Franziska Giffey will Berlin regieren
Die Hauptstadt-SPD setzt ungeachtet der Debatte um den Doktortitel der Bundesfamilienministerin auf ihre Hoffnungsträgerin und stärkt sie mit einem guten Wahlergebnis
Berlin Franziska Giffey, 42, will in Berlin Regierende Bürgermeisterin werden. Kurz nachdem die Hauptstadt-SPD die Bundesfamilienministerin zusammen mit Fraktionschef Raed Saleh zur neuen Doppelspitze erkoren hatte, erklärte sie sich zur Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhaus-Wahl im Herbst 2021 bereit. Allerdings liegen auf dem Weg ins Rote Rathaus, wo derzeit SPD-Mann Michael Müller mit Linken und Grünen regiert, etliche Stolpersteine.
Denn die Strahlefrau gilt zwar als Hoffnungsträgerin, der viele zutrauen, die SPD aus ihrem Umfragetief zu führen. Aber in die Zuversicht – „Det wird jut“, zeigten sich Giffey und Saleh in Berliner Mundart gut gelaunt – mischen sich auch Sorgen, seit Giffeys Doktortitel und die Plagiatsvorwürfe für neue Diskussionen sorgen. Schadet das ihrer Glaubwürdigkeit? Bremst das die SPD im Wahlkampf? Eigentlich schien das Thema erledigt. Die Freie Universität Berlin (FU) entschied im Herbst 2019, Giffey dürfe ihren Doktortitel behalten, erteilte ihr aber wegen Mängeln in der Arbeit eine Rüge. Jüngst kündigte die FU nach Kritik und einem weiteren Gutachten eine neue Prüfung bis Ende Februar an. Darauf verkündete Giffey, ihren Doktortitel nicht mehr führen zu wollen.
Das Prüfverfahren macht also Giffeys Start in die Landespolitik nicht einfacher. Die Opposition dürfte sich nicht nehmen lassen, permanent auf dem Thema Doktortitel herumzureiten. Und so war die Wahl zur Co-Vorsitzenden mit einem guten Ergebnis von fast 90 Prozent zwar ein wichtiger Schritt für ihre neue Karriere auf Landesebene, aber die Herausforderungen kommen erst noch. Aus SPD-Kreisen war zu hören, dass es durchaus Kritik an Giffey und ihrer Spitzenkandidatur gibt. Die Mehrheit sehe das aber anders – schon weil es an überzeugenden Alternativen fehle. „Wenn wir sie absägen, dann können wir einpacken“, sagt ein prominentes SPD-Mitglied.
Manche der Parteilinken, die in Berlin eine größere Rolle spielen als in anderen Landesverbänden, denken bei Giffey allerdings immer gleich an Heinz Buschkowsky. Der hemdsärmelige Neuköllner Bürgermeister machte gerne auf harten Hund und weniger auf linken Sozi. Er gilt als Giffeys politischer Ziehvater. Manche ihrer Äußerungen etwa zur öffentlichen Sicherheit erinnern an den Law-and-OrderFreund
aus Neukölln, dem Giffey im Amt folgte. Das gefällt nicht jedem. Auch wenn sie gleichzeitig betont, soziale Gerechtigkeit sei eine SPD-Kernkompetenz: Auf Zustimmung von links kann Giffey auch als neue Co-Chefin nicht in jedem Fall setzen. Aber die Mehrheit steht wohl hinter ihr. Dass sie ihren Doktor verlieren könnte, gilt unter Berliner Sozis, egal aus welchem Spektrum, allenfalls als Schönheitsfehler. Das Motto der Berliner SPD lautet: Augen zu und durch – das letzte Wort habe schließlich der Wähler.
Giffey versicherte den Genossen: „Ihr könnt euch auf mich verlassen, egal, was kommt. Ich bin für euch da, wir sind für euch da.“Und das soll wohl heißen: Die Spitzenkandidatur hat für sie nichts mit der möglichen Aberkennung des Doktortitels zu tun. Giffey setzte in ihrer Online-Parteitagsrede am Freitagabend im eleganten roten Kleid auf Emotionen: „Zupacken“, „Ärmel hochkrempeln“, „sich kümmern“.