Stadt unterliegt im Ringen um altes Bahngelände
Die Kommune wollte ein Areal zwischen Messe und historischem Bahnpark weiter für die Eisenbahn reservieren. Die Immobilienfirma Solidas, die wohl Wohnungen oder Gewerbe ansiedeln will, konnte sich aber durchsetzen
Können auf dem alten Bahngelände im Augsburger Stadtteil Hochfeld nun doch zahlreiche neue Wohnungen oder Gewerbebauten entstehen? Zumindest gibt es eine überraschende Wende: Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) hat jetzt einen Teil des Areals zwischen dem historischen Bahnpark und der Augsburger Messe von Eisenbahnbetriebszwecken freigestellt – entgegen einer früheren Entscheidung und gegen den erklärten Willen der Stadt Augsburg. Damit gibt es Chancen für eine neue Nutzung des innerstädtischen Areals.
Die frühere Bahnfläche an der Firnhaberstraße verkommt seit Jahrzehnten, obwohl Investoren dort große Entwicklungschancen sehen. Bislang war sie aber alleine dem Eisenbahnbetrieb vorbehalten. Damit war rechtlich keine neue Bebauung für Wohnen oder Gewerbe möglich. Das schien zunächst auch so zu bleiben. Das Eisenbahn-Bundesamt hatte im vergangenen Frühjahr entsprechend entschieden. Es hatte den Antrag des Augsburger Immobilienunternehmens Solidas abgelehnt, das Areal von Eisenbahnbetriebszwecken freizustellen. Solidas wollte das als Grundeigentümer nicht hinnehmen und legte Widerspruch ein. Mit Erfolg. Die Behörde gab jetzt eine Teilfläche südlich des historischen Bahnparks frei.
Ein Sprecher der EBA erklärt auf Anfrage die Gründe: Gesetzlich sei es so, dass Flächen freigestellt werden müssen, wenn kein „Verkehrsbedürfnis“von Eisenbahnunternehmen mehr besteht und langfristig eine Nutzung des Areals zu Bahnzwecken nicht mehr zu erwarten ist. Vereinfacht gesagt, Bahnunternehmen können das Gelände nicht einfach für die Zukunft „reservieren“. Sie müssen vielmehr ein ernsthaftes und nachvollziehbares Nutzungsinteresse nachweisen.
Warum entschied die Behörde anfangs ganz anders? Der EBASprecher begründet dies vor allem auch mit entsprechenden Stellungnahmen der Stadt Augsburg und mehrerer Unternehmen. Deshalb sei eine Freistellung zunächst abgelehnt worden. Nach dem Widerspruch von Solidas wurde die Angelegenheit noch einmal eingehender geprüft. Ergebnis: „Entgegen der ersten rechtlichen Beurteilung hat sich dabei gezeigt, dass sich die Ernsthaftigkeit und Nachvollziehbarkeit der langfristigen Nutzung durch ein oder mehrere benachbarte Eisenbahnunternehmen bzw. im Rahmen kommunaler Planungen nicht hinreichend deutlich erkennen ließen“, so der EBA-Sprecher.
Anton Kopp sagt dazu: „Das war für uns ein wichtiger Schritt“. Von dem insgesamt rund 80.000 Quadratmeter großen Grundstück im Eigentum des Unternehmens sei nun mehr als die Hälfte frei für neue Nutzungen. Auch für den Rest werde man noch ein Verfahren beantragen.
Wie es auf dem Gelände weitergeht, hängt nun vor allem von der Stadt ab. Laut Eisenbahn-Bundesamt fallen die Flächen in die Planungshoheit der Stadt Augsburg zurück, die somit maßgeblich über deren zukünftige Nutzung entscheiden werde. Wenn dort neue Wohnungen, Gewerbebauten oder Läden entstehen sollen, müsste die Stadt erst einmal einen Bebauungsplan aufstellen. Kopp sagt: „Wir werden das Gespräch suchen und uns mit der Stadt zusammensetzen“. Er betont, das Immobilienunternehmen sei „ergebnisoffen“, was die künftige Entwicklung des Geländes angeht. Er spricht von einem langfristigen Prozess. Vor Ort gebe es noch viele Probleme zu lösen, etwa mit Blick auf Altlasten, Denkmalschutz oder auf die Verkehrsanbindung. Dennoch gibt sich der Geschäftsführer optimistisch: „Wir sind überzeugt, dass man aus dem Gelände etwas Schönes machen kann. Vorausgesetzt, die Stadt macht mit.“
In der Bauverwaltung hält man sich indes noch bedeckt. Zunächst einmal gelte es, die Klagefrist von einem Monat abzuwarten, teilte das Baureferat auf Anfrage mit. „Im Weiteren werden wir dann Gespräche mit dem Grundstückseigentümer aufnehmen. Die Entscheidung über die bauliche Entwicklung des Areals obliegt am Ende dem Stadtrat.“
Solidas ist schon das zweite Unternehmen, das eine Entwicklung des alten Bahngeländes anstrebt. Es hat das Grundstück vom Münchner Immobilienentwickler Isaria erworben. Letzterer wollte dort in größerem Umfang Wohnungen bauen, verkaufte die Fläche dann aber ohne Angabe von Gründen. Das Projekt gilt nicht nur als hoch komplex, sondern auch als Politikum. Die Stadt wollte bislang, dass auf dem Areal Flächen für „bahnaffines Gewerbe“vorgehalten werden, etwa, um Züge abzustellen und zu warten. Es gehe in Augsburg auch um die große Aufgabe, nachhaltige Mobilität sicherzustellen, hieß es in der städtischen Stellungnahme ans Eisenbahn-Bundesamt. Und es gibt noch andere Vorbehalte gegen eine neue Bebauung, etwa den Schutz ökologisch wertvoller Flächen.
Bei einem Nachbarn, dem historischen Bahnpark Augsburg, begrüßt man die Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes. Nach über 25 Jahren Stillstand ergäben sich nun neue Perspektiven für die Aufwertung des gesamten Stadtteils Hochfeld, sagt GeschäftsfühSolidas-Geschäftsführer rer Markus Hehl. „Wir haben über viele Jahre hinweg die Erfahrung gemacht, dass kein modernes Eisenbahnunternehmen in den denkmalgeschützten Gebäuden einen effizienten Bahnbetrieb durchführen kann. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir die Freistellung bestimmter Teilflächen auf dem Gesamtareal.“Aus seiner Sicht ist der neue Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes der erste Schritt, um das ganze Gelände westlich der Firnhaberstraße weiter zu entwickeln. Er regt an, zusammen mit der Stadt und allen anderen Immobilieneigentümern einen Masterplan zu erstellen, bei dem das Areal untersucht wird und der die Grundlagen für die weitere Planung schafft.
Ein Blick nach München zeigt, was man unter anderem aus den verfallenen denkmalgeschützten Bahngebäuden in Augsburg machen könnte. Im ehemaligen Ausbesserungswerk Neuaubing entstand das Projekt „Triebwerk München“. In denkmalgeschützter Bausubstanz wurde ein neuer Campus für Industrie und Handwerk eingerichtet – mit vielen neuen Arbeitsplätzen.