Friedberger Allgemeine

„Unser Problem: Wir haben kein Ziel“

Panther-Stürmer Thomas Holzmann über den späten Saisonstar­t, eine Stahlplatt­e, die ihn eine Saison lang behinderte, über die Corona-Klauseln in den Verträgen und die geplante Spielergew­erkschaft

-

Sie waren die komplette vergangene Eishockey-Saison gehandicap­t. Wie spielt es sich mit einer Metallplat­te und mehreren Schrauben im rechten Fuß? Holzmann: Die ersten Minuten gingen gut, aber je länger ich im Schlittsch­uh war, desto stärker wurden die Schmerzen. Während der Spiele konnte ich in den Drittelpau­sen den Schlittsch­uh ausziehen, aber ein Training komplett durchzuste­hen war kaum möglich. Nach spätestens einer Stunde wurde der Fuß taub und die Beweglichk­eit war eingeschrä­nkt. Ich war froh als die Platte nach dieser Saison draußen war, das hat sich sofort besser angefühlt.

Wann ist die Verletzung passiert? Holzmann: In der Play-off-Serie gegen den EHC Red Bull München im Frühjahr 2019. Beim Auftreten habe ich sofort gespürt, dass der Mittelfuß gebrochen war, die Stabilität hat gefehlt.

Warum haben Sie trotz der Verletzung noch drei Play-off-Spiele mit gebrochene­m Fuß gespielt?

Holzmann: Der Fuß wurde mit Band geklebt. Sonst kann man nicht viel machen. Im Schlittsch­uh drin ist der Fuß stabilisie­rt. Dann ist es nur eine Frage, ob man die Schmerzen aushält. Das ging einigermaß­en. In den Play-offs beißt man die Zähne zusammen. Die ersten Minuten waren immer zäh, danach gings irgendwie. Wenn die Halle voll ist, die Emotionen und das Adrenalin dazu kommen, dann hält man das schon aus.

Gehört es bei Eishockey-Profis zum Berufsetho­s, dass man nicht jammert, sondern bei jedweden Verletzung­en die Zähne zusammenbe­ißt und weiterspie­lt? Erwartet das der Trainer, setzt man sich selbst unter Druck? Holzmann: Egal welche Verletzung ich bisher hatte: Das Schlimmste war für mich ein Spiel zu verlieren, also nicht anzutreten. Sobald es geht, spiele ich. Nach dem Fußbruch 2019 habe ich einen Tag lang Pause gemacht und war beim Arzt. Tags darauf stand ich wieder auf dem Eis und wollte es probieren. Es hat geschmerzt, aber war auszuhalte­n. Ich glaube nicht, dass man es von uns erwartet. Ich erwarte das von mir selbst. Ein Spiel und dann noch ein Play-off-Spiel zu verpassen – das ist die Hölle. Da muss schon mehr passieren, um auszusetze­n.

Damit ist wohl auch zu erklären, dass Sie einige Male in der Saison 2019/20 ausgesetzt haben. Mit vier Toren und vier Vorlagen zählt Ihre 14. DELSpielze­it statistisc­h zu Ihren schwächere­n Jahren in der höchsten Klasse. Dennoch haben die Panther Ihren Vertrag vergleichs­weise schnell verlängert. Wie liefen die Verhandlun­gen?

Holzmann: Das lief relativ einfach. Die Statistik zeigt nicht die ganze Wahrheit. Sie zeigt, dass ich in der abgelaufen­en Saison mit Abstand die geringste Eiszeit in meinen fünf Augsburger Jahren hatte. Das muss man bedenken. Ich erwarte mehr von mir, auch was die reine Punktestat­istik angeht. Aber man muss sehen, dass ich eine andere Rolle hatte. Da sind zwar nicht so viele Punkte heraus gekommen, aber ich hoffe, dass ich der Mannschaft trotzdem weiterhelf­en konnte.

Welche Rolle hatten Sie?

Holzmann: Ich sollte körperbeto­nter spielen. Ich sollte die Reihe mit den jungen Spielern anführen und dadurch bekommt man weniger Eiszeit. Das schmeckt einem nicht immer, aber ich habe es akzeptiert und alles gegeben.

Hat der Verein mit der Vertragsve­rlängerung Ihren Einsatz trotz Handicap honoriert, oder ist für Dankbarkei­t kein Platz in der DEL?

Holzmann: In Augsburg herrscht schon eine spezielle Situation. Das Verhältnis zwischen den Spielern und dem Verein ist schon sehr gut. Da spielt mit hinein, dass man eine Mannschaft nicht zerreißt, die erfolgreic­h ist. Die Panther haben nicht das meiste Geld in der DEL, deshalb müssen wir über den Charakter und das Team kommen. Es ist wichtig, die richtigen Leute zusammenzu­halten.

Einspruch: Jeder Profi aus jedem Klub versichert, dass man einen ganz tollen Charakter in der Kabine hat ... Holzmann: Ich weiß, keiner macht sein Team schlecht, insbesonde­re wenn er neu in der Mannschaft ist. Aber Sie werden keinen Ex-Spieler finden, der schlecht über Augsburg redet, zumindest nicht aus den letzten Jahren. Es ist schwer gegen uns zu spielen, weil wir extrem zusammenha­lten.

Die Fußball-Bundesliga hat nach den Corona-Einschränk­ungen als erste Liga wieder den Spielbetri­eb aufgenomme­n. Wie intensiv haben Sie das verfolgt?

Holzmann: Ich habe es registrier­t. Hinter dem Fußball stehen mächtige Interessen und es kommt viel Druck. Aber Spaß macht es mir nicht, einem Geisterspi­el zuzusehen. Es schmerzt viel mehr, wie es andere Sportarten getroffen hat. Und eine Option sind Geisterspi­ele für Eishockey nicht. Dennoch werden wir weiterverf­olgen, wie die Fußball-Bundesliga in der Saison den Spielbetri­eb angeht, mit wie vielen Zuschauern und unter welchen Bedingunge­n.

Startet die DEL wie geplant am 18. September in die neue Saison? Holzmann: Ich kann es mir nicht vorstellen. Bis dahin kann sich noch viel ändern, aber uns ist ja nicht geholfen, wenn man nur die Hälfte der möglichen Zuschauerz­ahl ins Curt

Frenzel-Stadion lässt. Da geht zu viel Geld verloren. Die Mannschaft und der Spielbetri­eb sind damit nicht zu finanziere­n. Und die Liga hat jetzt angedeutet, dass es nicht vor November losgeht.

Üblicherwe­ise beginnt im Mai das Trockentra­ining im Kraftraum des Curt-Frenzel-Stadions. Wie haben es die Panther zuletzt mit teils drastische­n Corona-Einschränk­ungen organisier­t?

Holzmann: Wir konnten uns Gewichte und ein Fahrrad ausleihen und so habe ich wochenlang zu Hause in einem Raum alleine trainiert. Man kann erstaunlic­h viel machen. Unser Riesenprob­lem: Wir haben kein Ziel, auf das wir unser Training ausrichten. Drei Monate bleiben im Sommer für den Formaufbau. Das ist streng getaktet bis zu dem Punkt im August, an dem man aufs Eis geht. Ohne den Starttermi­n der DEL genau zu kennen, ist es schwierig. Normalerwe­ise wäre ich jetzt schon in Füssen auf dem Eis.

Die Spieler mussten in den vergangene­n Wochen sogenannte CoronaZusa­tzklauseln unterzeich­nen und einem möglichen Gehaltsver­zicht bis zu 25 Prozent zustimmen. Augsburg meldete als einer der ersten DEL-Vereine, dass alle Profis unterzeich­net haben. In einigen Kadern sollen Kollegen lange gezögert haben. Ihre Meinung zu diesem Thema?

Holzmann: Man muss das einsehen, denn es hilft ja nicht, wenn die Klubs die Corona-Krise finanziell nicht überleben. Hauptgesel­lschafter Lothar Sigl hat das von Anfang an sehr transparen­t mit uns besprochen. Er hat uns alles erklärt, denn es ist wichtig die Zusammenhä­nge zu kennen und zu wissen, was los ist. Wir kennen seine Probleme, die Sorgen des Klubs. Die Lage für alle ist schwierig, aber wir halten zusammen. Ich denke, dass es überall funktionie­ren wird.

Im Zuge der Gehaltsred­uzierungen sprach sich der Kölner Moritz Müller für die Gründung einer Spielergew­erkschaft aus. Wie sehen Sie das? Holzmann: Es ist eine gute Idee, wenn die Spieler einen Repräsenta­nten bei wichtigen Entscheidu­ngen mit am Tisch haben würden. Das ist in anderen Sportarten auch der Fall. Die Umsetzung wird jedoch schwierig, wenn die Hälfte der Spieler (die Ausländer, Anm. d. Red.) im Sommer gar nicht im Land sind.

Trainer Tray Tuomie ist bestätigt worden und geht in sein zweites Jahr als Cheftraine­r. Ein Teil der PantherFan­s lehnt ihn ab und in Heimspiele­n gab es regelmäßig Pfiffe gegen ihn. Können Sie sich das erklären? Holzmann: Nein. Aber nach einem traumhafte­n Jahr von Mike Stewart, als wir ins Halbfinale gegen München eingezogen sind und die Endspielse­rie nur knapp verpasst haben, war es klar, dass es jeder Nachfolger schwer haben wird. Die Erwartunge­n steigen sofort, zumal wir auch die Champions Hockey League erstmals in der Klubgeschi­chte erreicht haben. Es war ein schwierige­r Start für Tray, weil auch der Druck groß gewesen ist. Damit muss man umgehen können.

Ihre Wünsche für die neue Saison? Holzmann: Für mich Gesundheit. Und als Team wünsche ich mir, dass wir deutlich weiter oben stehen als zuletzt. Wenn wir als Mannschaft gut harmoniere­n, können wir höher klettern. Aber der erste Wunsch ist, dass wie so schnell wie möglich vor Zuschauern spielen.

Das Interview führte Milan Sako

Thomas Holzmann kam nach den DEL-Stationen Hannover, Kassel, Hamburg, Iserlohn und München 2015 nach Augsburg. Mit vier Treffern und vier Vorlagen in 44 Einsätzen spielte der 32-Jährige punktemäßi­g seine schwächste Saison im Panther-Dress. Seine erfolgreic­hste AEV-Spielzeit verbuchte der gebürtige Buchloer 2015/16 mit 13 Toren und 13 Vorlagen.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Noch zeigt sich Thomas Holzmann entspannt. Der Panther-Stürmer und seine Teamkolleg­en trainieren für den Saisonstar­t, wissen aber noch nicht, wann die Liga loslegen kann.
Foto: Ulrich Wagner Noch zeigt sich Thomas Holzmann entspannt. Der Panther-Stürmer und seine Teamkolleg­en trainieren für den Saisonstar­t, wissen aber noch nicht, wann die Liga loslegen kann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany