Friedberger Allgemeine

Wenn der Roboter beim Bügeln hilft

- VON ANDREA WENZEL

Künstliche Intelligen­z (KI) ist längst keine Zukunftsmu­sik mehr. In einigen Augburger Unternehme­n hat sie bereits Einzug gehalten oder wird dort entwickelt. Davon profitiere­n Mitarbeite­r, Kunden und die Firmen selbst. In einer Bäckerei bestimmt nun zum Beispiel ein Computer, wie viel gebacken wird

Wir nutzen Handys wie selbstvers­tändlich, fahren Auto, wann immer nötig und hilfreich, und gehen beim Bäcker Semmeln holen. An das Thema Künstliche Intelligen­z denken wir dabei in der Regel nicht. Dabei spielt sie in all diesen Bereichen bereits eine wichtige Rolle für Kunden und Beschäftig­te. Ebenso in der Gesundheit­swirtschaf­t.

Nehmen wir ein Großkranke­nhaus in Corona-Zeiten als Beispiel: Es gilt, die Dienstplän­e zu machen und dabei alle nötigen Parameter zu beachten. Welcher Kollege kann wann welche Schicht übernehmen, welcher Arzt muss zeitgleich dringend anwesend sein und welche Schwester kann im Fall der Fälle ein Beatmungsg­erät bedienen? Dazu kommen die Pausenzeit­en und eventuelle Ausfälle wegen Krankheit oder Urlaub. „Schon bisher war die Erstellung solcher Dienstplän­e eine komplizier­te und zeitaufwen­dige Planung“, weiß Andreas AngeLeiter Research & Innovation beim Augsburger IT-Unternehme­n Xitaso. Deshalb habe sich das Xitaso-Team schon vor Corona eine Lösung überlegt, wie die Technik helfen könnte. Ein intelligen­tes Computerpr­ogramm ist das Ergebnis. Es kann aus eingegeben­en Eckdaten und vorgegeben­en Parametern solche Dienstplän­e in Eigenregie erstellen.

Das Kern-Know-how steckt hier in einem mathematis­chen Modell. Dank weiterer KI-Methoden wird das Programm künftig sogar in der Lage sein, in die Zukunft zu denken und vorausscha­uend unvorherse­hbare Ereignisse wie den krankheits­bedingten Ausfall eines Mitarbeite­rs einzubezie­hen. Auf Knopfdruck liefert es dann im Fall der Fälle und dank KI eine neue Variante des Dienstplan­s.

Im Einsatz ist der KI-gestützte Dienstplan bereits in der Anästhesio­logie und Intensivme­dizin des Klinikums rechts der Isar in München sowie – im Rahmen eines Pilot– am Campus Mitte der Charité in Berlin. Doch nicht nur solche Programme entwickelt Xitaso. Auch in der Produktion von Unternehme­n spielt KI eine immer wichtigere Rolle erzählt Andreas Angerer.

„Abläufe an Produktion­sstraßen beispielsw­eise sind oft sehr komplex. Mitarbeite­r brauchen viel Erfahrung, um alles im Blick zu haben und bei Problemen gegensteue­rn zu können“, weiß der Experte. Doch was, wenn mit einem dieser Mitarbeite­r das Wissen in Rente geht oder das Unternehme­n verlässt? Oft sei dann kaum Zeit, den neuen Kollegen einzuarbei­ten. Auch hier kann künftig KI helfen. „Wir können Maschinen schon jetzt so aufbauen, dass sie sich Bedienschr­itte merken und beispielsw­eise erlernen, welches Vorrer, gehen im Fall einer Störung angewandt wurde“, erzählt Angerer. Tritt dieses Problem noch einmal auf, kombiniert die intelligen­te Maschine Gelerntes und macht dem Mitarbeite­r eigenständ­ig Vorschläge, was getan werden kann. „Das kann Anlernzeit­en verkürzen“, so der IT-Experte.

Dass maschinell­es Lernen derzeit die am häufigsten angewandte Form der KI in der Produktion ist, weiß man auch beim Automobilz­ulieferer Faurecia, der in Augsburg seine Europazent­rale für den Bereich Clean Mobility (Saubere Mobilität) hat. „Der besondere Mehrwert des maschinell­en Lernens liegt darin, dass man hochkomple­xe Muster und Zusammenhä­nge in bestimmten Abläufen nicht mehr selbst programmie­ren muss. Stattdesse­n gibt man einer Software eine sehr große Menge an Beispielen dieses Ablaufs, und sie erkennt selbst die Muster und Zusammenhä­nge, um die richtigen Vorhersage­n zu machen“, erläutert Klaus Spindler, der Leiter der Abprojekts

teilung KI-Technologi­en bei Faurecia.

Hier kommt diese Technologi­e an verschiede­nen Punkten zum Einsatz – unter anderem in der Qualitätsk­ontrolle. Klaus Spindler nennt ein Beispiel: „Bei einem Abgasnachb­ehandlungs­system für Lkw, das wir produziere­n, müssen insgesamt rund 80 Schrauben, Stecker, Kabel oder Verschluss­hülsen angebracht werden. Ein Kamerasyst­em erfasst, ob die Teile korrekt angebracht wurden, ob Teile fehlen oder ob bei der Anbringung Fehler gemacht wurden.“Die Kameras liefern die Bilder dann zu einer Software, die aufgrund vieler trainierte­r Zusammenhä­nge von solchen Bildern und den zugehörige­n Informatio­nen bewerten kann, ob alles korrekt ist oder nachjustie­rt werden muss.

Bei der Herstellun­g von Autositzen am Faurecia-Standort in Stadthagen setzt man ebenfalls auf KI. Es geht um den korrekten Faltenwurf in den Sitzen, der nach genauen Kundenvorg­aben gefertigt werden muss. Derzeit wird ein Kamerasyst­em implementi­ert, das mit maschinell­em Lernen darauf trainiert wurde, den Faltenwurf zu klassifizi­eren und zu entscheide­n, ob er den Kundenspez­ifikatione­n entspricht oder nicht. Sind die Werte nicht optimal, wird die Falte mittels Wärme und Dampf sowie mechanisch­er Glättung überarbeit­et. Dafür führt das System mittels eines Roboters selbststän­dig das Dampfbügel­eisen und überprüft die Wirksamkei­t der Nachbearbe­itung, erläutert Klaus Spindler weiter. Bislang müssen diese Arbeitssch­ritte per Blickprüfu­ng und per Hand ausgeführt werden. „Das ist eine ermüdende Arbeit“, so der Experte.

Doch nicht nur in der Industrie auch in Handwerk und Handel kommt KI bereits zum Einsatz. Bei der Bäckerei Ihle wird es ab März eine neue Filiale in Mering geben, die Künstliche Intelligen­z zur besseren Steuerung des Warenvorra­ts nutzt. „In dieser Filiale haben die Mitarbeite­r ein I-Pad zur Verfügung, das intelligen­t vernetzt ist und so konkrete Arbeitsanw­eisungen geben kann“, erzählt Gastro-Fachberate­r Jürgen Schweier. So erkennt das System unter anderem, wenn die Nachfrage an einem Tag größer ist, als angenommen und steuert nach. „Dann erhalten die Mitarbeite­r über das I-Pad den Auftrag, bestimmte Ware nachzuback­en“, sagt Schweier weiter.

Ebenso wird über einen Lernprozes­s erkannt, welche Produkte beispielsw­eise gegen Abend hin weniger nachgefrag­t werden und daher auch ausgehen dürfen.

Dazu können Wetterdate­n oder kalendaris­che Effekte in die Berechnung­en des Warenbesta­nds einbezogen werden. So erkennt das System selbststän­dig, dass wegen des schönen Wetters am nächsten Tag und dem gleichzeit­igen Feiertag bestimmte Produkte stärker gefragt sein werden. Entspreche­nd gibt es Anweisung, genau diese Waren in ausreichen­der Menge zur Verfügung zu haben.

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Symbolfoto: Kaya Gerade in Corona‰Zeiten sind präzise Dienstplän­e in Kliniken wichtig – Künstliche Intelligen­z kann helfen.
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Foto: Schmidt, dpa Durch maschinell­es Lernen lassen sich Produktion­sprozesse in der Industrie vereinfach­en, sagen Experten.
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Andreas Angerer
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Symbolfoto: Axel Heimken, dpa

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