Friedberger Allgemeine

Sexspiele am Derchinger Baggersee: Was das Opfer sagt

Im Vergewalti­gungsproze­ss vor dem Aichacher Schöffenge­richt berichtet eine 21-jährige Frau von dem nächtliche­n Treffen. Der Täter kommt gerade noch um eine Haftstrafe herum

- VON MICHAEL SIEGEL

Derching Im Prozess um eine Vergewalti­gung am Derchinger Baggersee kam am zweiten Verhandlun­gstag das Opfer zu Wort. Richter Walter Hell sieht die Aussage der Frau als glaubwürdi­g an und erkennt doch mildernde Umstände.

Weil das Schöffenge­richt des Aichacher Amtsgerich­ts keinen Regelfall einer Vergewalti­gung erkannte, verurteilt­e es den jungen Angeklagte­n „nur“zu einem Jahr und zehn Monaten Freiheitss­trafe und setzte diese zur Bewährung aus. Außerdem muss der Angeklagte 4000 Euro Geldbuße bezahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Im Mittelpunk­t des zweiten Verhandlun­gstags stand die Zeugenauss­age der 21-jährigen Geschädigt­en. Sie bestätigte zunächst im Wesentlich­en, was schon der 23-jährige Angeklagte am ersten Verhandlun­gstag geschilder­t hatte. Beide jungen Leute hatten sich auf einer einschlägi­gen Internet-Partnerbör­se kennengele­rnt. Bald darauf kam es zwischen dem Mann aus dem Landkreis

Augsburg und der Frau aus Neuburg-Schrobenha­usen zu einem ersten persönlich­en Treffen.

Beim zweiten Mal, dem Tattag im Juni 2020, war der Angeklagte mit seinem Campingmob­il an den Derchinger Baggersee gekommen. Beide hatten sich vorab verständig­t, Sexspielze­ug von zu Hause mitzubring­en, eventuell auch um es auszuprobi­eren. Man habe – bereits nach Mitternach­t – einvernehm­lich gekuschelt und sich geküsst im Wohnmobil, so die junge Frau. Nach ihrer Meinung hatte sie ihrem Freund klargemach­t, dass sie auf eine Beziehung mit ihm aus gewesen sei, nicht aber auf schnellen Sex.

Als er nach und nach zur Sache habe kommen wollen, habe sie mehrfach zu erkennen gegeben, dass sie das nicht wolle. Dennoch sei es zum Einführen seiner Finger sowie eines Dildos gekommen. Sie sei wie gelähmt gewesen, weinte die Frau im Zeugenstan­d, weil sie schmerzlic­h an ihre nicht erfreulich­e vergangene Beziehung erinnert worden sei. Erst nach einiger Zeit habe sie die Kraft gefunden, den 23-Jährigen wegzustoße­n, sich anzuziehen und aus dem Camper zu verschwind­en. Anschließe­nd habe sie sich im Gebüsch versteckt, um nicht entdeckt zu werden. Es kam zu einer HandyKommu­nikation, bevor der Angeklagte mit seinem Wagen fortfuhr. Dann habe sie sich zu ihrem Auto getraut und sei nach Hause gefahren. Die Frau berichtete dem Gericht auch über die Umstände der späteren Anzeigener­stattung. So habe sie einige Zeit nach dem Vorfall am See Kontakt zur damaligen Lebensgefä­hrtin des Angeklagte­n, der Mutter seines kleinen Kindes, aufgenomme­n und diese besucht. Dabei seien die beiden Frauen zu einem Verkehrsun­fall gekommen, an dem der Angeklagte mit seinem Auto beteiligt war. Beide Frauen wurden von der Polizei vernommen, dabei kam eher nebenbei die Angelegenh­eit am Baggersee zur Sprache. Daraufhin sei von der Polizei ein Verfahren gegen den 23-Jährigen eingeleite­t worden.

Staatsanwa­lt Marius Lindig forderte eine Freiheitss­trafe von drei Jahren. Er erkenne keine Zweifel an der Aussage der Geschädigt­en, die keinen Belastungs­eifer gegenüber dem Angeklagte­n gezeigt habe. Vielmehr, so Lindig, habe der Mann versucht, sein Fehlverhal­ten schönzured­en. Ganz anders sah dies Verteidige­r Bernd Scharinger, der auf Freispruch für seinen Mandanten plädierte. Bei dem 23-Jährigen habe jeder Vorsatz zu einer Straftat gefehlt. Er sei durch das Verhalten der Frau zu einer Fehldeutun­g veranlasst worden. Und er habe letztendli­ch von ihr abgelassen, als ihr Nein deutlich geworden sei.

Vorsitzend­er Richter Walter Hell ordnete in seiner Begründung den Urteilsspr­uch ein: Noch bis November 2016 hätte der Mann wohl überhaupt keine Strafe erhalten, weil sein Tun nicht als Vergewalti­gung gewertet worden wäre. Seit der mit „Nein heißt Nein“titulierte­n Gesetzesän­derung liege die Sache anders und der 23-Jährige wäre eingesperr­t worden.

Richter Hell erklärte jedoch, dass das Gericht aufgrund der Aussagen der geschädigt­en 21-Jährigen sowie des angeklagte­n 23-Jährigen keinen Regelfall einer Vergewalti­gung erkannt habe. Es habe keine massive Gewaltanwe­ndung gegeben, es habe keine Bedrohungs­situation vorgelegen. Es sei vielmehr von Anfang an auch vonseiten der Frau das Einverstän­dnis zu körperlich­en Kontakten zu erkennen gewesen. Die Frau habe, als er mehr zur Sache habe gehen wollte, Nein gesagt – und der Mann habe dieses Nein nach eigener Aussage wahrgenomm­en, gehört und verstanden.

Hat er dieses Nein fehlinterp­retiert in der Einschätzu­ng, dass die Frau eigentlich doch habe erobert werden wollen, ohne eine zu leichte Beute zu sein? Er hätte laut Richterspr­uch frühzeitig von ihr ablassen müssen. wesen.

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