Patrizia wächst in der Krise
Das Augsburger Unternehmen verwaltet mehr Immobilienvermögen, muss sich aber mit weniger Gewinn zufriedengeben. Die Rolle von Büros, sagen die Spezialisten, werde sich bald grundlegend wandeln
Augsburg Die Corona-Krise hat weite Teile der Wirtschaft erschüttert. Während Gastronomen oder Einzelhändler teilweise in den Abgrund blicken, blieb die Bau- und Immobilienwirtschaft in Deutschland im Vergleich dazu fast solide wie ein Betonfundament. Der Augsburger Immobilienspezialist Patrizia konnte im Krisenjahr 2020 sogar wachsen. Das Unternehmen investiert für institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionskassen in Wohn- und Gewerbeimmobilien. Die Summe des verwalteten Vermögens von Patrizia stieg um 5,7 Prozent auf 47 Milliarden Euro, berichtete Finanzchef Karim Bohn zur Vorlage der Bilanz im Gespräch mit unserer Redaktion: „Wir sind inzwischen der größte unabhängige Immobilien-Investmentmanager in Deutschland und der zweitgrößte in Europa.“Patrizia muss sich aber mit weniger Gewinn zufriedengeben.
„Das Jahr 2020 war eine Herausforderung für uns alle“, sagte Bohn mit Blick auf die Pandemie. Ganz ohne Spuren geht die Krise an Patrizia nicht vorbei. Das operative Ergebnis aus dem laufenden Geschäft sank um 13,4 Prozent auf 116,5 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 134,5 Millionen Euro. Trotzdem ist Bohn zufrieden. „Wir haben gezeigt, dass wir in der schwersten ökonomischen Krise seit 70 Jahren stabile Erträge erwirtschaften konnten und sehr widerstandsfähig sind“, sagt er. „Finanziell war 2020 in dieser Hinsicht ein erfolgreiches Jahr.“
Der Gewinn ging leicht zurück, weil Patrizia weniger Transaktionen – also Käufe und Verkäufe von Immobilien – ausgeführt hat als im Jahr zuvor. Ein Grund dafür sei, dass der Immobilienmarkt in Europa im vergangenen Jahr deutlich geschrumpft ist – um rund 27 Prozent. Im Gegenzug stieg das Volumen der von Patrizia betreuten Immobilien, was den Augsburgern steigende Einnahmen aus Gebühren für die Immobilienverwaltung bescherte.
Für dieses Jahr erwartet Patrizia wieder ein anziehendes Geschäft mit Immobilientransaktionen. „Wenn im zweiten Halbjahr die CoronaImpfungen in Europa fast abgeschlossen und die Lockdowns aufgehoben sind, ist zu erwarten, dass sich die Märkte in Deutschland und Europa erholen“, sagt Bohn. Zudem will Patrizia das verwaltete Immobilienvermögen weiter steigern. Vor allem drei Treiber machen Bohn optimistisch, dass sich der Immobilienmarkt für Patrizia gut entwickelt. Zum einen wird global immer mehr Geld für die Altersvorsorge zurückgelegt. Über Pensionskassen fließt ein großer Teil dieser Gelder in Immobilien. „Zum anderen wird angesichts des Niedrigzinsumfelds ein immer größerer Teil in Sachwerte angelegt“, sagt er. Schließlich streuen professionelle Anleger ihre Immobilienkäufe weltweit. Hier sehen sich die Augsburger mit ihren internationalen Standorten in Städten wie London oder Zürich gut aufgestellt.
Hat aber die Corona-Krise keinen Einfluss auf den Wert von Immobilien? Doch, für den Handel trifft dies sicher zu, meint Bohn: „Der Einzelhandel in den Städten, zum Beispiel in Shoppingcentern, war durch das wachsende Onlinegeschäft bereits vor Corona unter Druck, die Epidemie hat dies noch verschärft.“Dagegen seien Immobilien in der Logistik wie auch Fachund Supermärkte im Wert gestiegen. Dies ist ein Segment, auf das die Augsburger setzen. „Wir verwalten 5,3 Milliarden Euro an Logistikimmobilien“, berichtet Bohn.
Wohnungen und Häuser wiederum sieht man bei Patrizia weiterhin als krisenresistente Anlage. Die Deutsche Bank hatte unlängst in einer Studie prognostiziert, dass der Immobilienmarkt in Deutschland 2024 an einem Wendepunkt stehen könnte. Bei Patrizia geht man dagegen weiterhin von Stabilität aus. „Wohnungen bleiben knapp“, sagt Bohn. Die Bevölkerung wachse, eine steigende Nachfrage treffe auf ein begrenztes Angebot.
Wie aber sieht es mit Büro-Gebäuden aus? In der Corona-Krise sind viele Menschen ins Homeoffice gewechselt. Hat das Büro überhaupt Zukunft? Bei Patrizia geht man davon aus, da sich zwei Trends gegenseitig aufheben könnten: „Wenn die Beschäftigten künftig vielleicht weiterhin zwei bis drei Tage pro Woche zuhause arbeiten, wird die Büroflächennachfrage sinken“, sagt Bohn. „Umgekehrt wird es in Zukunft ein großes Bedürfnis nach Begegnungsflächen für die Team- und Projektarbeit und für kreatives Arbeiten geben“, denkt er. Die Rolle des Büros wird sich also wandeln. Das erzeugt neuen Flächenbedarf. „Moderne, digital angebundene, flexible Büroflächen in guter Lage werden deshalb weiter nachgefragt sein.“Das Unternehmen, das stark in Büroimmobilien investiert, sieht sich hier gut aufgestellt.
Für das laufende Jahr rechnet Patrizia mit einem operativen Ergebnis zwischen 100 und 145 Millionen Euro. Angesichts der Epidemie wolle man mit dieser Spanne „vorsichtig kalkulieren“. Das Unternehmen mit über 850 Mitarbeitern hat zudem über 645 Millionen Euro an flüssigen Mitteln auf der hohen Kante. Sie stehen für die Expansion oder Firmenzukäufe bereit, erklärt Bohn. Die Aktionäre sollen eine leicht höhere Dividende von 30 Cent pro Papier erhalten.