Die Freien Wähler – Söders unauffällige Assistenten
Hubert Aiwangers markige Auftritte stehen im krassen Gegensatz zu den Kräfteverhältnissen in der Koalition. Die CSU drückt ihren Partner an die Wand
Bei Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gibt es ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber der CSU und manchmal platzt es ganz unvermittelt aus ihm heraus. Das war schon so, als er im November 2018 mit Markus Söder die erste schwarz-orange Regierungskoalition schmiedete. Damals warnte Aiwanger: „Dass man gut aufpassen muss, wenn man mit jemandem ins Bett geht, der vier Mal so schwer ist wie man selbst. Da wird man schnell erdrückt.“
Wie schmerzhaft dieser Druck sein kann, bekam Aiwanger dann in der Corona-Krise ganz persönlich zu spüren. Söder und die CSU legten in Umfragen kräftig zu, die Freien Wähler fielen in der Wählergunst. Zeitgleich sah sich der Wirtschaftsminister plötzlich allerlei giftigem Spott aus der zweiten und dritten Reihe der CSU ausgesetzt.
Die Stichworte, die er seinen überwiegend anonymen Kritikern selbst geliefert hatte, sind bekannt: „Wischmopps“, „Kumpeltisch“und „halbes Hendl“. Aiwanger setzte zum Befreiungsschlag an – und zwar mit dem Holzhammer. Er sprach von „gezielten Gemeinheiten“und „Vertrauensbruch“. Die viel gerühmte Harmonie in der Koalition war über Nacht dahin, die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Doch nur wenige Tage später hieß es, dass alles wieder in bester Ordnung sei. Ein Ausrutscher? Ein Wunder? Auf jeden Fall seltsam.
Tatsächlich werden die rund 13 Millionen Bürger Bayerns von einer höchst merkwürdigen Koalition regiert. Es haben sich zwei bürgerliche Parteien zusammengetan, die sich inhaltlich bestenfalls bei derzeit unbeachteten Themen wie Stromtrassen oder Artenschutz unterscheiden. Schon vor Corona hatte das zur Folge, dass der kleinere Partner, dem obendrein jede Regierungserfahrung fehlte, nicht weiter auffiel. Mit Corona kam der Aufstieg Söders von weit oben nach ganz weit oben. In den Pressekonferenzen
nach den Kabinettssitzungen, die von einem breiten Publikum live verfolgt werden, lässt er seine Minister regelmäßig wie Assistenten aussehen – und zwar nicht nur die der CSU, sondern auch die der Freien Wähler.
Aiwanger hat dieser Dominanz des aktuellen Superstars der deutschen Politik kaum etwas entgegenzusetzen. Seine Partei wirkt nach wie vor als Anhängsel der CSU. Und auch er selbst hat bisher offenkundig nicht die Mittel gefunden, das Profil der Freien Wähler sichtbar zu schärfen. Sein Versuch, eine schnellere Wiedereröffnung von Kneipen, Bars und Schankwirtschaften durchzusetzen, scheiterte kläglich. Er hatte das hochoffiziell für Anfang Juli angekündigt. Söder machte nicht mit. Das war’s.
Seit die CSU laut Umfragen wieder auf eine absolute Mehrheit im
Landtag hoffen darf, wird viel darüber diskutiert, dass den Freien Wählern dasselbe Schicksal drohen könnte wie der FDP im Jahr 2013. Nach fünf Jahren in Regierungskoalition mit der CSU war sie von ihrem übermächtigen Partner – um es mit Aiwangers Worten zu sagen – „erdrückt“worden. Die Liberalen schafften nicht einmal mehr den Wiedereinzug in den Landtag.
Die Freien Wähler wird es wahrscheinlich nicht so hart treffen. Sie sind im Unterschied zur FDP in der Fläche Bayerns so fest verwurzelt, dass sie bei der nächsten Landtagswahl wohl kaum unter die FünfProzent-Hürde fallen werden. Aiwangers Traum aber, sich dauerhaft als Regierungspartner zu etablieren, wird dann ein jähes Ende finden, wenn er den Wählern nicht bald durch politische Taten zeigt, worin der Unterschied zwischen einer Allein- und einer Koalitionsregierung besteht. Es war das erklärte Ziel der Freien Wähler, der CSU in der Regierung auf die Finger zu schauen und sie zu besseren Lösungen zu zwingen. Bisher ist davon nicht viel erkennbar.
Die FDP ist ein mahnendes Beispiel