Die Dakar – Missbrauch eines Spektakels
Erst kommt ein heiseres Röhren. Dann bricht sich eines jener Ungetüme seine Bahn, die in die Landschaft passen wie Kamele in die Antarktis. Es folgt eine schier endlose Staubfahne. Augenblicke später herrscht wieder Ruhe, geht alles seinen jahrtausendealten, gemächlichen Gang. So oder so ähnlich war es schon immer, wenn die erste Welt in der Dritten zu Besuch war. So war es in den Anfangsjahren der Rallye Paris- Dakar, die erst durch Afrika, dann durch Südafrika donnerte und ab morgen wieder unter dem Namen Dakar in Saudi Arabien Staub aufwirbelt, wo sie in einer seltsamen ersten Welt angekommen ist.
Mythos, Legende, eines der letzten Abenteuer der Menschheit rühmen die einen die Rallye Dakar. „Heller Wahnsinn, von Sadisten ersonnen, ein Schmierentheater“, wetterte dagegen Jean Marie Pfaff.
Jean Marie Pfaff, der ehemalige Torhüter? Genau der.
Pfaff war in den 80er Jahren beim FC Bayern und in der belgischen Fußball-Nationalmannschaft einer der Besten seines Faches.
Inzwischen 67, hat er die DakarErfahrung als Beifahrer in einem jener Lkws gemacht, die sich zwei Wochen durch Wüsten wühlen. Es ist keine schöne Erfahrung.
Früher war Pfaff eine Art Oliver Kahn für das Vorabendprogramm.
Ein lustiger Vogel, der sich selbstlos den Stürmern vor die Füße warf und putziges Deutsch sprach. Gelegentlich aber ließ er den Olli raus, was dann nicht mehr sendefähig war. Kurz gesagt: Pfaff ist kein Weichei, sondern wie geschaffen für die Rallye – und eben doch nicht hart genug. Der Belgier klagte über organisierten Schlafentzug und selbstmörderische Nacht-Etappen durch unbekanntes Terrain. Die Dakar hat etwa 70 Menschen das Leben gekostet. Es ist Überlebenskampf – und läuft doch unter Sport. Nun ist es auch in diesem Falle so, dass sich der Sport gegen keinen wehren kann, der sich unter sein Dach zwängt und der sich seiner bemächtigt. Im vorliegenden Fall sind es nun die die Saudis, die sich das legendäre Rennen ins Land geholt haben. Sicher nicht, weil die Heimat der Wüstenschiffe eine besonders große Motorsport-Tradition besitzt. Das ultrakonservative Königreich, in dem die Frauen- und Menschenrechte besonders stark eingeschränkt sind, betreibt „Sportswashing“, wie Kritiker Saudi Arabiens Imagepolitur auf dem Rücken des Sports nennen. Mit Superstars und Millionengagen will sich der autoritär regierte Wüstenstaat mittels der Rallye Dakar und anderer Sportereignisse in ein freundlicheres Licht rücken. Der vorliegende Fall ist ein zeitgenössisches Beispiel für den Missbrauch eines Spektakels, das man irrtümlich für Sport hält.