Friedberger Allgemeine

Wirrwarr um die Corona-Regeln wird zu groß

Wo muss welche Maske getragen werden? Was ist noch erlaubt? Weil sich Vorgaben ständig ändern, geht der Überblick verloren. Die Müdigkeit der Bürger nimmt in einer kritischen Phase der Pandemie zu

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger‰allgemeine.de

Unter uns: Wissen Sie noch genau, was Sie dürfen – und was wegen der Corona-Pandemie verboten ist? Und wollen Sie es überhaupt noch wissen? Nach Monaten mit immer neuen Verordnung­en, Allgemeinv­erfügungen und Ausführung­sbestimmun­gen ist der Überblick bei vielen verloren gegangen. Vorschrift­en werden im Wochenoder gar Tagesrhyth­mus angepasst und geändert. Welche Maske ist jetzt wo zu tragen? Wo endet die Maskenzone in der Innenstadt? Und wie war das nun gleich mit der Maske beim Fahrradfah­ren?

Natürlich, es stimmt ja, was aus der Politik dazu zu hören ist: Es gibt keine Blaupausen für eine solche Pandemie. Und die Lage ändert sich ständig. Mal scheint sie sich zu entspannen, dann gibt es plötzlich doch wieder höhere Infektions­zahlen. Dennoch: Das Hin und Her ist zu viel geworden. So leidet die Akzeptanz der Vorschrift­en – und man muss sich nicht wundern, wenn die Menschen nachlässig­er werden im Bemühen, sich ständig auf dem aktuellen Stand der Corona-Regeln zu halten.

Manches, was zur Verwirrung beigetrage­n hat, ist durchaus gut gemeint. Das Ringen um die Maskenpfli­cht beim Fahrradfah­ren ist dafür ein Beispiel. Längere Zeit war die Stadt kulant. Radfahrer mussten keine Maske tragen, wenn sie durch jene Bereiche fuhren, in denen eigentlich auch im Freien eine Maskenpfli­cht gilt – etwa in der Innenstadt, in Stadtteilz­entren oder bestimmten Zonen an Lech und Wertach. Dann verhängte die Polizei aber Bußgelder. Und die Stadt rief nach Rücksprach­e mit dem Freistaat eine Maskenpfli­cht für Radfahrer aus. Es folgte heftige Kritik von der Radler-Lobby – worauf die Stadt die Regeln wieder lockerte. Nun gilt die Maskenpfli­cht nicht mehr auf Radwegen und der Straße – aber dort, wo Radler und

Fußgänger sich den Platz teilen. Das Bemühen der Stadt, Kompromiss­e zu finden, ist auf der einen Seite löblich – anderseits machte es die Verwirrung perfekt. Und Kritik musste die Stadt sowieso die ganze Zeit einstecken. Wie sie es auch machte, sie machte es nie allen recht.

Man merkt auch, dass die Abstimmung zwischen Bund, Land und Kommunen nicht immer reibungslo­s läuft – und daher Verwirrung stiftet. Die Stadt ist darauf angewiesen, was sie an Informatio­nen von Bund und Freistaat bekommt. Und das ändert sich mitunter schnell. So kündigte Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) noch am Mittwoch an, neue Regeln zum Verbot des Alkoholkon­sums in der Öffentlich­keit werde es erst ab Anfang Februar geben. Die neuen Regeln sind erforderli­ch, weil ein Gericht das generelle Alkoholver­bot gekippt hatte. Nun aber gelten neue Alkohol-Verbotszon­en schon ab diesem Samstag. Die Stadt muss reagieren, weil der Freistaat schneller als erwartet reagiert hat.

Ebenso ist es bei der Pflicht zu FFP2-Masken. Am Mittwoch noch sagte Eva Weber, in Gottesdien­sten müsse künftig eine medizinisc­he Make getragen werden, eine FFP2-Pflicht gebe es in den Kirchen, anders als im Nahverkehr und beim Einkaufen, aber nicht. Auch hier sieht es jetzt schon wieder anders auch: Auch in Gottesdien­sten muss eine FFP2-Maske getragen werden. Was die Politik und auch die Stadtregie­rung daraus lernen müssen: Sie sollten auf möglichst viel Konstanz setzen und Regeln nur dann ändern, wenn es wirklich nötig ist. Auf eigene Sonderwege sollte die Stadt, so gut es gemeint sein mag, verzichten. Das Leben der Menschen endet nicht an der Stadtgrenz­e. Die Grenzen zwischen Stadt und Umland sind fließend. Je mehr Unterschie­de es gibt, umso größer ist die Corona-Verwirrung.

Wir befinden uns in einer kritischen Phase der Pandemie. Nicht nur wegen der Mutationen des Virus. Sondern deswegen, weil die Menschen zunehmend müde werden, es geht ihnen an die Substanz. Ein noch größerer Regel-Wirrwarr wäre da fatal, wenn wir die Pandemie gut überstehen wollen.

Sonderwege sind gut gemeint, verwirren aber zusätzlich

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