Schlussakkord für einen Traditionsbetrieb
Wirtschaft Instrumentenbauer Bernd Dorfner schließt nach über 40 Jahren seine Werkstatt in Oberhausen. Er hat sogar Instrumente erfunden und außergewöhnliche Wünsche erfüllt
Noch hoffen Bernd und Wilhelmina Dorfner auf ein Wunder, um einen Nachfolger für ihr Geschäft zu finden. Seit fast 45 Jahren betreiben die beiden ihren Laden mit Werkstatt für Blechblasinstrumente in Oberhausen. Nun müssen sie ihn Ende des Jahres aus gesundheitlichen Gründen schließen.
Während Dorfner erzählt, wie schwierig die Suche nach einem Nachfolger ist, sitzt er an einer großen Werkbank in der Mitte seiner Werkstatt und arbeitet an einer 100 Jahre alten Trompete. An den Wänden hängen Zangen, Feilen und andere Werkzeuge. Blechblasinstrumente aller Art und in jeder Größe umgeben ihn. Er scheint sich hier sichtlich wohl zu fühlen. Durch das große Fenster können ihm Passanten von draußen beim Arbeiten zusehen, aber das störe ihn nicht, „die Leute können gern zuschauen“.
Dabei war zu Beginn alles andere als klar, dass er einmal in seinem Beruf so aufgehen würde, denn nach seiner dreijährigen Ausbildung arbeitete er zunächst an einer Tankstelle und bei einem Abschleppdienst. Er sei sich noch nicht sicher gewesen, ob Instrumentenbauer der richtige Beruf für ihn ist.
Dabei war er extra für die Ausbildung von Salzburg nach Augsburg gezogen. Sein Vater war Professor am Mozarteum und hatte Kontakte zum Instrumentenbauer Kurt Scherzer in Augsburg, der damals einen guten Ruf für sein Handwerk genoss. Dorfner absolvierte dort seine Ausbildung zum Metallblasinstrumentenund Schlagzeugmacher. Dass er mit 15 Jahren von seiner Familie in Salzburg getrennt lebte, bereitete ihm keine Probleme: „Als junger Kerl fällt einem so etwas nicht schwer.“
1976 gründete er schließlich gemeinsam mit seiner Frau Wilhelmina das Geschäft in der Grabenstraße. Die beiden hatten sich auf einer Reise von Dorfners Kapelle kennengelernt. Er spielte damals Trompete und war Teil der Jugendkapelle Gersthofen, die regelmäßig Reisen in viele Ländern unternahm, damit junge Menschen gemeinsam Musik machen konnten. Auf einer Reise durch die Niederlande traf Dorfner seine Frau auf einem Bayrischen Abend – „und die musste es dann sein“, erzählt er schmunzelnd.
Während der 78-Jährige berichtet, kommt ein Stammkunde in den Laden. Thomas Stuhler, Musiklehrer in Augsburg, lässt seine Instrumente seit 25 Jahren hier reparieren. „Ich bin wirklich schockiert, dass ihr schließt“, sagt der 55-Jährige. Für ihn hat Dorfner einmal ein eigenes Instrument angefertigt, eine so gennante Hoch-Es-Trompete. In seiner mehr als 40-jährigen Laufbahn hat Dorfner sogar ein Instrument selbst erfunden, die A/B-Trompete. Was andere als bahnbrechend empfinden würden, kommentiert der 78-Jährige nüchtern: „Die Leute kommen rein und fragen nach bestimmten Instrumenten und dann bauen wir die halt.“
Dass sie ihren Laden aufgeben müssen, fällt den Dorfners nicht leicht. „Das Geschäft ist unser Baby“, sagt Wilhelmina Dorfner – am liebsten würden sie es gar nicht hergeben. Die Arbeit macht Bernd Dorfner nach wie vor Spaß, aber er sieht nicht mehr so gut, was es zum Beispiel schwierig macht, filigrane Schrauben einzusetzen. Sie suchen schon länger nach einem Nachfolger, aber die meisten Instrumentenbauer haben eher Interesse an Dorfners Spezialwerkzeug und wollen Geräte aus der Werkstatt abkaufen.
Außerdem sei es momentan wegen der Corona-Pandemie eine riskante Zeit, um einen Betrieb zu übernehmen.
In den fast 45 Jahren sind Menschen auch mit verrückten Wünschen zu Dorfner gekommen. Für einen Kunden sollte der Instrumentenbauer mal den Kopf einer großen Metallfigur ausbeulen. Nicht wenige Kunden kommen aber auch, um Gießkannen und Kupfergeschirr reparieren zu lassen, berichtet Wilhelmina Dorfner. Zum Beweis zeigt sie eine Schöpfkelle, die ein Kunde versilbern lassen möchte. Sie erzählt auch von einem Kunden, der ein Teil seiner Rechnung mit Eiern begleicht, die seine Hühner gelegt haben.
Viele von Dorfners Kunden sind über die Jahre zu Stammkunden geworden. „Manche kommen schon in der dritten Generation hierher“, erzählt Wilhelmina Dorfner. „Zu uns kommt jeder, der spielt – vom Arzt bis zum Bauern“, erzählt die 65-Jährige stolz. Hauptkundschaft seien aber die Musikvereine auf dem Land und auch die zahlreichen Bläserklassen an den Schulen haben dem Geschäft Aufschwung verliehen. Ohne Dorfner fehlt ihnen jetzt ein Instrumentenbauer in Augsburg.
Und was wird Bernd Dorfner selbst vermissen, wenn er die Werkstatt schließt? Der 78-Jährige überlegt nicht lange: „Alles, die Werkstatt war unser Wohnzimmer.“In Zukunft will er nur noch in seiner Freizeit Instrumente bauen, wenn er gerade darauf Lust hat und Projekte beenden, für die er bisher keine Zeit hatte.