Autos im Ausland gestohlen und hier verkauft
Justiz Ein 45 Jahre alter Rumäne wird per europäischem Haftbefehl gesucht, in Irland festgenommen und landet schließlich vor dem Augsburger Gericht. Er soll Mitglied einer Hehlerbande gewesen sein. Wie diese agierte
„Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ist eine alte, sinnbildliche Volksweisheit. Sie besagt, dass die Justiz eher die kleinen Ganoven verurteilt. Heutzutage schicken Gerichte natürlich auch die großen Fische in den Knast – vorausgesetzt, man wird ihnen habhaft. Denn diejenigen, die in den Genuss der fetten Beute gelangen, ohne sich die Finger dreckig zu machen, leben oft unerkannt im Ausland. Vor allem bei der Bandenkriminalität werden eher die Handlanger gefasst, die Hintermänner bleiben im Dunkeln. Was wieder einmal ein Fall beweist, den ein Schöffengericht unter Vorsitz von Susanne Scheiwiller abzuhandeln hatte.
Der Angeklagte, ein Rumäne, 45, der seit März in Untersuchungshaft einsitzt, wird im Sitzungssaal von zehn Familienangehörigen erwartet. Er war im Frühjahr in Irland festgenommen worden, nachdem er fast zehn Jahre lang per europäischem Haftbefehl gesucht worden war. Nun legt ihm Staatsanwalt Thomas Kieferle zwölf Fälle der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei zur Last, Autoschiebereien, an denen der Angeklagte im Jahre 2010 beteiligt gewesen sein soll. Der Rumäne soll Mitglied einer Bande gewesen sein, deren Hintermänner wohl in seinem Heimatland sitzen und die er, wie er behauptet, nicht kennt.
Die Autoschiebereien, die zur Sprache kommen, unterscheiden sich von der ansonsten üblichen Masche. Denn die Fahrzeuge wurden in Ungarn, Rumänien und Italien geklaut oder unterschlagen und nach Deutschland geschafft. Mit gefälschten Kaufverträgen und Dokumenten besorgten sich die Diebe bei Kfz-Zulassungsstellen im RheinMain-Gebiet die nötigen Papiere. Die Fahrzeuge stellten sie dann auf Internetplattformen wie mobile.de oder autoscout24 zum Verkauf ein.
Interessierte Kunden wurden dann vor allem nach Augsburg gelotst. Hier wurden die Autos dann per Handschlag, meist vor Tankstellen oder auf einem Privatgelände in Lechhausen, verscherbelt. Gegen bar, versteht sich.
Teils liefen die Deals auch am Münchner Flughafen oder im Raum Ingolstadt ab. Bei den Autos handelte es sich meist um Mercedes Chrysler, BMW X 5 oder Volvos. Die Preise schwankten zwischen 4000 Euro und 35.000 Euro. Insgesamt bezifferte die Staatsanwaltschaft die Einnahmen der Autoschieber auf über 170.000 Euro. Die Bande bot die Fahrzeuge stets relativ günstig an, um Kunden zu locken. Das ging schließlich Ein in Italien gestohlener BMW X 5 war quasi zum Schleuderpreis im Internet eingestellt, was den Kaufinteressenten spanisch vorkam. Er informierte die Polizei.
Die Kripo ermittelte drei tatverdächtige Rumänen. Zwei der Männer, die stets als Fahrer und Geldboten involviert waren, wurden im Jahre 2011 vom Amtsgericht zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der Dritte im Bunde, der jetzige Angeklagte, war zu diesem Zeitpunkt bereits nach Irland verschwunden.
Jetzt im Prozess sagt der 45-jährige Rumäne (Verteidiger: Wolfgang Bendler), sein Ziel sei es, wieder bei seiner Familie in Irland sein zu können. Konsequenterweise legt er ein volles Geständnis ab. Er habe von den Verkaufserlösen selbst nicht profitiert, sondern die Gelder einem Landsmann in einem Imbiss in Augsburg übergeben. Für jede einzelne Fahrt zum Käufer habe er jeweils lediglich zwischen 250 und 400 Euro bekommen. Wer nun das „große Geld“, also die insgesamt 172.000 Euro, erhalten hat, will das Gericht wissen. „Das weiß ich nicht“, lässt der Angeklagte die Dolmetscherin übersetzen.
Am Ende der Beweisaufnahme tut sich ein juristisches Problem auf: Ein verurteilter Täter muss nämlich den erbeuteten Erlös zurückzahlen. Das nennt man Wertersatz, der im Urteil verpflichtend festgesetzt werschief. den muss. Staatsanwalt Kieferle beharrt darauf, der Angeklagte müsse für den gesamten Beuteerlös einstehen, also für 172.000 Euro. Verteidiger Wolfgang Bendler sieht das anders. Schließlich mussten die beiden bereits 2011 verurteilten Mittäter überhaupt keinen Wertersatz leisten. Das Gesetz gab es damals noch gar nicht. Salomonisch schlägt der Anwalt eine Summe von 77.100 Euro vor, die auch das Gericht im Urteil festsetzt. Der Rumäne wird im Sinne der Anklage schuldig gesprochen, akzeptiert sofort die zweijährige Bewährungsstrafe und wird, zur Freude seiner Angehörigen im Gerichtssaal, aus der Haft entlassen.