Spielerischer Umweltschutz
Ein Fischernetz braucht 650 Jahre, um zu verrotten. Das lehrt das Memory der Kissingerin Christine Pemsl. Bis Dienstag kann man für sie beim Publikumspreis abstimmen
Kissing Von der Tiefsee bis ins Weltall – überall findet sich Abfall. Christine Pemsl stört das schon lange. Dann las die Kissingerin auf Facebook, dass das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zu dem Wettbewerb „Ausgewildert“aufrief – und fühlte sich gleich angesprochen.
Die Bürger in Bayern sollten kreative Ideen einreichen, die ein Bewusstsein für ein rücksichtsvolles Verhalten in der Natur schaffen. Denn die Menschen dringen bei ihren Freizeitaktivitäten manchmal gedankenund schonungslos in das Refugium von Fauna und Flora ein, werfen Müll weg, machen Lärm, stören die Nachtruhe mit ihren Taschenund Stirnlampen. „Man hat das ja jetzt zu Corona-Zeiten gesehen: Die Leute haben sich eingesperrt gefühlt. Dann sind sie wie die Irren losgelaufen und haben die Natur und die Orte überflutet“, sagt Christine Pemsl.
Die Kissingerin, die von Beruf Harfinistin ist, machte sich Gedanken, mit welcher Idee sie bei dem Wettbewerb teilnehmen könnte. „Ich hatte schon länger eine Sensibilisierungskampagne des saarländischen Umweltministeriums beobachtet“, erzählt sie. Dabei habe man im Wald Hinweisschilder zu den Verrottungszeiten von Müll aufgestellt. Damit wolle man den Spaziergängerinnen und Spaziergängern verdeutlichen, wie lange selbst vermeintlich natürlicher Abfall wie etwa eine Bananenschale braucht, um abgebaut zu werden. „Der Wald ist schließlich kein Komposthaufen“, fügt Christine Pemsl hinzu. Die Kampagne aus dem Saarland nahm sich die Musikerin zum Vorbild: „Ich habe mir gedacht, warum mache ich da nicht ein Spiel daraus.“Sie tüftelte und entwickelte schließlich ein Memory-Spiel namens „Recycle Müll König*in“. Bei diesem Gedächtnisspiel handelt es sich um ein sogenanntes unechtes Memory, sprich die Spielerin und der Spieler müssen zwei verschiedene Motive finden, die thematisch zusammengehören. Bei ihrem Recyclingspiel sind das immer Naturkartenpaare, bestehend aus einem Gegenstand wie zum Beispiel einer Bananenschale und einer Karte mit einer Sanduhr, die die Verrottungszeit nennt, also etwa zwei Jahre. Weitere Motive sind etwa das Apfelkernhaus mit circa zwei Wochen Verrottungszeit, der To-go-Becher mit 50 Jahren, die Baumwolle mit vier Jahren, eine PET-Flasche mit 500 Jahren, ein Fischernetz mit 650 Jahren und der Weltraumschrott, der sich sogar unendlich lange im All befinden wird.
Um noch einen besonderen Unterschied einzubauen, hat Christine Pemsl zudem auf jeder Karte eine unterschiedliche Anzahl von Kronen abgedruckt, je nachdem, wie hoch die Vxerrottungszeit ist. „Am Ende des Spiels hat dann derjenige gewonnen, der die meisten Kronen hat – so bleibt es bis zum Schluss spannend“, erklärt sie die Spielregeln und ergänzt: „Weil ich ein neugieriger Mensch bin, war mir wichtig, dass ich zu den jeweiligen Motiven jeweils noch Hintergrundinformationen dazuschreibe.“Auf dem Beipackzettel stehe dann etwa, dass aufgegebene Fischernetze als sogenannte Geisternetze im Meer treiben und insbesondere Meeresschildkröten davon sehr bedroht seien. „Ich kannte diese Bezeichnung vorher nicht und fand die Information spannend“, sagt sie.
Spannend fand wohl auch die Jury des Wettbewerbs ihr Spiel „Recycle Müll König*in“. Denn die Kissingerin schaffte es auf die Shortlist zum Publikumspreis. Dabei kann sich die Öffentlichkeit noch bis Dienstag die 20 Ideen unter www.ausgewildert.bayern.de genauer anschauen und über einen Favoriten abstimmen. „Da sind einige Profis dabei“, erzählt Christine Pemsl. Besonders freut sie sich jedoch, dass es auch ihre Freundin Bettina Metz in die Top-20 geschafft hat. Diese hat die Fabel „Sammy und seine Freunde“geschrieben und als Hörspiel vertont. Dabei hatten alle Familienmitglieder eine Sprechrolle übernommen.
Auch wenn Christine Pemsl nicht davon ausgeht, dass sie den Publikumspreis gewinnt, freut sie sich, dabei gewesen zu sein: „Wir haben jetzt den Motor angeschaltet. Es ist wichtig, diese Themen in die Welt zu tragen.“Nachdem sie von vielen Freundinnen, Freunden und Bekannten großen Zuspruch für ihr Spiel bekommen habe und sogar ein Bekannter, der an der Uni Augsburg als Spielforscher arbeitet, sehr viel Potenzial in „Recycling Müll König*in“erkannte, denke sie jetzt einfach mal groß, meint sie: „Vielleicht gibt es ja einen Spielehersteller, der das Projekt umsetzen möchte.“
Denn das Thema Müll müsse noch mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. „Das ist ein globales Problem, das uns alle betrifft – jeden Menschen, jedes Tier und die Natur weltweit.“