Nachhaltigkeit hat jetzt einen Ort in Augsburg
Der Neubau des Umweltbildungszentrums zeigt Wege für nachhaltiges Bauen. Lehm und Holz für einen kleinen ökologischen Fußabdruck.
Ein Gebäude aus Holz und Lehm ist nicht alltäglich in der Region. „Das Wissen um den traditionellen Baustoff Lehm ist in vielen Betrieben verloren gegangen. Das ist schade, denn das fast fertiggestellte neue Umweltbildungszentrum in Augsburg zeigt, dass der Baustoff gemeinsam mit Holz ein überaus klimafreundliches Bauwerk ermöglichen kann“erklärt Martina Medrano vom Netzwerk Holzbau im Wirtschaftsraum Augsburg. Dieses Netzwerk lud deswegen kürzlich Architekten zur Besichtigung der Baustelle ein.
„Wer ein Umweltbildungszentrum (UBZ) baut, hat natürlich hohe Ansprüche an nachhaltiges Bauen. Die Stadt Augsburg hat sich hier mutig vorgewagt und wollte Architekten und Bauherren der Region neue Bauformen am gebauten Beispiel präsentieren“meint Norbert Pantel vom Landschaftspflegeverband Stadt Augsburg e.V., der als Träger der Umweltstation Augsburg und zukünftiger Betreiber des Umweltbildungszentrums den Bau von Anfang an begleitet hat. Entstanden sei ein Vorzeigeprojekt, bei dem aus Kosten- und Risikogründen zwar in einigen Punkten Kompromisse gemacht werden mussten, das aber sicher den Dialog in der Region zum nachhaltigen Bauen voranbringen werde.
Für Bauherren wie Architekten eine neue Erfahrung war das Bauen mit Lehm: Die Innenwände wurden direkt vor Ort auf der Baustelle gefertigt, wobei besonders die geschwungene Linienführung der Wände eine Herausforderung darstellte. „Mit dieser Art der Bauweise kennen sich heutzutage nur wenige Bauunternehmen aus. Daher war die Freude groß, dass die renommierte und sehr erfahrene Lehmbaufirma Lehm Ton Erde aus Österreich für die Ausführung der Lehmwände nach dem Vergabeverfahren beauftragt werden konnte“, erläutert die leitende Architektin Mascha Zach von Hess / Talhof / Kusmierz Architekten.
Die Firma fertigte für die Wände eine geeignete Gliedergurtschalung an und brachte eine passende Lehmrezeptur mit. In die Schalungen wurde der Lehm dann auf der Baustelle in Schichten eingefüllt und mit Rüttelplatten und pneumatischen Handstampfern verfestigt. Die leicht körnige Wandstruktur der Lehmwände vermittelt nicht nur ein ganz besonderes Raumgefühl, sondern reguliert auch das Raumklima durch die Fähigkeit
Feuchtigkeit aufzunehmen und abzugeben. Auch der Boden wurde mit Lehm realisiert, der nach der Verdichtung geschliffen und gewachst den Eindruck eines eleganten Steinbodens vermittelt. „Das Besondere daran: Der Lehmboden konnte auf 185 Quadratmetern fugenlos über die Fußbodenheizung gelegt werden, da er keine Risse bildet“, weiß die Architektin.
Nach der Fertigstellung der Stampflehmwände wurde der Holzbau darum herum gebaut. Dabei zeigte sich, dass es bei vielen Gewerken große Berührungsängste zum Material Lehm gab: „Viele fragten beim Anblick der Lehmwände: Was, da soll ich anschließen?“, berichtete Zach. „Deswegen ist es so wichtig, dass Bauunternehmen und Bauherren die Gelegenheit haben, solche Materialien am gebauten Beispiel zu sehen.“
Die Idee, Lehm und Holz als Baumaterialien zu verwenden, entstand aus dem Grundgedanken, auf energieintensive Baumaterialien zu verzichten und den ökologischen Fußabdruck des Gebäudes möglichst gering zu halten. „Wenn man sich bewusst macht, dass die Frage, wie und mit was wir bauen, für die Größe unseres ökologischen
Fußabdrucks sehr maßgeblich ist, dann freuen wir uns, mit Holz und Lehm Baustoffe im UBZ zu haben, die eine nachhaltigere Richtung aufzeigen“, erläutert Pantel.
„Lehm verbraucht so gut wie keine sogenannte ,graue Energie‘ – also die meist fossile Energie, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung aufgewendet werden muss. Die Lehmwände und später auch der Lehmboden im UBZ sind zu 100 Prozent recycelbar und das Material kann theoretisch immer wieder zerkleinert, mit Wasser vermischt und erneut verwendet werden“, beschreibt Architektin Zach. Die Wahl der Baumaterialien sei mit dafür verantwortlich, dass in Kombination
mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach die Gesamtenergiebilanz des UBZ schon nach rund 35 Jahren positiv werde. Außerdem unterschreite das die Anforderungen der Energieeinsparverordnung von 2013 um 45 Prozent.
Energie- und Ressourcenverbrauch aller Baumaterialien war bereits bei der Ausschreibung und dem Architekturwettbewerb ein wichtiges Thema: Mit Fördermitteln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) wurde ein detailliertes Excel-Tool entwickelt, in dem die Teilnehmer alle geplanten Baumaterialien angeben mussten und das die Ökobilanz aller Bauteile über deren ganzen Lebensweg hinweg berechnete.
„Das entwickelte Tool zum Ressourcenverbrauch der Baumaterialien steht interessierten Planern und Bauherren übrigens auf der Webseite der Umweltstation Augsburg zum Download zur Verfügung, im Social Media-Bereich findet man zudem ein Video zum Bauablauf der Lehmwände“, informiert Pantel.
Zahlreiche Architekten und Bauunternehmen der Region nutzten die Gelegenheit im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Architektur trifft Holz“, die Baustelle des neuen Umweltbildungszentrums kurz vor der Fertigstellung zu besichtigen und mehr über die nachhaltige Bauweise zu erfahren.
Bald schon, ab Ende April dieses Jahres, steht das Umweltbildungszentrum auch allen Interessierten der Region zur Verfügung. Im öffentlich zugänglichen Foyer kann man sich im Rahmen einer Dauerausstellung zu Fragen der Nachhaltigkeit und der Bauweise des UBZ informieren. Das Umweltbildungszentrum bietet dann auf circa 1000 Quadratmetern Platz für Veranstaltungen und allen an Nachhaltigkeit Interessierten eine Plattform zum Austausch und einen „Ort der Nachhaltigkeit“für alle. (pm/bif)