VWChef Diess setzt seine Favoritin nicht durch
Die Managerin Katrin Suder sollte als zweite Frau in den Volkswagen-Vorstand aufrücken und das IT-Ressort übernehmen. Doch die Zeit im Verteidigungsministerium wurde ihr zum Verhängnis
Wolfsburg Das Verteidigungsministerium ist ein zuverlässiger Schleudersitz. Der Spiegel hat einmal ausgerechnet, dass von 18 Ressortchefs acht zurücktreten mussten oder vorzeitig gingen. Gerade bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen geht es um viel Geld und jede Menge Interessen. Deshalb hätte Katrin Suder, 49, gewarnt sein müssen, als sie nach einer Karriere, in der Erfolg auf Erfolg folgte, 2014 von der Unternehmensberatung McKinsey als Staatssekretärin in das Verteidigungsministerium wechselte, um den komplizierten Rüstungsbereich auf Vordermann zu bringen. Das war selbst für eine Managerin, die als Beraterin der internationalen ITIndustrie McKinsey-Direktorin wurde und strategischen Weitblick, ja Durchsetzungskraft bewiesen hat, ein vermintes Terrain.
Es kam, wie es kommen musste: Suder, die neben Physik auch Theaterwissenschaften studiert hat, steuerte auf ein Drama zu, das in einem Untersuchungsausschuss mündete. Anlass war eine Affäre, in der es darum ging, dass vom Ministerium teure Berater engagiert wurden, ohne die Richtlinien für die Vergabe einzuhalten. Ex-Beraterin Suder geriet in die Schusslinie. Auch wenn ihr nichts nachgewiesen werden konnte, schied sie 2018 auf eigenen Wunsch aus dem Amt aus. Wiederum hatte der erprobte Schleudersessel seinen Dienst getan. Doch Suder ist eine Kämpferin und genießt hohes Ansehen in Industriekreisen. Selbst Rüstungsmanager zollten ihr einst Respekt.
In den vergangenen Jahren war es etwas ruhiger um die gebürtige
Mainzerin geworden, die mit der früheren Fußball-Torhüterin Katja Kraus, 50, verheiratet ist und drei Kinder hat. Die einstige Spitzensportlerin war Mitglied des Vorstands des Hamburger SV. Kraus ist auch unter die Autorinnen gegangen. Eines ihrer Bücher trägt den Titel „Macht – Geschichten von Erfolg und Scheitern“, was zum jüngsten Schicksal ihrer Partnerin passt: Denn Suder stand kurz davor ITVorständin bei Volkswagen zu werden und damit als zweite Frau in den Vorstand des Konzerns einzuziehen.
VW-Chef Herbert Diess, 62, sucht zusätzliche Frauen für Spitzenämter, weil er davon überzeugt ist, dass Vorstände mit mehr Frauen ein Unternehmen erfolgreicher führen. Der Manager hält viel von der Digitalisierungsexpertin Suder. So konnte der VW-Boss Vertreter der Familien Porsche und Piëch als Hauptanteilseigner davon überzeugen, der Frau eine Chance zu geben. Doch die Vergangenheit im Verteidigungsministerium holte Suder, wie Gewährsleute in Wolfsburg sagen, wenige Meter vor dem Ziel ein. Die Verwicklung in die Berateraffäre wurde gegen die einstige McKinsey-Überfliegerin ins Feld geführt. Auch wenn ihr damals keine Schuld nachgewiesen werden konnte, reichte es, nach Informationen unserer Redaktion, im Aufsichtsrat die Gefahr an die Wand zu malen, die einstige Affäre könnte Suder einholen und damit würde ein dunkler Schatten auf VW fallen.
In Wolfsburg haben die Verantwortlichen nach der bleiernen Schwere des Diesel-Skandals eine Allergie gegen alle Düsternisse entwickelt. Diess, heißt es, sei sich des schwarzen Flecks im Leben seiner Favoritin bewusst gewesen, glaubte aber, er bringe sie angesichts seines Elektro-Laufs durch. Am Ende, ist zu erfahren, haben die Zweifel der Gewerkschaftsvertreter und des Landes Niedersachsen als wichtiger
Aktionär das Gremium umgestimmt und die Berufung der Frau verhindert. Auch SPD-Ministerpräsident Stephan Weil, 62, soll als VW-Aufsichtsrat zu der Skeptiker-Fraktion gehören.
Dabei haben Arbeitnehmervertreter eine Allergie gegen McKinsey-Leute wie Suder entwickelt. Zu häufig mussten sie erleben, wie Unternehmensberater, ohne sich in die Situation der jeweiligen Firma einzufühlen, beim Kostendrücken das Wohl der Mitarbeiter aus dem Blick verloren haben. Für manchen Gewerkschafter hätte Diess mit dem Engagement Suders seine aus Arbeitnehmersicht zulässige McKinsey-Quote klar überschritten: Denn mit dem früheren Audi-Finanzvorstand Arno Antlitz, 51, hat er schon einen früheren McKinsey-Mann und Kostenoptimierer nach Wolfsburg gelockt.
Diess musste also wieder einmal eine Klatsche einstecken, wie bereits, als er vergeblich eine vorzeitige Vertragsverlängerung gefordert haben soll. Doch der beharrungskräftige Münchner mit österreichischem Pass lässt nicht locker: Das neu geschaffene IT-Ressort soll mit einer Frau besetzt werden. Nur mit welcher? Das könne sich bis in den Sommer hinziehen, wird gemunkelt. Es gebe mehrere Kandidatinnen: Eine soll laut Business Insider Deutschland die Russin Nadia Shouraboura sein, die in den USA als Superhirn gelte und selbst AmazonGründer Jeff Bezos verzückt habe.
Dumm nur, dass die Frau kein Deutsch sprechen soll. Ohne Sprachkenntnisse würde sie im bodenständigen Wolfsburger Kosmos schnell an Grenzen stoßen. Die Headhunter müssen noch mal ran.