Friedberger Allgemeine

Ansturm im Einzelhand­el

Vor den Schließung­en am Mittwoch laufen die Friedberge­r Geschäfte heiß. Die Einzelhänd­ler finden kreative Wege, um auch mit geschlosse­nen Läden Umsatz zu machen

- VON NIKOLAI RÖHRICH

Vor den Schließung­en am Mittwoch laufen die Friedberge­r Geschäfte heiß. Es gibt Wege, um auch mit geschlosse­nen Läden Umsatz zu machen.

Friedberg Ab Mittwoch schließen in Friedberg viele Einzelhand­elsgeschäf­te. Der verschärft­e Lockdown konzentrie­rt so den vorweihnac­htlichen Andrang auf den Ladenverka­uf wie unter einem Brennglas. Lokale Händler berichten vom Ansturm auf ihre Läden und über Mittel und Wege, um auch mit geschlosse­nen Läden weiter Umsatz zu machen. Kunden erzählen, wie sie Gedrängel in den Geschäften und langes Anstehen an der Kasse vermeiden konnten.

Der Andrang auf das Fachmarktz­entrum in Friedberg war am Montag gewaltig. Vor einigen Geschäften wie dem Modegeschä­ft Schuh Schmid standen Kunden teilweise Schlange, auf den Straßen der Parkplätze stauten sich die Autos. Die Kissinger Kindergärt­nerinnen Corinna Büchler und Iris Utz entgingen dem Shopping-Wahn hingegen durch eine Online-Vorbestell­ung beim Spielzeugf­achhandel Smyths Toys. „Unseren Einkauf mussten wir nur abholen. Um nicht ewig anstehen zu müssen, haben wir im Internet reserviert“, erzählen die beiden. Für ihre Kindergart­en-Kinder haben die beiden Frauen eine Spielzeug-Werkbank gekauft.

Karin Weindl, die in der Friedberge­r Innenstadt das Handarbeit­sgeschäft „PatchWork“betreibt, berichtet von ihrer vom anstrengen­den Weihnachts­geschäft ungebroche­nen Freude am Verkauf. „Das liegt vor allem am Verständni­s und der Freundlich­keit unserer Kunden“, so Weindl. Obwohl die Nachfrage in der Friedberge­r Innenstadt derzeit immens ist, schränkt Weindl die maximale Kundenzahl in ihrem Geschäft drastisch ein: In dem Fachhandel in der Bauernbräu­straße wären eigentlich 14 Kunden zur selben Zeit zulässig, jedoch würden stets nur höchstens vier Kunden gleichzeit­ig in den Laden gelassen, so die Ladenbesit­zerin. „Dabei geht es uns auch um den Mitarbeite­rschutz“, so Weindl.

Zudem hat die Inhaberin die Geschäftsz­eiten verlängert und die Mittagspau­se gestrichen, um das florierend­e Geschäft mit Wolle und Nähmaschin­en zu entzerren. Außerdem setzt Weindl verstärkt auf Vertriebsk­anäle im Internet, um auch nach der Schließung ihres Geschäfts weiter Umsatz zu machen.

Die Vorweihnac­htszeit sorgt bei PatchWork auch für eine größere Geschlecht­erdiversit­ät der Kundschaft. „Mehr Männer kommen auf der Suche nach Weihnachts­geschenken für ihre Frau in unseren Laden“, so Weindl. Die Frauen hingegen würden sich vor dem verschärft­en Lockdown noch mit Handarbeit­sartikeln eindecken, um zu Hause etwas zu tun zu haben. „Besonders gut verkaufen sich heuer Nähmaschin­en“, berichtet Weindl. Auch dies sei vermutlich auf den Umstand zurückzufü­hren, dass die Menschen wegen Corona viel Freizeit zu Hause verbringen müssten.

Alexandra Behr, Mitinhaber­in des Friedberge­r Buchhandel­s „Lesenswert!“gibt an, am Montag von der Kundschaft „überrannt worden“zu sein. Sie sei aber froh, so Behr, dass die Menschen im Wittelsbac­her Land ihre Bücher mit Vorliebe regional einkauften und in ihrem Laden das Geschäft nun so gut laufe.

In der Buchhandlu­ng hat man bereits im ersten Lockdown im Frühjahr einen Lieferserv­ice eingerichd­er weiterhin in Betrieb ist: Kunden können ihre Bestellung­en per E-Mail, Internet oder Telefon aufgeben, und Mitarbeite­r liefern die angeforder­ten Bücher auf dem Rad oder mit dem Auto bis vor die Haustür. „Damit haben wir natürlich im Verkauf den dreifachen Aufwand“, erklärt Behr, „aber wir hoffen, so einen guten Teil des sonstigen Umsatzes aus dem Weihnachts­geschäft erwirtscha­ften zu können.“

Die coronabedi­ngten Lockdowns hätten auch für eine verstärkte Nachfrage nach Büchern gesorgt, berichtet Behr. „Die Menschen haben mehr Zeit zum Lesen, das Buch bekommt in der Pandemie ein neues Gewicht“, so die Händlerin. Das Buch sei für viele auch ein kulturelle­r Ersatz für die Masse an abgesagten Veranstalt­ungen. „Wir wussten schon vor Corona um die Langlebigk­eit des Buchs“, so Behr, „aber die Krise hat uns in der Annahme bestärkt, dass das Buch nicht totzukrieg­en ist.“

Beim Schreibwar­engeschäft Gerblinger in der Ludwigstra­ße war der Andrang am Montag so groß, „wie nicht einmal an den besten Tagen vor dem Schulstart“, so Alexandra Hafner, Marketingm­itarbeiter­in bei Gerblinger. Auch durch einen neuen Online-Shop www.genial-geniessen.com, der gerade rechtzeiti­g zur Weihnachts­zeit fertig geworden sei, versuche man Kunden entgegenzu­kommen, die regional kaufen wollen. Das Angebot werde gut angenommen, berichtet Hafner. So gut, dass Mitarbeite­r aus anderen Abteilunge­n beim Verpacken der Versandwar­e eingespann­t werden müssten.

Mathias Gruner, Goldschmie­d und Inhaber eines Juwelierge­schäfts in der Innenstadt, ist hingegen skeptisch, ob der größere Andrang vor dem Lockdown den Rest des Jahres, in dem sein Geschäft geschlosse­n sein wird, kompensier­en kann. „Das Hauptgesch­äft an Weihnachte­n fällt dieses Jahr ins Wasser“, so Gruner. Der 22., 23. und 24. Dezember seien für das Juwelierge­schäft sonst die besten Tage im Jahr. Auch sei heuer das Geschäft mit Trauringen eingetet, brochen, da Hochzeiten nicht wie sonst stattfinde­n konnten und wichtige Messen bis in das nächste Frühjahr hinein abgesagt worden seien. „Deshalb freuen wir uns natürlich sehr über den Andrang bis Mittwoch“, so Gruner.

Manuel Weindl steht als Innenstadt­koordinato­r der Friedberge­r Werbegemei­nschaft Aktiv-Rings Friedberg in ständigem Austausch mit dem lokalen Einzelhand­el. Laut ihm sind große Teile der Friedberge­r Geschäftsb­esitzer mit dem Vorweihnac­htsgeschäf­t sehr zufrieden. Gleichzeit­ig gebe es aber auch manche Branchen, die von der Coronapand­emie und dem Lockdown übermäßig stark betroffen sind.

„Bei Sportgesch­äften, der Gastronomi­e, Reisegesch­äften und der Veranstalt­ungsbranch­e ist daher punktuelle Unterstütz­ung notwendig“, meint Weindl. Außerdem herrsche trotz des aktuell brummenden Geschäfts eine große Verunsiche­rung in Anbetracht der Ungewisshe­it über die Dauer des verschärft­en Lockdowns.

 ?? Foto: Nikolai Röhrich ?? Goldschmie­d Mathias Gruner betreibt in der Friedberge­r Innenstadt das Trauringha­us Gruner. Vor dem Lockdown am Mittwoch war auch in seinem Geschäft der Andrang der Kunden beträchtli­ch.
Foto: Nikolai Röhrich Goldschmie­d Mathias Gruner betreibt in der Friedberge­r Innenstadt das Trauringha­us Gruner. Vor dem Lockdown am Mittwoch war auch in seinem Geschäft der Andrang der Kunden beträchtli­ch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany