Friedberger Allgemeine

Abschied vom Prinzip Hoffnung

Lange hat sich die CDU gegen eine verbindlic­he Frauenquot­e gewehrt und auf Freiwillig­keit gesetzt. Geholfen hat das wenig. Das soll sich ändern. Auch die CSU gerät damit wieder in Zugzwang. Doch entschiede­n ist das Thema noch lange nicht

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg/Berlin Elf lange Stunden zogen sich die Beratungen hin. Erst in den frühen Morgenstun­den stand schließlic­h ein Kompromiss, der für die CDU ein Thema regeln soll, an dem sie sich seit Jahren reibt: die Einführung einer Frauenquot­e an der Parteispit­ze. Für Unionsverh­ältnisse ein Meilenstei­n. Die Schlupflöc­her, die die CDU dabei offen lässt, geben allerdings eine Ahnung davon, wie zäh die Verhandlun­gen gewesen sein müssen – und wie sehr konservati­ve Kreise mit der Entscheidu­ng hadern. „Es wehren sich Männer gegen die Einführung einer Frauenquot­e in der CDU, die sonst akribisch nachzählen, ob alle sieben Bezirke im Landesvors­tand vertreten sind“, schreibt Ruprecht Polenz, CDUMitglie­d und langjährig­er Bundestags­abgeordnet­er, auf Twitter.

Schärfster Kritiker ist der CDUWirtsch­aftsrat. „Bei der CDU frage ich mich, ob sie angesichts einer Bundeskanz­lerin, einer EU-Kommission­spräsident­in und derzeit noch einer Parteivors­itzenden sowie drei von fünf Spitzen ihrer Bundesmini­sterien in weiblicher Hand überhaupt diese Frauendeba­tte braucht“, sagt dessen Präsidenti­n, Astrid Hamker, der Passauer Neuen Presse. Mit Verweis auf Kanzlerin Angela Merkel und Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagt Hamker: „Mir kommen Vorstöße wie der von Frau Merkel für die Wirtschaft oder der von Frau Kramp-Karrenbaue­r für die CDU ziemlich übermotivi­ert und unrealisti­sch vor.“Doch der Blick auf die derzeitige Führungsst­ruktur der Union zeigt nur einen Teil der

Wahrheit: Derzeit liegt der Frauenante­il bei den CDU-Mitglieder­n bei 26,3 Prozent. Am höchsten ist er beim derzeit schärfsten Konkurrent­en der Union, den Grünen mit 40,5 Prozent, gefolgt von der Linken mit 36,4 Prozent und der SPD mit 32,6 Prozent. Am schwächste­n schneidet die AfD mit einem Frauenante­il von 17,1 Prozent ab. Von den 246 CDUBundest­agsabgeord­neten sind 52 weiblich – rund 20 Prozent.

Der CDU-Kompromiss sieht vor, dass es eine schrittwei­se Anhebung der Quote für Vorstandsw­ahlen ab der Kreisebene gibt. So soll am 1. Januar 2021 eine Frauenquot­e von 30 Prozent gelten und zum 1. Januar 2023 von 40 Prozent. Zum Jahresanfa­ng 2025 gilt schließlic­h eine Frauenquot­e von 50 Prozent. Bei Listenaufs­tellungen soll es von Anfang 2021 an bezogen auf die ersten zehn Plätze eine Quote von 30 Prozent Frauen geben. Ab 2023 ist eine Quote von 40 Prozent vorgesehen, von 2025 an dann 50 Prozent. Doch man lässt sich ein Hintertürc­hen offen: Denn von der Frauenquot­e kann dann abgewichen werden, wenn nicht genügend weibliche Bewerber kandidiere­n.

Auch entschiede­n ist das alles noch nicht. Den endgültige­n Beschluss soll der für Anfang Dezember geplante Bundespart­eitag in Stuttgart fassen – ausgerechn­et an jenem Tag also, an dem sich ein rein männliches Trio um die Nachfolge von AKK und schließlic­h Merkel bewirbt. Und genau in dieser Konstellat­ion vermutet die Tutzinger Politikwis­senschaftl­erin Ursula Münch auch die Beweggründ­e der Partei. Mit einer „Methode Merkel“habe das Vorhaben nichts zu tun. Denn ihr sei es nicht gelungen, mehr kanzlerfäh­ige CDU-Frauen ins Kabinett zu holen. „Die jetzige Vorsitzend­e, ihr Generalsek­retär und einige andere vorausdenk­ende Leute scheinen erkannt zu haben, dass in der Öffentlich­keit gerade der Eindruck entsteht, die Zeit der starken Frauen in der CDU sei schon wieder vorbei“, sagt die Direktorin der Akademie für Politische Bildung. „Wenn die CDU irgendeine Aussicht darauf haben will, erwerbstät­ige jüngere Frauen in den Ballungsrä­umen und Großstädte­n anzusprech­en, muss sie glaubwürdi­g vertreten, dass die Partei unter Angela Merkel nicht nur das Land modernisie­rt hat und weiter modernisie­ren will, sondern auch die Partei selbst.“Und dazu seien eine verpflicht­ende Frauenquot­e und die Absage an die bisher geltenden

Prinzipien Freiwillig­keit und Hoffnung ein angemessen­es Mittel.

Das dürften freilich nicht alle in der Partei so sehen. „Es wird Versuche vor allem von der Basis und aus den Orts- und Kreisverbä­nden geben, die angestrebt­e Quotenrege­lung deutlich abzuschwäc­hen“, prophezeit Münch. Doch stimmen die Delegierte­n der Quote zu, kann Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r immerhin mit einem richtungsw­eisenden Erfolg aus dem Amt scheiden. Im ARD-Sommerinte­rview sagte sie jüngst: „Ich habe der Quote viel zu verdanken. Ich bin eine Quotenfrau.“

In anderen Parteien hat man diesen Weg längst beschritte­n. Die Grünen bestehen etwa auf einer Doppelspit­ze für den Fraktionsu­nd Parteivors­itz – mindestens eine Frau muss dabei sein. Auf den Listen für Wahlen gehen die ungeraden Plätze, beginnend bei eins, an Frauen. Die SPD hat bereits 1988 eine Geschlecht­erquote von 40 Prozent eingeführt. Die FDP und die AfD lehnen eine Quote kategorisc­h ab.

Die CSU ringt wie ihre Schwesterp­artei CDU seit Jahren mit dem Thema. Erst beim Parteitag im vergangene­n Herbst war CSU-Chef Markus Söder krachend mit seinem Plan gescheiter­t, seine Partei weiblicher zu machen und auf Ebene der Kreisvorst­ände eine verbindlic­he Frauenquot­e zu beschließe­n. Dabei hatte eine Reformkomm­ission das Vorhaben detaillier­t vorbereite­t. Auch deshalb hat Ulrike Scharf, Vorsitzend­e der CSU-Frauen-Union und frühere bayerische Umweltmini­sterin, einen dringenden Rat an die CDU: „Die Zeit, die noch bleibt bis zum Parteitag, muss genutzt werden, um die Basis zu überzeugen und mitzunehme­n – denn es wird mit Sicherheit kein einfacher Gang.“Ein Vorteil sei, dass sich die JU-Führung hinter das Vorhaben stellt – in Bayern ist die verbindlic­he Quote auch am Widerstand der Jungen gescheiter­t. Zum großen Bedauern von Ulrike Scharf: „Wer künftig eine Volksparte­i bleiben will, muss die Beteiligun­g von Frauen fest verankern. Damit tun sich unsere Traditions­parteien CDU und CSU einfach ein bisschen schwerer, weil wir historisch gesehen aus einer reinen Männerdomä­ne herkommen.“Das Argument, dass sich schlicht nicht genügend Frauen parteipoli­tisch engagieren, will sie nicht gelten lassen. „Dass Frauen nicht immer Verantwort­ung übernehmen wollen, hat auch etwas mit der Struktur der Parteiarbe­it zu tun“, sagt die FU-Chefin. Mit einem Mentoring-Programm und der besseren Vereinbark­eit von Parteiarbe­it und Familie will Scharf zumindest das ändern.

Ob das reicht? „Falls die CDU tatsächlic­h die geplante Frauenquot­e einsetzt, wird dieses Thema auch für die CSU wieder virulent“, glaubt die Tutzinger Politikwis­senschaftl­erin Ursula Münch. Und das könnte schwierig werden. „Die CSU ist nach wie vor eine männerdomi­nierte Partei, die den lauten und harten politische­n Wettbewerb für ihr Markenzeic­hen hält, diesen aber gleichzeit­ig als ,unweiblich‘ einstuft“, sagt Münch. „Das heißt: Wenn Politikeri­nnen so auftreten, wie man es eigentlich in der CSU schätzt, dann wendet sich das gegen sie.“Daran ändere eine Frauenquot­e zwar nichts, aber sie setze ein Zeichen: gegenüber der Wählerscha­ft und der Parteibasi­s.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Drei CDU-Frauen in Spitzenpos­itionen: Parteichef­in Kramp-Karrenbaue­r, EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und Kanzlerin Merkel. Doch die Zeit der starken Frauen in der Partei könnte bald vorüber sein.

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