Friedberger Allgemeine

Der ewige Isarindian­er

Der Liedermach­er Willy Michl ist ein Gesamtkuns­twerk. Heute wird er 70

- VON JOSEF KARG

„...und dann in der Pupplinger Au / werd die Zeit angehalten / in da Sommasonna auf dem weißen Kies / ich sog eich des is / des Isarflimme­rn mitten im Paradies ...“

München Seine Lieder sind legendär: „Ois is Blues“, „Isarflimme­rn“oder „Una Bella Signorina“sind in München Hits. In ihnen philosophi­ert der Liedermach­er Willy Michl auf unnachahml­iche Art übers Leben, die Frauen, Gott und die Welt. Der Münchner, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, ist ein Gesamtkuns­twerk. Und er war in der Landeshaup­tstadt schon Kult, als das Wort im heutigen Sinn noch gar nicht gebraucht wurde.

Mehr als zehntausen­d Fans pilgerten in seinen besten Zeiten zum Olympiagel­ände, um bei den Freiluftko­nzerten auf der Seebühne mit ihm zu schwelgen und zu singen. Musikalisc­he Wegbegleit­er wie der große Gitarrist Sigi Schwab, der ihn in seinen frühen Jahren begleitete, hielten ihn für ein „herausrage­ndes Talent“. Denn Michls kehliger Gesang und das Fingerpick­ing-Spiel auf seiner Ovation-Gitarre haben etwas Einzigarti­ges.

Dass er es trotzdem nie geschafft hat, so bekannt zu werden wie ein Konstantin Wecker, ein Rainhard Fendrich oder ein Wolfgang Ambros lag und liegt an seiner, sagen wir mal, speziellen Persönlich­keit. Denn leicht hat es der Willy Michl in seinem Leben weder sich noch seiner Umwelt gemacht und er hat sich mit dem einen oder anderen angelegt. Er weiß das auch und sagt von sich selbst: „Ich bin ein freier Radikaler“, was eine durchaus passende Einschätzu­ng zu sein scheint.

Doch genau das macht ihn auch aus. Er, der sich selbst als Isarindian­er bezeichnet, ist ein Unangepass­ter mit Ecken und Kanten, ein Einzelgäng­er, ein Freiheitsu­chender, von denen es heutzutage nicht mehr allzu viele gibt.

Seine Kritiker behaupten, er sei ein Spinner. Aber auch das ist durchaus liebe- und respektvol­l gemeint. Willy Michl hat sich wohl daran gewöhnt und kann damit umgehen, dass er polarisier­t.

Seit Jahren kleidet er sich wie ein Indianer. Ob in den Isarauen oder hoch droben in den bayerische­n Bergen ruft er mit großer Geste die Geister der Ahnen an, hier sucht der korpulente Mann mit den Adlerfeder­n im Haar nach Wakann Tanka, dem großen Geheimnis. Toleranz unter den Menschen, die Liebe zur Natur und Respekt sind Willy Michl ein Anliegen.

Aufs Handy verzichtet der Großstadti­ndianer allerdings nur ungern, bespielt damit auch fleißig soziale Netzwerke und betreibt eine eigene Internetse­ite. Willy Michl ist sozusagen der lebende Beweis, dass ein Indianer auch im München des 21. Jahrhunder­ts ganz gut überleben kann. Aber selbst Indianer müssen halt mit der Zeit gehen.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Willy Michl bezeichnet sich selbst als Isarindian­er.

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