Herrlichs Weg zurück auf die Sonnenseite
Nach drei Niederlagen in Serie ist das Heimspiel gegen Union Berlin für den FC Augsburg von immenser Bedeutung. Co-Trainer Metaxas ist zurück, Offensivspieler Vargas wird hingegen fehlen
Als Martin Schmidt noch als Trainer des FC Augsburg arbeitete, ließ er sich des Öfteren in Augsburgs Innenstadt blicken. Einerseits wohnte der Schweizer zentral in der Altstadt, andererseits genoss der 53-Jährige Vorzüge und Flair des urbanen Lebens. In einem Café sitzend schmökerte er in der Zeitung, Gedanken sortierte er mitunter bei einem Besuch im Augsburger Dom. Das verschaffte Schmidt Ablenkung von der täglichen Tätigkeit auf dem Fußballplatz.
Schmidts Nachfolger Heiko Herrlich hingegen ist derzeit eher selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Das begründet sich in den CoronaUmständen. Am Rathausplatz eine Tasse Kaffee genießen, gestaltet sich schwierig. Zudem schwebt ein Bundesligatrainer
in einer Blase und sollte Kontakte noch konsequenter meiden als der gemeine Bürger.
Als Warnung dienen ihm neben seiner Zahnpasta-Affäre die CoronaInfektionen von Co-Trainer Iraklis Metaxas und Torwarttrainer Kristian Barbuscak. Nach negativem Covid-19-Test und zehntägiger Quarantäne darf zumindest Metaxas wieder beim FCA mitwirken, gegen Union Berlin wird er seinen Platz neben Cheftrainer Herrlich einnehmen (Samstag, 15.30 Uhr/Sky). Barbuscak hingegen fehlt noch, FCATorwart Rafal Gikiewicz muss ein weiteres Mal auf Ratschläge seines Vertrauten verzichten.
Aus Mangel an Alternativen lenkt sich Herrlich dieser Tage im Kreise seiner Familie ab oder geht spazieren. Weil er neben Dortmund einen Wohnsitz im österreichischen Niederndorf bei Kufstein hat, hellte sich seine Stimmung unter der Woche auf. Von Augsburg aus sah er bei Föhn und Sonnenschein die vertrauten Berge. „Das ist doch einfach wunderschön“, sagt der 49-Jährige. Herrlich will nicht mehr nur beim Spazierengehen das schöne Wetter genießen, bildlich gesprochen will er auch mit dem FCA zurück auf die Sonnenseite.
Nach drei Niederlagen in Serie rutscht der FC Augsburg in der Bundesligatabelle ab und sucht Halt. Mitte Dezember betrug der Vorsprung auf den Relegationsplatz neun Zähler, inzwischen sind es noch deren vier. Herrlich stellt nüchtern fest, drei Niederlagen seien drei Niederlagen. „Das können wir nicht wegdiskutieren. Wir hatten einen guten Start und ein Polster. Uns war aber klar, dass die anderen Mannschaften auch mal gewinnen.“
Der Druck auf den Trainer und die Mannschaft wächst. Herrlich geht damit pragmatisch um, verweist darauf, dass Spieler und Trainer die Situation annehmen müssten. Schließlich sei Erfolgsdruck
Teil ihres Berufs. „Man kann nicht nur Spaß an seinem Beruf haben, wenn alles super läuft. Gerade wenn es schwierig wird, bist du gefragt.“
Die Augsburger suchen in der Ergebniskrise nach der Balance zwischen defensiver Stabilität und offensivem Risiko. Gegen Frankfurt oder den FC Bayern gab der FCA seine defensive Haltung ein Stück weit auf und erspielte sich erstaunlich viele Torchancen; genutzt hat es letztlich wenig, weil die Partien verloren gingen. Gegen Bielefeld oder Köln verordnete Herrlich seiner Mannschaft biederen Defensivfußball – und siegte. Für ihn geht es darum, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Herrlich sagt zwar, er differenziere stets zwischen Ergebnis und Leistung, letztlich kann er sich aber nicht vom Zahlenwerk freimachen.
Die Partie gegen das Überraschungsteam von Union Berlin ist von immenser Bedeutung. Ein Sieg würde vor den Begegnungen mit Topteams aus Dortmund, Wolfsburg, Leipzig oder Leverkusen zur allgemeinen Beruhigung beitragen, eine weitere Niederlage hingegen würde die Last erhöhen. Herrlich betont: „Wichtig ist, dass wir auf uns schauen, den Schalter mit aller Macht umlegen und gegen Union Berlin punkten.“
Mut macht ihm der engagierte Auftritt gegen den FC Bayern und der Hinspielerfolg. Augsburg hat der Mannschaft von Trainer Urs Fischer beim 3:1 eine von nur drei Niederlagen beigebracht. Dass die Berliner danach derart unbekümmert aufspielten, beeindruckt Herrlich.
Gegenüber Mittwoch wird er Änderungen in der Startelf vornehmen. Teils, weil er dazu gezwungen ist. Ruben Vargas hat sich eine Sprunggelenkverletzung zugezogen und wird wenigstens gegen Berlin fehlen. Außerdem könnte Alfred Finnbogason von Beginn an auflaufen. Gegen den FC Bayern vergab der Angreifer aus Island am Elfmeterpunkt die Großchance zum Ausgleich, gegen Berlin könnte er das wiedergutmachen.
„Man kann nicht nur Spaß an seinem Beruf haben, wenn alles super läuft.“
FCATrainer Heiko Herrlich