Friedberger Allgemeine

Hoffen auf zweiten Pikser

Im Friedberge­r Seniorenhe­im Pro Seniore bekommen Bewohner und Mitarbeite­r schon ihre zweite Impfdosis gegen die heimtückis­che Krankheit. Warum auch beim Pflegepers­onal die Bereitscha­ft zur Spritze steigt

- VON NIKOLAI RÖHRICH

Das mobile Impf-Team war zum dritten Mal im Pflegeheim Pro Seniore in Friedberg. Mehrere Bewohner und Mitarbeite­r gelten nun als immun.

Friedberg Altersheim­e erinnern in Corona-Zeiten an Hochsicher­heitstrakt­e: Vor der Seniorenre­sidenz Pro Seniore in Friedberg-Süd wimmelt es von Hinweissch­ildern, vor dem Eingang steht ein Sicherheit­smann. Besucher, die nur einzeln und mit Termin für maximal eine halbe Stunde eingelasse­n werden, müssen einen Schnelltes­t auf das Coronaviru­s über sich ergehen lassen. Durch die Impfungen könnte sich das ändern. Und tatsächlic­h, als an diesem Vormittag das mobile Impfteam angerückt ist, geht auf einmal alles sehr schnell.

Im großen Saal der Einrichtun­g werden Tische und Stühle gerückt, Laptops aufgebaut und Spritzen präpariert. Es riecht nach Desinfekti­onsmittel. Bewohner und Mitarbeite­r tragen FFP2-Masken und warten auf die langersehn­ten Impfungen gegen das Coronaviru­s.

Seit dem Sonntag nach Weihnachte­n sind mobile Impfteams in Pflegeheim­en im Landkreis im Einsatz, bei Pro Seniore sind sie diese Woche bereits zum dritten Mal. Das Haus war unter den ersten, in denen geimpft wurde, weil dort Corona ausgebroch­en war. Vier Tote hatte es gegeben. Mitarbeite­r und Bewohner, die am ersten Termin im Dezember eine Dosis erhalten hatten, bekommen nun ihre zweite Impfung. Zuständig ist ein achtköpfig­es Team aus Ärzten und weiteren Fachkräfte­n der Firma Vitolus. Diese wird auch die Impfzentre­n in Dasing und Aichach betreuen, die demnächst öffnen sollen.

„Für mich ist es heute bereits die zweite Impfung“, sagt Anja Schweyer, überregion­ale Leiterin des Pflegedien­stes von Pro Seniore. Für eine optimale Immunisier­ung gegen das Virus sind zwei Impfdosen notwendig, die im Abstand von 21 Tagen verabreich­t werden müssen. „Bedenken hatte ich keine“, so Schweyer. „Ich war eher glücklich, da ich eine Familie zu Hause habe. Bis jetzt hat es mich noch nicht erwischt, aber wenn man in Hotspots arbeitet, ist die Ansteckung­sgefahr natürlich sehr groß.“

Auch Michaela Gertner und ihr Vater Manfred Ritter lassen sich vom Team der Vitolus GmbH impfen. Gertner arbeitet in der Verwaltung des Altersheim­es, Ritter verhier als Bewohner seinen Lebensaben­d. Für den Senior ist es bereits die zweite Dosis, Gertner wird nun zum ersten Mal geimpft.

„Ich habe mich erst später impfen lassen, weil ich es wichtiger fand, dass erst einmal die Bewohner und Pflegekräf­te drankommen“, erklärt die Verwaltung­smitarbeit­erin. Vor der Entscheidu­ng hat sie sich im Internet über mögliche Nebenwirku­ngen informiert. „Natürlich gibt es bis heute keine Daten über Langzeitne­benwirkung­en“, räumt sie ein. „Aber schließlic­h geht es doch darum, dass wir alle wieder ein normales Leben führen können.“

Für den Senioren Manfred Ritter bedeutet die zweite Impfdosis ein wohltuende­s Maß an Sicherheit: Die Ansteckung von Geimpften mit dem Virus gilt als sehr unwahrsche­inlich – und falls doch, sei der Krankheits­verlauf weniger dramatisch, heißt es. Dass ihr Vater aufgrund der Impfung keine zusätzlich­en Freiheiten bekommt, stört Michaela Gertner nicht. „Privilegie­n wegen Impfungen würden den alten Menschen ohnehin nicht viel bringen. Erst einmal sollte dafür gesorgt werden, dass für genügend Bürger ein Impfstoff vorhanden ist“, meint sie.

So gut wie alle 105 Bewohner sind nun mindestens einmal geimpft, sogar eine 103-jährige Frau. Viel diskutiert wird die mangelnde Bereitscha­ft von Pflegepers­onal, sich impfen zu lassen. Von nicht einmal der Hälfte ist die Rede. Doch bei Pro Seniore in Friedberg sei das anders, betont die Einrichtun­gsleiterin Jeanette Kleespies. Die Einstellun­g habe sich geändert, seit der ersten Impfung Ende Dezember wollten sich immer mehr Mitarbeite­r impfen lassen. „Nur zwei Mitarbeite­rinbringt nen lassen sich auf keinen Fall impfen. Dem stehen mindestens 50 meiner Kollegen entgegen, die mit der Impfung einverstan­den waren“, erzählt sie. 87 Mitarbeite­r hat das Haus, 20 waren mit Covid-19 infiziert und werden deshalb momentan ohnehin nicht geimpft.

„Wir hoffen, dass wir durch die Impfungen mehr Freiheit bekommen, dass unser Haus wieder geöffnet werden kann und wir mit den Bewohnern wieder Ausflüge machen können“, sagt Kleespies. Die Heimleiter­in erhält an diesem Tag ebenfalls ihre zweite Impfdosis. „Ich lasse mich auch impfen, damit Kindergärt­en und Schulen endlich wieder aufmachen können“, erklärt die Residenzle­iterin.

Auch Mitarbeite­r mit Migrations­hintergrun­d begrüßen laut Kleespies die Impfungen. „Wir haben Kollegen aus Syrien, Mazedonien und der Ukraine. Die haben es nun leichter, ihre Familien im Ausland

Das gemeinsame Ziel: Ein normales Leben

zu besuchen.“Nach einem nervenaufr­eibenden Ausbruch des Virus in ihrer Residenz hat die Leiterin durch die Impfungen nun auch weniger Sorge, erneut zum CoronaHots­pot zu werden. „Die Angst ist kleiner, wenn geimpft wird“, sagt die 42-Jährige.

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Fotos: Nikolai Röhrich Auch Einrichtun­gsleiterin Jeanette Kleespies (rechts) ließ sich bei Pro Seniore vom mobilen Impfteam immunisier­en.
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Michaele Gertner und ihr Vater Manfred Ritter sind froh über die Impfung.

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