Der Sport ist schon weit, aber noch längst nicht am Ziel
Während an Olympischen Sommerspielen inzwischen genauso viele Frauen wie Männer teilnehmen, gibt es woanders noch erheblichen Nachholbedarf.
Wenn selbst das IOC ein Problem erkannt hat, dann muss es wahrlich bedeutsam sein. An den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris werden erstmals genauso viele Frauen wie Männer teilnehmen. IOC-Präsident Thomas Bach betont immer wieder, wie wichtig ihm die Gleichberechtigung der Geschlechter sei. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Als Pierre de Coubertin die Olympischen Spiele 1896 wiederbelebte, beschrieb er sie als eine „zeremonielle Feier männlichen Athletentums“. Zwischen Coubertin und Bach liegt ein langer Kampf gegen Vorurteile. Es dauerte bis ins Jahr 2012, ehe Frauen in allen Sportarten des olympischen Programms bei Sommerspielen antreten durften. Umgekehrt dürfen auch Männer 2024 synchronschwimmen.
Alles gut also? Weit gefehlt. Das IOC mag zwar Wert darauf legen, bei den Sportlerinnen ein numerisches Gleichgewicht zu erreichen, doch auf Funktionärsebene sieht es anders aus. Dort haben mehrheitlich Männer das Sagen. Ein Prinzip, das sich auch durch die nationalen Verbände und Trainerstrukturen zieht. Und dass allein numerische Gleichheit im Bereich der Aktiven nicht automatisch Gleichberechtigung bedeutet, wird klar, wenn man genauer hinschaut. Schwimmen, Turnen oder Leichtathletik beispielsweise kennt kaum noch Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Auch im Tennis sind die Frauen auf dem Weg zu gleichen Bedingungen.
Doch ausgerechnet im Fußball, der mit Abstand populärsten Sportart in Deutschland, ist der Unterschied groß. Auf der einen Seite das Milliardengeschäft Bundesliga mit ausverkauften Stadien, auf der anderen die Frauen-Bundesliga, deren Spiele durchschnittlich 2715 Zuschauer besuchen. Ähnlich sind die Differenzen bei den Gehältern. 43.000 Euro beträgt das der Frauen im Bundesliga-Durchschnitt – das der Männer 1,5 Millionen Euro im Jahr.
Die Gehälter stehen in direktem Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse. Ohne die gigantische Aufmerksamkeit, die der Männer-Fußball weckt, ließen sich die Summen für das kickende Personal nicht erwirtschaften. Sponsoren
und Fernsehsender zahlen für diese Aufmerksamkeit. Man kann es der DFL kaum vorwerfen, dass sie sich bestmöglich vermarktet. Das Produkt Frauenfußball ist offensichtlich (noch) nicht attraktiv genug. An dieser Stelle Gleichberechtigung zu fordern ist unsinnig. Anders sieht es bei den Prämien für die Nationalmannschaften aus. Dort ist mit dem DFB ein Verband verantwortlich, der sich
Gleichberechtigung auf die Fahne geschrieben hat. 400.000 Euro hätten die Männer für den WM-Titel 2022 bekommen. Den Frauen waren im gleichen Jahr 60.000 Euro für den EM-Titel versprochen worden. Das ist vor allem: ungerecht.
In diesem Sommer steht eine Fußball-WM der Frauen an. Noch sind die Fernsehrechte nicht verkauft. Zu teuer, sagen die Sender. Angemessen, sagt die Fifa. Egal, wer recht hat: Bei einer MännerWM wäre so ein Szenario undenkbar. Gleichberechtigung im Spitzensport regelt sich auch über Angebot und Nachfrage.
An der Basis ist es egal, ob Bub oder Mädchen: Jeder und jede kann den Sport betreiben, den er oder sie will. Das Geschlecht ist kein Ausschlusskriterium mehr. Hartnäckig halten sich dafür alte Rollenbilder. Ein Problem, das nicht nur der Sport hat. Es zu lösen, braucht Zeit. Und Frauen, die sich nicht um Vorurteile scheren. Irgendwann wird eine von ihnen an der Spitze des IOC stehen. Dann ist Gleichberechtigung erreicht.
Bei einer Männer-WM wäre so ein Szenario undenkbar