Tierquälerei im Kuhstall, Rattenschwanz vor Gericht
Prozess Ein Landwirt ist jetzt rechtskräftig wegen Misshandlung seiner Kühe verurteilt. Die Vorgeschichte und die Nebengeschichte zu dem Fall
Aichach Bis zu den Knöcheln standen die Kühe im Stall in ihrem eigenen Dreck. Die Wassertränken waren leer und in einem Fall stand das Wasserfass sogar unter Strom. Im Januar musste sich deshalb ein damals 56-jähriger Landwirt aus dem Raum Aichach wegen Tiermisshandlung in fünf Fällen vor dem Aichacher Amtsgericht verantworten. Er hatte zuvor Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt und wurde in der Verhandlung zu sieben Monaten auf Bewährung sowie 5000 Euro Geldstrafe verurteilt. Dagegen legte er wiederum Berufung ein (wir berichteten). Dieses Strafverfahren ist mittlerweile beendet. Dagegen läuft gegen den Mann ein anderes Verfahren für ein Tierhalteverbot nach dem Verwaltungsrecht.
Vor Kurzem hätte er erneut vor dem Amtsgericht erscheinen müssen. Bei einer Nachkontrolle des Veterinäramtes im vergangenen Jahr hatte der Landwirt seine Tiere erneut nicht ausreichend mit Wasser und Futter versorgt. Das Verfahren ist jedoch laut Auskunft von Amtsrichter Walter Hell inzwischen eingestellt worden. Der 56-Jährige hat nach einer Absprache mit Staatsanwaltschaft und seinem Verteidiger Florian Englert das Urteil vom Januar jetzt doch akzeptiert. Es ist damit rechtskräftig und die Berufungsverhandlung in der nächsten Instanz am Landgericht Augsburg damit hinfällig. Der Vorfall, der kürzlich vor Gericht in Aichach verhandelt werden sollte, lag zeitlich vor der Verurteilung im Januar. Das ist der Grund, weshalb das Amtsgericht das Verfahren jetzt einstellte.
Bei der Verhandlung im Januar hatten Mitarbeiter des Veterinäramtes mit Fotos und Videos im Gerichtssaal dokumentiert, welche Zustände sie bei der Kontrolle sowie mehreren Nachkontrollen vorgefunden hatten. Die Tiere standen in ihrem eigenen Kot, muhten vor Durst und hatten keine trockene Liegefläche. Für Wiederkäuer wichtig, weil sie rund einen halben Tag liegen, um in Ruhe wiederkäuen zu können. Reue oder Einsicht hatte der Angeklagte nicht gezeigt.
Als Zufall bezeichnete er, dass bei einer Kontrolle ein Wasserfass auf der Weide unter Strom gestanden hatte. Als extrem strafverschärfend hatte Amtsrichter Walter Hell in seinem Urteil gewertet, dass sich trotz der Kontrollen am Hof nichts geändert hatte und der Angeklagte vor Gericht keine Einsicht zeigte. An die Adresse des Veterinäramtes sagte er damals: „Man sollte schneller an ein Tierhalteverbot denken.“
Auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigte jetzt Herbert Pfaffenrath, Leiter des Veterinäramtes, dass seine Behörde ein entsprechendes Verfahren eingeleitet hat. Damit soll aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit ein Haltungs- und Betreuungsverbot für den Landwirt erwirkt werden. Ein Tierhalteverbot ist die strengste verwaltungsrechtliche Maßnahme im Tierschutz. Ausgesprochen wird das Verbot gegen Personen, die wiederholt oder in schwerer Weise gegen das Tierschutzgesetz verstoßen haben. Mit einem rechtskräftigen Urteil aus einem Strafverfahren kann das Veterinäramt einen Antrag für ein Tierhalteverbot begründen.
Beim Veterinäramt des Landkreises ist der Landwirt „seit 2004 schon mehr als bekannt“, sagte die Amtstierärztin im Zeugenstand im Januar. Zuvor stand aber öfters seine Partnerin wegen Verstößen gegen
Symbolfoto: Matthias Wild das Tierschutzgesetz vor Gericht. Sie hatte ihre eigenen 20 Kühe nicht richtig versorgt und hungern lassen. Die Kühe hatte sie von einem andern Landwirt geschenkt bekommen und den Stall von ihm für null Euro gepachtet. Das Veterinäramt hatte diesem älteren Bauern zuvor bereits die Tierhaltung untersagt, weil es bei ihm wiederum Probleme mit den hygienischen Zuständen und der Wasserversorgung der Kühe gegeben hatte.
Die Frau stand dagegen wegen den Mangelernährungen vor Gericht. Die Rippen der Tiere standen schon hervor, so Zeugen (wir berichteten mehrmals). Ihr Lebensgefährte fütterte die Tiere. Die Frau wurde im vergangenen Jahr ebenfalls zu einer Geldstrafe am Amtsgericht Aichach verurteilt. Mittlerweile wurden diese 20 Kühe geschlachtet. Dieses Strafverfahren ist aber noch nicht abgeschlossen. Nach einer Berufungsverhandlung vor dem Landgericht läuft mittlerweile in dritter Instanz eine Revision gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht. Auch bei der Frau könnte bei einem rechtskräftigen Urteil ein Verwaltungsverfahren für ein Tierhalteverbot folgen, bestätigt Pfaffenrath.
Die Fälle in diesen Ställen gehören zu den hanebüchensten Missständen der vergangenen Jahre, auf die Mitarbeiter des Veterinäramtes bei Kontrollen auf Bauernhöfen im Wittelsbacher Land manchmal stoßen. Laut einer früheren Auskunft von Wolfgang Müller, Pressesprecher des Landratsamtes, macht die Behörde im Jahr keine regelmäßigen Kontrollen bei Tierhaltern – aber anlassbezogene. Das heißt: Nach Hinweisen aus der Bevölkerung, von Schlachthöfen, der Tierkörperbeseitigungsanlage oder Verarbeitungsbetrieben, die zum Beispiel auf unnatürliche Verletzungen aufmerksam machen, wird die Behörde tätig. Rund 50 solcher Kontrollen seien das etwa im Jahr, so Müller. Und besonders nach Hinweisen von Schlachtern liegen nicht nur Ordnungswidrigkeiten vor, es würden auch Strafanzeigen gestellt. Oft fehlten dabei die elementarsten Dinge für die Tierhaltung: Wasser und Futter.
Der Mann hatte die Tiere geschenkt bekommen