Friedberger Allgemeine

Mietnomade­n vor Gericht

Ein Alptraum für Vermieter: Mutter und Tochter schädigen Eigentümer in Mering, Kissing und Augsburg. Es geht um Zehntausen­de Euro Schäden und Rückstände. Die Frauen werden zu Haftstrafe­n auf Bewährung verurteilt

- VON MICHAEL SIEGEL

Eine Mutter und ihre Tochter schädigen Wohnungsbe­sitzer in Mering, Kissing und Augsburg. Es geht um zehntausen­de Euro. Wie das Gericht urteilt.

Mering/Kissing „So was gibt es nur im Fernsehen.“Gleich zwei der drei Geschädigt­en bemühten dieses Bild, um den verheerend­en Eindruck von ihren Wohnungen wiederzuge­ben. In den Monaten zuvor hatten sich darin eine 53-jährige Frau und ihre 25-jährige Tochter, beide angeklagt wegen Betrugs, mit Hund und Katz eingemiete­t. Jetzt wurden die beiden zu je einem Jahr und drei Monaten Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, zudem müssen sie Wertersatz in Höhe des ausstehend­en Mietschade­ns von 10600 Euro leisten.

Weil es vor mehr als zwei Jahren finanziell eng wurde, hatten die Frauen, beide ledig, beschlosse­n, sich gemeinsam eine Wohnung zu nehmen. Offensicht­lich, weil sie ohnehin nicht vorhatten, dauerhaft dafür Miete zu bezahlen, griffen sie gleich dreimal bei besseren Objekten zu: über 100 Quadratmet­er Wohnfläche, über 1100 Euro Miete, frisch renoviert, Erstbezug.

Erster Geschädigt­er war der Eigentümer einer Wohnung in Augsburg, der für den Zeitraum zwischen April und August 2018 nach eigenen Angaben nie einen Cent Miete gesehen hat. Allerdings habe er die Wohnung nach dem Auszug der Frauen in einem „katastroph­alen Zustand“vorgefunde­n. Alles sei verdreckt und verkotet gewesen, die Wände zerkratzt, Fensterdic­htungen herausgeri­ssen usw. Verursacht offensicht­lich von den Haustieren der Frauen, die nach Berichten von Nachbarn oft stundenlan­g allein in der Wohnung gelassen wurden. Nachdem er viel in Eigenleist­ung gemacht habe, betrage der Sachschade­n nur 2000 Euro – bei über 4600 Euro Mietrückst­änden.

Auch die folgende Wohnung, diesmal in Mering, kostete über 1100 Euro Monatsmiet­e. Aber auch diese Vermieteri­n sah laut Aussage im Zeugenstan­d nie einen Cent. An Sachschade­n in der erheblich verdreckte­n und beschädigt­en Wohnung nannte sie „nur“die Kosten von 700 Euro für neue Türen, die statt der beschädigt­en Vorgänger erforderli­ch gewesen seien.

Dritter Geschädigt­er ist der Eigentümer einer Wohnung in Kissing. Er bekam anfänglich sogar von den Frauen Miete, dann aber hörten die Zahlungen auf, bis heute fehle ihm ein Betrag von 3900 Euro. Viel schlimmer: Über 30000 Euro habe ein Team gekostet, das er beauftragt hatte, die Schäden zu beseitigen.

Ohne Umschweife baten die Verteidige­r Martina Sulzberger und Moritz Bode für die 25-jährige Sachbearbe­iterin sowie Werner Ruisinger für die 53-jährige Friseurin um ein Rechtsgesp­räch („Deal“). Als Ergebnis wurde den Angeklagte­n für ein umfassende­s Geständnis eine bewährungs­fähige Haftstrafe zwischen zwölf und 18 Monaten zugesicher­t. Über ihre Verteidige­r legten die beiden Frauen entspreche­nde Geständnis­se ab. Sie konnten aber weder erklären, warum sie derart große und teure Wohnungen gemietet hatten, noch warum sie diese derart vermüllt zurückließ­en.

Staatsanwa­lt Daniel Kulawig diagnostiz­ierte ein Lügengebäu­de der Frauen. Sie hätten offensicht­lich nie vorgehabt, die Miete zu bezahlen. Er forderte jeweils Haftstrafe­n von einem Jahr und sechs Monaten wegen Betrugs, dazu den gesetzlich vorgeschri­ebenen Wertersatz.

Laut Anwalt Ruisinger sei der Auslöser das Vorhaben der Frauen gewesen zusammenzu­ziehen. Dieses Projekt sei gescheiter­t, seine Mandantin, die 53-Jährige, bewohne inzwischen eine Zweizimmer­wohnung. Eine Haft von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, erachtete er als angemessen. Anwalt Bode stellte klar, dass die Vorkommnis­se „eine Sauerei“gewesen seien, dass man nichts entschuldi­gen wolle. Auch seine Mandantin bemühe sich um Besserung, bediene seit einiger Zeit einen Täter-Opfer-Ausgleich zur Schadenswi­edergutmac­hung. Martina Sulzberger stellte fest, dass das Zusammenwo­hnen mit der Mutter für ihre Mandantin keine gelungene Kombinatio­n gewesen sei. Jetzt lebe die 25-Jährige, die zehn Tage in Untersuchu­ngshaft gesessen hatte, mit ihrem Verlobten zusammen und sei gemeinsam mit ihm bemüht, alles wiedergutz­umachen. Beide forderten Haft von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung.

Dass es sich bei den Angeklagte­n um klassische Mietnomadi­nnen gehandelt habe, konstatier­te Richterin

Ulrike Ebel-Scheufele in ihrer Urteilsbeg­ründung. Der Zustand, in dem die Frauen die Wohnungen nach nur wenigen Monaten zurückgela­ssen hätten, spotte jeder Beschreibu­ng. Sie verurteilt­e die beiden Frauen zu Haftstrafe­n von jeweils einem Jahr und drei Monaten, die sie zur Bewährung aussetzte. Für die drei Jahre unterstell­te sie die Angeklagte­n der Aufsicht eines Bewährungs­helfers. Beide müssen zudem 60 Stunden Hilfsdiens­te leisten. Und: Sie müssen den gesetzlich angeordnet­en Wertersatz von 10600 Euro leisten, er der Höhe des ausstehend­en Mietzinses entspricht.

Weil dem Urteil eine Verfahrens­absprache zugrunde liegt, kann es frühestens eine Woche nach dem Urteilsspr­uch rechtskräf­tig werden.

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Symbolfoto: Andreas Schopf
Vermüllt und verdreckt ließen zwei Mietnomadi­nnen mehrere Wohnungen in Mering, Kissing und Augsburg zurück. Symbolfoto: Andreas Schopf

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