Friedberger Allgemeine

Ermittelt die Polizei mit Corona-Daten?

In Hamburg und Augsburg gibt es Fälle, in denen Gästeliste­n in Restaurant­s eine Rolle spielen. Dabei hieß es, die Daten seien den Gesundheit­sämtern vorbehalte­n, um Infektions­ketten nachzuvoll­ziehen. Es scheint Schlupflöc­her zu geben

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Was genau sich vergangene Woche in einem Lokal in Hamburg abgespielt hat, versucht die Polizei noch zu klären. Wie sie das jedoch tut, ist bereits klar. Ein Mann soll vor dem Restaurant Passanten mit einem Teppichmes­ser bedroht haben. Jetzt sucht die Polizei Zeugen und nutzt dazu die Kontaktdat­en, die das Restaurant gesammelt hat, um Corona-Infektions­ketten nachvollzi­ehen zu können. Das berichtet unter anderem die Hamburger Redaktion der Tageszeitu­ng. Der Fall macht öffentlich, was offenbar auch in anderen Teilen des Landes Praxis ist: Denn auch das Polizeiprä­sidium Schwaben Nord in Augsburg berichtet auf Anfrage unserer Redaktion von einem Fall, „in dem derartige Daten für ein Ermittlung­sverfahren herangezog­en“wurden. Dabei beruft sich Pressespre­cher Michael Jakob auf die Strafproze­ssordnung

– so wie es auch Hamburger Polizei und Staatsanwa­ltschaft tun.

Doch das Vorgehen ist strittig. Eingeführt wurde die Regelung im Mai. Lokale in Bayern und anderen Bundesländ­ern müssen seither Namen und Kontaktdat­en ihrer Gäste erfassen. Damit soll nachvollzo­gen werden, mit welchen Personen Corona-Infizierte Kontakt hatten. Laut Landesamt für Datenschut­z dürfen die Daten „ausschließ­lich auf Anforderun­g des Gesundheit­samtes zur Nachverfol­gung möglicher Infektions­ketten weitergege­ben“werden. Und auch der bayerische Datenschut­zbeauftrag­te Thomas Petri hatte erklärt, dass eine Verwendung der Daten ausschließ­lich den Gesundheit­sämtern vorbehalte­n sei.

Petri möchte das Vorgehen der schwäbisch­en Polizei nun prüfen, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. Für die Daten der Restaurant­s gebe es eine „strikte

Zweckbindu­ng“, nach wie vor sei eine Weitergabe an die Polizei grundsätzl­ich nicht vorgesehen. Dass in Bayern diese Daten für Ermittlung­en einer Straftat genutzt wurden, sei ihm bislang noch nicht bekannt gewesen, sagt er. Nähere Informatio­nen zu dem Fall lägen ihm demnach nicht vor.

Worum es in dem Fall in der Region ging und weshalb die Polizei zur Ermittlung die Daten der Gäste benötigte, ist unklar. Aus „ermittlung­staktische­n Gründen“könne er „zu diesem noch nicht abgeschlos­senen Fall“derzeit keine konkretere­n Aussagen treffen, gibt Polizeispr­echer Jakob an. Das Polizeiprä­sidium Schwaben Nord, das er vertritt, ist für die Stadt Augsburg sowie die Landkreise Aichach-Friedberg, Donau-Ries,

Dillingen und Augsburg zuständig.

Grundsätzl­ich dürften die Gästedaten nur genutzt werden, um mögliche Infektions­ketten nachzuvoll­ziehen, eine Zweckänder­ung sei dem Bayerische­n Datenschut­zgesetz zufolge jedoch zulässig. Der Strafproze­ssordnung zufolge könne man zudem „Ermittlung­en jeder Art“durchführe­n – worunter auch die Nutzung der Gästedaten fiele. Dabei müsse immer die Verhältnis­mäßigkeit gewahrt werden, schreibt Jakob. Ähnlich argumentie­rt das Innenminis­terium: Pressespre­cher Michael Siefener zufolge seien „originär die Gesundheit­sämter zuständig“für die Verarbeitu­ng der Gästedaten. Ob sie jedoch „anderweiti­g verwendet werden dürfen, ist im konkreten Einzelfall auf Grundlage der Regelungen der Strafproze­ssordnung zu prüfen“.

Allerdings setzt diese den „Ermittlung­en jeder Art“auch Grenzen.

Im Text heißt es nämlich, dass die Ermittler jene „Ermittlung­en jeder Art“nur dann vornehmen dürfen, „soweit nicht andere gesetzlich­e Vorschrift­en ihre Befugnisse besonders regeln“. Die Behörden müssen bei ihren Ermittlung­en abwägen. Ob die Behörden Gästedaten in Strafermit­tlungen nutzen dürfen, ist also vom konkreten Fall abhängig.

Die Gastronome­n zeigen sich von den Ermittlung­en der Polizei überrascht. Thomas Geppert, der Landesgesc­häftsführe­r des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes sagt, er sei „verwundert“über das Vorgehen. Er sei davon ausgegange­n, dass die Daten lediglich genutzt werden, um Infektions­ketten nachzuvoll­ziehen. Er hoffe, dass Gäste sich von der möglichen Zweckentfr­emdung nun nicht abgeschrec­kt fühlen, sagt Geppert – und stellt zugleich die Frage: „Aber ob das der wahrheitsg­emäßen Angabe der Gästedaten dient?“

Augsburger Polizei gibt zu dem Fall keine Auskünfte

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