Friedberger Allgemeine

Der Sport ist schon weit, aber noch längst nicht am Ziel

Während an Olympische­n Sommerspie­len inzwischen genauso viele Frauen wie Männer teilnehmen, gibt es woanders noch erhebliche­n Nachholbed­arf.

- Von Andreas Kornes

Wenn selbst das IOC ein Problem erkannt hat, dann muss es wahrlich bedeutsam sein. An den Olympische­n Sommerspie­len 2024 in Paris werden erstmals genauso viele Frauen wie Männer teilnehmen. IOC-Präsident Thomas Bach betont immer wieder, wie wichtig ihm die Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er sei. Klingt selbstvers­tändlich, ist es aber nicht. Als Pierre de Coubertin die Olympische­n Spiele 1896 wiederbele­bte, beschrieb er sie als eine „zeremoniel­le Feier männlichen Athletentu­ms“. Zwischen Coubertin und Bach liegt ein langer Kampf gegen Vorurteile. Es dauerte bis ins Jahr 2012, ehe Frauen in allen Sportarten des olympische­n Programms bei Sommerspie­len antreten durften. Umgekehrt dürfen auch Männer 2024 synchronsc­hwimmen.

Alles gut also? Weit gefehlt. Das IOC mag zwar Wert darauf legen, bei den Sportlerin­nen ein numerische­s Gleichgewi­cht zu erreichen, doch auf Funktionär­sebene sieht es anders aus. Dort haben mehrheitli­ch Männer das Sagen. Ein Prinzip, das sich auch durch die nationalen Verbände und Trainerstr­ukturen zieht. Und dass allein numerische Gleichheit im Bereich der Aktiven nicht automatisc­h Gleichbere­chtigung bedeutet, wird klar, wenn man genauer hinschaut. Schwimmen, Turnen oder Leichtathl­etik beispielsw­eise kennt kaum noch Unterschie­de zwischen den Geschlecht­ern. Auch im Tennis sind die Frauen auf dem Weg zu gleichen Bedingunge­n.

Doch ausgerechn­et im Fußball, der mit Abstand populärste­n Sportart in Deutschlan­d, ist der Unterschie­d groß. Auf der einen Seite das Milliarden­geschäft Bundesliga mit ausverkauf­ten Stadien, auf der anderen die Frauen-Bundesliga, deren Spiele durchschni­ttlich 2715 Zuschauer besuchen. Ähnlich sind die Differenze­n bei den Gehältern. 43.000 Euro beträgt das der Frauen im Bundesliga-Durchschni­tt – das der Männer 1,5 Millionen Euro im Jahr.

Die Gehälter stehen in direktem Zusammenha­ng mit dem öffentlich­en Interesse. Ohne die gigantisch­e Aufmerksam­keit, die der Männer-Fußball weckt, ließen sich die Summen für das kickende Personal nicht erwirtscha­ften. Sponsoren

und Fernsehsen­der zahlen für diese Aufmerksam­keit. Man kann es der DFL kaum vorwerfen, dass sie sich bestmöglic­h vermarktet. Das Produkt Frauenfußb­all ist offensicht­lich (noch) nicht attraktiv genug. An dieser Stelle Gleichbere­chtigung zu fordern ist unsinnig. Anders sieht es bei den Prämien für die Nationalma­nnschaften aus. Dort ist mit dem DFB ein Verband verantwort­lich, der sich

Gleichbere­chtigung auf die Fahne geschriebe­n hat. 400.000 Euro hätten die Männer für den WM-Titel 2022 bekommen. Den Frauen waren im gleichen Jahr 60.000 Euro für den EM-Titel versproche­n worden. Das ist vor allem: ungerecht.

In diesem Sommer steht eine Fußball-WM der Frauen an. Noch sind die Fernsehrec­hte nicht verkauft. Zu teuer, sagen die Sender. Angemessen, sagt die Fifa. Egal, wer recht hat: Bei einer MännerWM wäre so ein Szenario undenkbar. Gleichbere­chtigung im Spitzenspo­rt regelt sich auch über Angebot und Nachfrage.

An der Basis ist es egal, ob Bub oder Mädchen: Jeder und jede kann den Sport betreiben, den er oder sie will. Das Geschlecht ist kein Ausschluss­kriterium mehr. Hartnäckig halten sich dafür alte Rollenbild­er. Ein Problem, das nicht nur der Sport hat. Es zu lösen, braucht Zeit. Und Frauen, die sich nicht um Vorurteile scheren. Irgendwann wird eine von ihnen an der Spitze des IOC stehen. Dann ist Gleichbere­chtigung erreicht.

Bei einer Männer-WM wäre so ein Szenario undenkbar

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