Lebensstil oder, wie es ein Freizeitforscher einmal formuliert hat, ist eine Selbstverständlichkeit wie der Christbaum an Weihnachten. In jedem Fall sind die Menschen freundlicher, wenn sie sich auf etwas freuen dürfen. Auch wenn die weltweite Reisewarnung
am 15. Juni aufgehoben werden sollte, dem heiß ersehnten sommerleichten Urlaubsgefühl werden heuer neue, bisher ungekannte Grenzen gesetzt. Dass dieser Sommer anders wird, zeigen die aktuellen Diskussionen über die Hygieneauflagen in den Urlaubsländern. Erst Hände desinfizieren und dann aber flott die Seele baumeln lassen? Leichtigkeit sieht anders aus und stellt sich auch nicht automatisch ein, nur weil man eine Grenze passiert.
Bei aller Sehnsucht nach dem Süden: Die beliebtesten Urlaubsländer der Deutschen, Spanien, Italien und Frankreich, sind dramatisch von der Corona-Pandemie betroffen. In Spanien etwa gilt noch immer der Alarmzustand. Die zehntägige Staatstrauer zum Gedenken an die vielen Todesopfer, die das Virus gekostet hat, hält an. Es ist nur zu verständlich, dass dort viele auch mit großer Skepsis auf den wohl bald wieder einsetzenden internationalen Tourismus schauen, den die Urlaubsbranche in ganz Europa aber so dringend braucht.
Urlauber werden sich vor Ort auf viele Kompromisse einlassen müssen. Der Mundschutz reist mit. Strandpartys, ein fröhliches Zusammensitzen in den Alpen wird es nicht geben. Die EU-Kommission ringt gerade um eine einheitliche Regelung der Hygieneauflagen für Europa, damit Ferienländer sich mit ihren Lockerungen nicht überbieten, um den Zuschlag von Touristen zu erhalten.
Mal alles einfach hinter sich zu lassen, das wäre schön. Theoretisch war das schon in den letzten Jahren nicht mehr möglich, als die Schlagworte zur Urlaubssaison Overtourism und Klimakatastrophe lauteten. Nun gilt Reisen als Ursache der schnellen Verbreitung des Coronavirus. Diesen Sommer wird es nicht mehr möglich sein, die Sorgen für ein paar gut gelaunte Wochen einfach auszublenden. Das wäre wirklich verrückt.
Wer existenzielle Nöte hat, denkt nicht an die Toskana