Der Wald vor Omas Fenster
Im Holbeinhaus stellen die jungen Künstler Timur Lukas und Tom Król neue Malerei klassischer Sujets aus: Stillleben, Fensterblick, Landschaft und Porträt
Neue Bilder, die klassische, bewährte Sujets der Malerei behandeln, sind jetzt am prädestinierten Augsburger Ort zu sehen: im Holbeinhaus in der Altstadt. Der Kunstverein stellt dort Porträts des 1991 in Köln geborenen Tom Król vor – sowie Stillleben vor Landschaftsausblicken des 1986 in Konstanz geborenen Timur Lukas. Es ist die erste Doppelschau der beiden studierten Künstler in einer Institution; vom Aachener Kunstverein wanderte sie nach Augsburg, wo Timur Lukas regelmäßig auch arbeitet.
Er hält erklärtermaßen Kindheitserinnerungen fest: den Blick auf Vasen vor dem Fenster der Großmutter mit Aussicht auf den Wald hinterm Haus. Das klingt konventioneller, vertrauter als besagter Blick letztlich auf der Leinwand aufscheint. Denn Lukas baut malerische Störfeuer in sein Motiv ein, das sowieso – eben aus der Kindheitserinnerung heraus – eher im Ungefähren, Vagen verbleibt. Nicht nur, dass die Vasen dominieren; sie bleiben – meist dicht gedrängt – auch plan, silhouettenhaft in der Ausführung: viel mehr Umrissform als plastisch ausgeführtes Gefäß. Auch scheinen sie mitunter in vertauschten Bildebenen zu schweben. Vorder-, Mittel-, Hintergrund flottieren ebenso wie die Ausführung mit hier gemalter, dort gesprühter Farbe.
Hier arbeitet sich einer an der Erinnerung ab, hier stehen die Malerei-Lieblingssujets Stillleben, Fensterblick und Landschaft unter Vorbehalt, hier hält Einzug auch das Antimalerische und Antiidealistische. Im Detail, erst recht im Illusionistischen verliert sich nichts; der Münchner Meisterschüler von Gregor Hildebrandt setzt auf raschen, traumhaften, verschwimmenden Eindruck. Der Nebel, der über jeglicher präziser Erinnerung liegt, scheint diese Malerei zu unterminieren.
Tom Król hält es stärker mit der Durchgestaltung seiner PorträtKöpfe, die ausgewiesenermaßen jedoch nicht lebenden Individuen zuzuordnen sind. In der Nachfolge der plastischen surrealen Fantasiegeschöpfe Max Ernsts blicken sie den Betrachter nicht nur en face, sondern auch konfrontativ an: hier aufgerissene Augen, dort fixierende Katzenaugen. Scharf geschnitten – Ritzungen gleich – die Gesichts-, Hals- und Schulterlinien, die am Bildrand zusammen mit Farbflächen wieder aufgegriffen werden. Der Holbeinhaus-Besucher steht unter Beobachtung dieser Köpfe, während SoundInstallationen unter den extra für die Ausstellung konzipierten Sitzbänken ertönen.
Worin sich die beiden Maler angleichen, weshalb sie die gemeinsame Ausstellung ihrer Werke mit dem Titel „Unite! Limbo Forest“anstrebten, dies dürfte wohl auch in ihrer flächigen Arbeitsweise begründet liegen. So, wie die Vasen bei Timur Lukas schablonenähnlich ins Bild gerückt sind, so behandelt Tom Król, der in Offenbach, Düsseldorf und Brüssel studierte, seine Gesichter als ein Formfeld, das durch Farbe, Collage, Lasur eher moduliert als plastisch modelliert wird.
Worin sich unterdessen Lukas und Król unterscheiden, das ist die Dichte ihrer Malerei: kompakt, massiv, gleichsam atemlos bei Lukas; durchbrochen, licht, gleichsam atmend bei Król.
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Ausstellungslaufzeit bis 30. August. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr. Ein Katalog soll noch erscheinen.