Sie bangen um ihre Jobs bei Premium Aerotec
Die Mitarbeiter des Luftfahrtzulieferers haben wieder gegen einen drohenden Stellenabbau demonstriert. Sie sehen andere Wege, die Krise zu überstehen. Worauf sie setzen – und welche Hoffnung Experten noch haben
Die Beschäftigten von Premium Aerotec gelten in der Luftfahrtbranche als gesuchte Spezialisten. Sie verfügen über Wissen, das nur wenige in dieser Form besitzen. Dass sie die Luftfahrt verinnerlicht haben, bewiesen sie selbst bei der Kundgebung am Mittwochmittag, wo sie sich gegen den geplanten Abbau von bis zu 1000 Beschäftigten wehrten. Denn bevor die rund 100 Mitarbeiter, die stellvertretend für alle 3500 Beschäftigten vors Werkstor an der Galvani-Straße gekommen waren, rund 400 rote Luftballons als Signal steigen ließen, checkten sie erst einmal die Windrichtung. Ob die Ballons denn auch richtig starten und sich den perfekten Weg in den tiefblauen Himmel bahnen können.
Viele der Mitarbeiter waren auch am Mittwoch noch von der Ankündigung der Mutter Airbus geschockt, wegen der Corona-Pandemie und der tiefen Krise in der Luftfahrtbranche 15 000 Stellen weltweit und davon rund 1000 beim Zulieferer Premium Aerotec am Standort Augsburg auf die Streichliste zu setzen. Franziska Berchtenbreiter am Rande der Kundgebung fasst die Stimmungslage so zusammen: „Viele von uns, vor allem auch die Jüngeren, haben Angst um ihre Jobs. Niemand weiß genau, wie es weitergehen wird. Aber wir lieben unsere Arbeit und wollen sie behalten.“Kollege Fabian Riedinger aus der Sonderteilefertigung denkt auch an die jetzigen Azubis. „Sie machen sich natürlich Sorgen, ob sie hier im Unternehmen überhaupt eine Zukunft haben“, sagt er. Ähnliche Gedanken bringen auch andere Mitarbeiter zur Sprache.
Die Unsicherheit ist auch der Tatsache geschuldet, dass es sich bei der am Montag kommunizierten Größenordnung für Augsburg nicht um einen harten Personalabbau handelt. Die Zahl beschreibt die Auslastungslücke bis Ende 2021. Heißt vereinfacht: Für rund 1000 Mitarbeiter am Premium-AerotecStandort in Augsburg gibt es den Berechnungen der Unternehmensleitung zufolge bis dahin keine Arbeit mehr. Ob aber ebenso viele Mitarbeiter das Unternehmen 2021 auch wirklich verlassen müssen, ist weiter ungewiss. Und genau hier haken die Arbeitnehmervertreter ein sehen ihre Chance für Verhandlungen, um Entlassungen noch zu verhindern.
Der Betriebsratsvorsitzende Sebastian Kunzendorf mahnt: „Wir müssen das Instrument der Kurzarbeit nutzen, solange es geht, und die Politik muss dazu gebracht werden, diese von bislang zwölf auf 24 Monate auszuweiten.“Die Kurzarbeit wäre ein wichtiger Schritt, um die Krise zu überstehen, ohne betriebsbedingt kündigen zu müssen. Dazu könnten staatlich unterstützte Forschungsaufträge, beispielsweise für Wasserstoff betriebene Flugzeuge, helfen, neue Aufträge zu generieren. Auch ein Vorziehen des Eurofighter-Programms – hier wird in Augsburg der Rumpfmittelteil für den Kampfjet gebaut – wäre eine Option. Hier sei jetzt die Politik gefragt.
Am Mittwochnachmittag kamen deshalb auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie und Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) nach Augsburg, um mit der Unternehmensführung zu sprechen. Die Arbeitnehmervertreter stehen auch in Kontakt zu Augsburger Bundestagsabgeordneten wie Volker Ullrich (CSU), der sagt: „Premium Aerotec ist weltweit einer der führenden Zulieferer für Airbus, an dem der Staat unmittelbar beteiligt ist. Der Staat kann dementsprechend helfen, den Stellenabbau zu verhindern, indem öffentliche Aufträge vorgezogen werden.“Dafür wolle er sich einsetzen.
Die Arbeitnehmervertreter wären bereit, über Themen wie Arbeitszeitanpassung, Altersteilzeit oder andere Möglichkeiten zu diskutieren. „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass wir es mit einem solchen Paket schaffen können, einen tatsächlichen Personalabbau zu verhindern“, ist Sebastian Kunzendorf überzeugt. Sollte dies nicht geund lingen, bliebe die Bedrohung eines großen Stellenabbaus bestehen und würde darüber hinaus die Zukunft von Premium Aerotec insgesamt gefährden.
Dass es so weit nicht kommt, hofft auch die Arbeitsmarktexpertin Elsa Koller-Knedlik. Sie leitet die Agentur für Arbeit in Augsburg. Denn würden aktuell viele Beschäftigte bei dem Luftfahrtzulieferer arbeitslos, so könnte der Arbeitsmarkt in Augsburger sie nicht so einfach aufnehmen wie vor der Corona-Krise. „Die ganze Branche steckt tief in der Krise. Die Chance, bei einem anderen Unternehmen aus der Luftund Raumfahrtbranche unterzukommen, ist daher gering“, sagt die Expertin. Allzu düster will sie das Bild aber auch nicht malen. Viele Gespräche mit Branchenvertretern und Berechnungen von Experten, die einen Aufschwung in der Luftfahrt für Ende 2021 oder Anfang 2022 erwarten, würden sie optimisWähler) tisch stimmen. „Wenn wir das als Grundlage nehmen, könnten wir diese Zeitspanne gut mit der Kurzarbeit überbrücken“, sagt die Chefin der Arbeitsagentur. „Diesbezüglich ist auch noch Luft nach oben.“Werde die Zeit zudem für die Qualifizierung von Mitarbeitern genutzt, könnte man den Neustart mit voller Kompetenz begleiten. Und Wissen würde am Standort gehalten. „Denn wenn die Branche wieder anzieht, brauchen die Firmen dieses Wissen wieder“, erklärt Koller-Knedlik, warum auch für sie die Kurzarbeit das Mittel der Wahl ist.
Für die Beschäftigten ruhen die Hoffnungen vor allem auf der Politik. „Ich hoffe, dass Herr Aiwanger bei der Bundesregierung Druck macht. In Sachen Kurzarbeit ebenso wie bei Forschungsaufträgen“, wünscht sich Patrick Winzker. Er ist 45 Jahre alt, Mitarbeiter in der Kunststoffabteilung – und will das auch bleiben.