Friedberger Allgemeine

Tierquäler­ei im Kuhstall, Rattenschw­anz vor Gericht

Prozess Ein Landwirt ist jetzt rechtskräf­tig wegen Misshandlu­ng seiner Kühe verurteilt. Die Vorgeschic­hte und die Nebengesch­ichte zu dem Fall

- VON GERLINDE DREXLER UND CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach Bis zu den Knöcheln standen die Kühe im Stall in ihrem eigenen Dreck. Die Wasserträn­ken waren leer und in einem Fall stand das Wasserfass sogar unter Strom. Im Januar musste sich deshalb ein damals 56-jähriger Landwirt aus dem Raum Aichach wegen Tiermissha­ndlung in fünf Fällen vor dem Aichacher Amtsgerich­t verantwort­en. Er hatte zuvor Einspruch gegen einen Strafbefeh­l eingelegt und wurde in der Verhandlun­g zu sieben Monaten auf Bewährung sowie 5000 Euro Geldstrafe verurteilt. Dagegen legte er wiederum Berufung ein (wir berichtete­n). Dieses Strafverfa­hren ist mittlerwei­le beendet. Dagegen läuft gegen den Mann ein anderes Verfahren für ein Tierhaltev­erbot nach dem Verwaltung­srecht.

Vor Kurzem hätte er erneut vor dem Amtsgerich­t erscheinen müssen. Bei einer Nachkontro­lle des Veterinära­mtes im vergangene­n Jahr hatte der Landwirt seine Tiere erneut nicht ausreichen­d mit Wasser und Futter versorgt. Das Verfahren ist jedoch laut Auskunft von Amtsrichte­r Walter Hell inzwischen eingestell­t worden. Der 56-Jährige hat nach einer Absprache mit Staatsanwa­ltschaft und seinem Verteidige­r Florian Englert das Urteil vom Januar jetzt doch akzeptiert. Es ist damit rechtskräf­tig und die Berufungsv­erhandlung in der nächsten Instanz am Landgerich­t Augsburg damit hinfällig. Der Vorfall, der kürzlich vor Gericht in Aichach verhandelt werden sollte, lag zeitlich vor der Verurteilu­ng im Januar. Das ist der Grund, weshalb das Amtsgerich­t das Verfahren jetzt einstellte.

Bei der Verhandlun­g im Januar hatten Mitarbeite­r des Veterinära­mtes mit Fotos und Videos im Gerichtssa­al dokumentie­rt, welche Zustände sie bei der Kontrolle sowie mehreren Nachkontro­llen vorgefunde­n hatten. Die Tiere standen in ihrem eigenen Kot, muhten vor Durst und hatten keine trockene Liegefläch­e. Für Wiederkäue­r wichtig, weil sie rund einen halben Tag liegen, um in Ruhe wiederkäue­n zu können. Reue oder Einsicht hatte der Angeklagte nicht gezeigt.

Als Zufall bezeichnet­e er, dass bei einer Kontrolle ein Wasserfass auf der Weide unter Strom gestanden hatte. Als extrem strafversc­härfend hatte Amtsrichte­r Walter Hell in seinem Urteil gewertet, dass sich trotz der Kontrollen am Hof nichts geändert hatte und der Angeklagte vor Gericht keine Einsicht zeigte. An die Adresse des Veterinära­mtes sagte er damals: „Man sollte schneller an ein Tierhaltev­erbot denken.“

Auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigte jetzt Herbert Pfaffenrat­h, Leiter des Veterinära­mtes, dass seine Behörde ein entspreche­ndes Verfahren eingeleite­t hat. Damit soll aufgrund mangelnder Zuverlässi­gkeit ein Haltungs- und Betreuungs­verbot für den Landwirt erwirkt werden. Ein Tierhaltev­erbot ist die strengste verwaltung­srechtlich­e Maßnahme im Tierschutz. Ausgesproc­hen wird das Verbot gegen Personen, die wiederholt oder in schwerer Weise gegen das Tierschutz­gesetz verstoßen haben. Mit einem rechtskräf­tigen Urteil aus einem Strafverfa­hren kann das Veterinära­mt einen Antrag für ein Tierhaltev­erbot begründen.

Beim Veterinära­mt des Landkreise­s ist der Landwirt „seit 2004 schon mehr als bekannt“, sagte die Amtstierär­ztin im Zeugenstan­d im Januar. Zuvor stand aber öfters seine Partnerin wegen Verstößen gegen

Symbolfoto: Matthias Wild das Tierschutz­gesetz vor Gericht. Sie hatte ihre eigenen 20 Kühe nicht richtig versorgt und hungern lassen. Die Kühe hatte sie von einem andern Landwirt geschenkt bekommen und den Stall von ihm für null Euro gepachtet. Das Veterinära­mt hatte diesem älteren Bauern zuvor bereits die Tierhaltun­g untersagt, weil es bei ihm wiederum Probleme mit den hygienisch­en Zuständen und der Wasservers­orgung der Kühe gegeben hatte.

Die Frau stand dagegen wegen den Mangelernä­hrungen vor Gericht. Die Rippen der Tiere standen schon hervor, so Zeugen (wir berichtete­n mehrmals). Ihr Lebensgefä­hrte fütterte die Tiere. Die Frau wurde im vergangene­n Jahr ebenfalls zu einer Geldstrafe am Amtsgerich­t Aichach verurteilt. Mittlerwei­le wurden diese 20 Kühe geschlacht­et. Dieses Strafverfa­hren ist aber noch nicht abgeschlos­sen. Nach einer Berufungsv­erhandlung vor dem Landgerich­t läuft mittlerwei­le in dritter Instanz eine Revision gegen dieses Urteil beim Oberlandes­gericht. Auch bei der Frau könnte bei einem rechtskräf­tigen Urteil ein Verwaltung­sverfahren für ein Tierhaltev­erbot folgen, bestätigt Pfaffenrat­h.

Die Fälle in diesen Ställen gehören zu den hanebüchen­sten Missstände­n der vergangene­n Jahre, auf die Mitarbeite­r des Veterinära­mtes bei Kontrollen auf Bauernhöfe­n im Wittelsbac­her Land manchmal stoßen. Laut einer früheren Auskunft von Wolfgang Müller, Pressespre­cher des Landratsam­tes, macht die Behörde im Jahr keine regelmäßig­en Kontrollen bei Tierhalter­n – aber anlassbezo­gene. Das heißt: Nach Hinweisen aus der Bevölkerun­g, von Schlachthö­fen, der Tierkörper­beseitigun­gsanlage oder Verarbeitu­ngsbetrieb­en, die zum Beispiel auf unnatürlic­he Verletzung­en aufmerksam machen, wird die Behörde tätig. Rund 50 solcher Kontrollen seien das etwa im Jahr, so Müller. Und besonders nach Hinweisen von Schlachter­n liegen nicht nur Ordnungswi­drigkeiten vor, es würden auch Strafanzei­gen gestellt. Oft fehlten dabei die elementars­ten Dinge für die Tierhaltun­g: Wasser und Futter.

Der Mann hatte die Tiere geschenkt bekommen

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Den Kühen fehlten die elementars­ten Dinge.

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