Friedberger Allgemeine

„Heimbewohn­er sollten gleiche Rechte haben“

Interview Robert Sauter, Vorsitzend­er des Seniorenbe­irats, hat mehr Kontaktmög­lichkeiten für Menschen in Pflegeeinr­ichtungen gefordert. Er wünscht sich eine andere Herangehen­sweise ans Thema Alter – auch bei Corona

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Herr Sauter, mitten in der zweiten Corona-Welle haben Sie mehr Kontaktmög­lichkeiten für Heimbewohn­er gefordert. Damit eckten Sie bei der Arbeiterwo­hlfahrt dermaßen an, dass es zu einem Schlichtun­gsgespräch mit dem Augsburger Sozialrefe­renten kam. Wie stehen Sie mit etwas Abstand zu der Angelegenh­eit?

Robert Sauter: Ich wollte und will die Forderunge­n nicht als Schelte gegenüber den Pflegeeinr­ichtungen verstanden wissen. Sie sind sehr bemüht, die Dinge so zu regeln, dass sie für die Bewohner und ihre Angehörige­n akzeptabel sind. Meine Kritik – und dazu stehe ich nach wie vor – richtet sich gegen die Herangehen­sweise. Pflegeheim­e werden auch in der öffentlich­en Diskussion oftmals als Anstalten wahrgenomm­en, in denen sich die Bewohner den Bedingunge­n zu unterwerfe­n haben. Wir vom Seniorenbe­irat sind aber der Meinung, die Heimbewohn­er sollten die gleichen Rechte haben wie Menschen, die in in ihrer Privatwohn­ung leben. Dafür müssen eben die Voraussetz­ungen geschaffen werden. Warum beispielsw­eise kamen die Schnelltes­ts für die Besucher erst so spät? Und warum stellt man ihnen nicht überall Schutzklei­dung zur Verfügung? Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Seniorenhe­ime stark getroffen. Sie tangiert alle Lebensbere­iche. Wie trifft Sie der Ausnahmezu­stand persönlich?

Sauter: Glückliche­rweise haben wir im Familien- und engen Freundeskr­eis keine Corona-Erkrankung­en miterleben müssen. Mich persönlich belasten die Kontaktbes­chränkunge­n und ich vermisse das Reisen. Im vergangene­n Jahr haben wir die geplante Griechenla­ndreise mit dem Wohnmobil storniert. Wer weiß, wie lange ich mit meinen jetzt 75 Jahren so etwas noch machen kann? Sie sind seit dreieinhal­b Jahren Vorsitzend­er des Seniorenbe­irats. Wie konnten Sie dieser Arbeit in den vergangene­n Monaten nachgehen?

Sauter: Unsere gesamte Gremienarb­eit liegt seit Herbst zum zweiten Mal nach dem Frühjahr auf Halde, wir tagen nicht mehr. Veranstalt­ungen finden seit einem Jahr nicht mehr statt. Ich finde es sehr bedauerlic­h, dass die Diskussion­skultur unter den Kontaktbes­chränkunge­n leidet. Das gilt nicht nur für den Seniorenbe­irat, wo wir gerade bei unseren Mitglieder­n die technische­n Voraussetz­ungen für Online-Treffen abfragen, sondern in vielen Bereichen.

Als promoviert­er Pädagoge waren Sie beruflich vor allem in der Jugendarbe­it aktiv. Haben Sie sich im Ruhestand mit dem Seniorenbe­irat ein zum Alter passendes Ehrenamt gesucht?

Sauter (schmunzelt): Der Seniorenbe­irat war auf der Suche nach einem neuen Vorsitzend­en und aus diesem Kreis wurde ich angesproch­en. Daraufhin habe ich hineingesc­hnuppert und fand es interessan­t. Ganz neu war die Materie nicht für mich. Sowohl in der Senioren-Union als auch im Pfarrgemei­nderat von St. Pius in meinem Heimatstad­tteil Haunstette­n habe ich mich schon länger mit Seniorenth­emen befasst. Generell liegt mir die Arbeit in einer Interessen­svertretun­g im vorpolitis­chen Raum. Da sind sich die Jugendverb­andsarbeit und der Seniorenbe­irat durchaus ähnlich. Was liegt Ihnen als Interessen­svertreter der älteren Generation besonders am Herzen?

Sauter: Ich möchte ein Stück weit ein Bild gerade rücken. Senioren werden oft als Pflegebedü­rftige wahrgenomm­en, die eher Arbeit machen als hilfreich sind. Dieses Bild aber ist nur ein Teil der Wirklichke­it. Denn überall, wo ehrenamtli­ches Engagement gefragt ist, sei es in Vereinen, Parteien oder Pfarreien, sind Senioren mit ihrer Lebenserfa­hrung und ihren Kompetenze­n überpropor­tional vertreten. Das Leben ist mit 65 nicht zu Ende.

Auch das Thema Bildung spielt hier mit hinein, wie der Seniorenbe­irat in einem Antrag an den Stadtrat zum Ausdruck gebracht hat. Was ist daraus geworden?

Sauter: Es geht im Kern um die Frage, wo in der Stadt es welche Angebote für Senioren gibt und wo ein zusätzlich­er Bedarf besteht. Der Antrag, diesen Punkt explizit in den städtische­n Bildungsbe­richt aufzunehme­n, konnte im alten Stadtrat coronabedi­ngt nicht mehr abschließe­nd behandelt werden. Wir werden als Seniorenbe­irat dieses Vorhaben wieder auf die Tagesordnu­ng bringen, sobald man wieder „normal“politisch aktiv werden kann. Viele Senioren sind in der Lage, sich ehrenamtli­ch zu engagieren oder noch etwas zu lernen. Viele haben aber gar nicht den Kopf dafür frei, weil sie gesundheit­lich schlecht beieinande­r sind oder das Geld so knapp ist.

Sauter: Das Thema Altersarmu­t beschäftig­t uns sehr. Bei der Rente sehen wir großen Handlungsb­edarf. Sie darf nicht weiter absinken. Die Rente ist ein Thema auf Bundeseben­e. Welcher für Augsburg spezifisch­en Themen nehmen Sie sich an?

Sauter: Wir haben uns sehr für die Wiedereinf­ührung des Seniorenab­os im Nahverkehr stark gemacht und sind zuversicht­lich, dass sich im Zuge der Tarifrefor­m etwas bewegt. Dass in Augsburg in Neubaugebi­eten mittlerwei­le 30 Prozent geförderte Wohnungen geschaffen werden müssen, geht auf eine Forderung von uns zurück – auch wenn in dieser Angelegenh­eit viele Seiten aktiv waren. Können Sie dem aktuellen Lockdown auch etwa Positives abgewinnen?

Sauter: Auch wenn es mir aufgrund meiner Interessen wie der Familienfo­rschung nicht langweilig wird, verneine ich diese Frage. Vergangene­s Frühjahr war das noch anders. Da hatte man plötzlich viel Zeit für Dinge, die man lange zurückgest­ellt hat. Aber die sind jetzt alle erledigt. Nehmen Sie sich die Zeit für die Corona-Impfung?

Sauter: Ich werde mich auf alle Fälle impfen lassen und habe mich bereits angemeldet. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass die Impfung im Laufe des Jahres zu einer wenigstens stufenweis­en Rücknahme der Einschränk­ungen führt.

Wie Sie auf Ihrer Homepage kundtun, sind Sie auf Corona-Leugner und auch auf Impfgegner gar nicht gut zu sprechen.

Sauter: Die überwiegen­de Mehrheit hält sich an die Regeln. Doch ein kleiner Teil der Bevölkerun­g ist immun gegenüber Fakten. Mit diesen Menschen kann man nicht diskutiere­n, weil es keine gemeinsame Grundlage gibt. Von Impfgegner­n und Corona-Leugnern erwarte ich, dass sie selbstvers­tändlich eine verbindlic­he Patientenv­erfügung mit sich führen, mit der sie im Falle einer Corona-Infektion jegliche intensiv-medizinisc­he Behandlung ablehnen. ⓘ

Zur Person Robert Sauter, 75, wuchs als Sohn eines Försters im Siebenbrun‰ ner Forsthaus auf. Der promoviert­e Päda‰ goge war beruflich in der Kinder‰ und Jugendhilf­e tätig. Im Ruhestand hat Sau‰ ter neben dem Hobby Familienfo­r‰ schung einige Ehrenämter inne, darunter den Vorsitz des Augsburger Senioren‰ beirats.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Der promoviert­e Pädagoge Robert Sauter war beruflich in der Jugendverb­andsarbeit tätig. Im Ruhestand setzt er sich als Vorsitzend­er des Seniorenbe­irats für die ältere Ge‰ neration ein.

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