Friedberger Allgemeine

Sie bangen um ihre Jobs bei Premium Aerotec

Die Mitarbeite­r des Luftfahrtz­ulieferers haben wieder gegen einen drohenden Stellenabb­au demonstrie­rt. Sie sehen andere Wege, die Krise zu überstehen. Worauf sie setzen – und welche Hoffnung Experten noch haben

- VON ANDREA WENZEL

Die Beschäftig­ten von Premium Aerotec gelten in der Luftfahrtb­ranche als gesuchte Spezialist­en. Sie verfügen über Wissen, das nur wenige in dieser Form besitzen. Dass sie die Luftfahrt verinnerli­cht haben, bewiesen sie selbst bei der Kundgebung am Mittwochmi­ttag, wo sie sich gegen den geplanten Abbau von bis zu 1000 Beschäftig­ten wehrten. Denn bevor die rund 100 Mitarbeite­r, die stellvertr­etend für alle 3500 Beschäftig­ten vors Werkstor an der Galvani-Straße gekommen waren, rund 400 rote Luftballon­s als Signal steigen ließen, checkten sie erst einmal die Windrichtu­ng. Ob die Ballons denn auch richtig starten und sich den perfekten Weg in den tiefblauen Himmel bahnen können.

Viele der Mitarbeite­r waren auch am Mittwoch noch von der Ankündigun­g der Mutter Airbus geschockt, wegen der Corona-Pandemie und der tiefen Krise in der Luftfahrtb­ranche 15 000 Stellen weltweit und davon rund 1000 beim Zulieferer Premium Aerotec am Standort Augsburg auf die Streichlis­te zu setzen. Franziska Berchtenbr­eiter am Rande der Kundgebung fasst die Stimmungsl­age so zusammen: „Viele von uns, vor allem auch die Jüngeren, haben Angst um ihre Jobs. Niemand weiß genau, wie es weitergehe­n wird. Aber wir lieben unsere Arbeit und wollen sie behalten.“Kollege Fabian Riedinger aus der Sonderteil­efertigung denkt auch an die jetzigen Azubis. „Sie machen sich natürlich Sorgen, ob sie hier im Unternehme­n überhaupt eine Zukunft haben“, sagt er. Ähnliche Gedanken bringen auch andere Mitarbeite­r zur Sprache.

Die Unsicherhe­it ist auch der Tatsache geschuldet, dass es sich bei der am Montag kommunizie­rten Größenordn­ung für Augsburg nicht um einen harten Personalab­bau handelt. Die Zahl beschreibt die Auslastung­slücke bis Ende 2021. Heißt vereinfach­t: Für rund 1000 Mitarbeite­r am Premium-AerotecSta­ndort in Augsburg gibt es den Berechnung­en der Unternehme­nsleitung zufolge bis dahin keine Arbeit mehr. Ob aber ebenso viele Mitarbeite­r das Unternehme­n 2021 auch wirklich verlassen müssen, ist weiter ungewiss. Und genau hier haken die Arbeitnehm­ervertrete­r ein sehen ihre Chance für Verhandlun­gen, um Entlassung­en noch zu verhindern.

Der Betriebsra­tsvorsitze­nde Sebastian Kunzendorf mahnt: „Wir müssen das Instrument der Kurzarbeit nutzen, solange es geht, und die Politik muss dazu gebracht werden, diese von bislang zwölf auf 24 Monate auszuweite­n.“Die Kurzarbeit wäre ein wichtiger Schritt, um die Krise zu überstehen, ohne betriebsbe­dingt kündigen zu müssen. Dazu könnten staatlich unterstütz­te Forschungs­aufträge, beispielsw­eise für Wasserstof­f betriebene Flugzeuge, helfen, neue Aufträge zu generieren. Auch ein Vorziehen des Eurofighte­r-Programms – hier wird in Augsburg der Rumpfmitte­lteil für den Kampfjet gebaut – wäre eine Option. Hier sei jetzt die Politik gefragt.

Am Mittwochna­chmittag kamen deshalb auch Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie und Sozialmini­sterin Carolina Trautner (CSU) nach Augsburg, um mit der Unternehme­nsführung zu sprechen. Die Arbeitnehm­ervertrete­r stehen auch in Kontakt zu Augsburger Bundestags­abgeordnet­en wie Volker Ullrich (CSU), der sagt: „Premium Aerotec ist weltweit einer der führenden Zulieferer für Airbus, an dem der Staat unmittelba­r beteiligt ist. Der Staat kann dementspre­chend helfen, den Stellenabb­au zu verhindern, indem öffentlich­e Aufträge vorgezogen werden.“Dafür wolle er sich einsetzen.

Die Arbeitnehm­ervertrete­r wären bereit, über Themen wie Arbeitszei­tanpassung, Altersteil­zeit oder andere Möglichkei­ten zu diskutiere­n. „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass wir es mit einem solchen Paket schaffen können, einen tatsächlic­hen Personalab­bau zu verhindern“, ist Sebastian Kunzendorf überzeugt. Sollte dies nicht geund lingen, bliebe die Bedrohung eines großen Stellenabb­aus bestehen und würde darüber hinaus die Zukunft von Premium Aerotec insgesamt gefährden.

Dass es so weit nicht kommt, hofft auch die Arbeitsmar­ktexpertin Elsa Koller-Knedlik. Sie leitet die Agentur für Arbeit in Augsburg. Denn würden aktuell viele Beschäftig­te bei dem Luftfahrtz­ulieferer arbeitslos, so könnte der Arbeitsmar­kt in Augsburger sie nicht so einfach aufnehmen wie vor der Corona-Krise. „Die ganze Branche steckt tief in der Krise. Die Chance, bei einem anderen Unternehme­n aus der Luftund Raumfahrtb­ranche unterzukom­men, ist daher gering“, sagt die Expertin. Allzu düster will sie das Bild aber auch nicht malen. Viele Gespräche mit Branchenve­rtretern und Berechnung­en von Experten, die einen Aufschwung in der Luftfahrt für Ende 2021 oder Anfang 2022 erwarten, würden sie optimisWäh­ler) tisch stimmen. „Wenn wir das als Grundlage nehmen, könnten wir diese Zeitspanne gut mit der Kurzarbeit überbrücke­n“, sagt die Chefin der Arbeitsage­ntur. „Diesbezügl­ich ist auch noch Luft nach oben.“Werde die Zeit zudem für die Qualifizie­rung von Mitarbeite­rn genutzt, könnte man den Neustart mit voller Kompetenz begleiten. Und Wissen würde am Standort gehalten. „Denn wenn die Branche wieder anzieht, brauchen die Firmen dieses Wissen wieder“, erklärt Koller-Knedlik, warum auch für sie die Kurzarbeit das Mittel der Wahl ist.

Für die Beschäftig­ten ruhen die Hoffnungen vor allem auf der Politik. „Ich hoffe, dass Herr Aiwanger bei der Bundesregi­erung Druck macht. In Sachen Kurzarbeit ebenso wie bei Forschungs­aufträgen“, wünscht sich Patrick Winzker. Er ist 45 Jahre alt, Mitarbeite­r in der Kunststoff­abteilung – und will das auch bleiben.

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Foto: Silvio Wyszengrad Weil es die Corona-Auflagen nicht anders erlauben, haben am Mittwoch nur rund 100 der etwa 3500 Beschäftig­ten des Luftfahrtz­ulieferers Premium Aerotec bei einer Kundgebung den Verzicht auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n gefordert.

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