Friedberger Allgemeine

Sylvia Haus trifft keine Schuld an Unfall – trotzdem muss sie zahlen

Eine 72-Jährige stellt in Augsburg ihr Auto ab und geht arbeiten. Hinterher gibt es Schäden am Fahrzeug, die sie nicht verursacht hat. Hintergrun­d ist ein tragisches Ereignis.

- Von Jan Kandzora

Als Sylvia Haus im Februar von ihrer Arbeit nach Hause wollte, kam sie erst einmal nicht weit. Die 72-Jährige bessert ihre Rente auf, indem sie bei Spielen des FC Augsburg als Ordnerin tätig ist, an jenem Abend hatte sie ihr Auto in einer kleinen Seitenstra­ße in Göggingen geparkt. Doch einsteigen konnte die Rentnerin nach dem Spiel so schnell nicht. In der Straße hatten Polizeifah­rzeuge und Krankenwag­en gehalten, ein Beamter, so erinnert sich Sylvia Haus, sagte ihr, sie solle warten. An dem Ort hatte sich ein Todesfall ereignet; ein Mann hatte offenbar beim Fahrradfah­ren einen Herzstills­tand erlitten und war dabei auf den Opel Astra der 72-Jährigen gestürzt. Ein tragischer Vorfall, der auch für die Rentnerin Konsequenz­en hat.

Denn bei dem Sturz wurde das Auto beschädigt, an der Motorhaube, der Stoßstange, ein Gutachter bezifferte die Gesamtkost­en für die Reparatur auf rund 5000 Euro. 1000 Euro verlangte der Gutachter selbst. Viel Geld für eine Rentnerin, die auch mit 72 noch arbeitet, „um ein paar Euros zu verdienen“, wie sie sagt. Da es sich bei dem

Fahrzeug um ein Leasingaut­o handelte, habe sie es ordnungsge­mäß reparieren lassen müssen, sagt Sylvia Haus. Sie ging davon aus, dass die private Haftpflich­tversicher­ung des Verstorben­en für die Beträge aufkommt, doch das tat sie nach Auskunft der 72-Jährigen

nicht und muss es wohl auch nicht. Wie der Augsburger Fachanwalt für Verkehrsre­cht, Stefan Reinecke, erklärt, gibt es im Recht nämlich eine Unterschei­dung zwischen Autofahrer­n und Radfahrern. Heißt konkret: Halter von Kraftfahrz­eugen haften auch für Schäden,

die aus dem Betrieb des Fahrzeuges hervorgehe­n, bei Unfällen mit Beteiligun­g eines Radlers muss diesem hingegen ein Verschulde­n nachgewies­en werden. Die sei in dem geschilder­ten Fall nicht gegeben.

Sylvia Haus weiß, dass hinter dem Vorfall ein tragisches Ereignis steht. Doch es könne nicht sein, dass sie als völlig Unbeteilig­te verhältnis­mäßig viel Geld zahlen müsse, sagt sie. „Ich stand ja nicht einmal in der Nähe.“Die 72-Jährige spricht von einer „Ungerechti­gkeit im Versicheru­ngsgesetz“und ist immer noch ein wenig sauer. Den Fall rechtlich klären lassen, also klagen, möchte sie nicht. Das berge zu viel Gefahr, dass sie am Ende auf noch höheren Kosten sitzen bleibe, sagt sie. Sie wird den Schaden also mit ihrer eigenen Autoversic­herung abrechnen, was nach ihrer Auskunft konkret bedeutet, dass sie die vertraglic­h vereinbart­e Selbstbete­iligung zahlen muss, den Gutachter ebenso – und kommendes Jahr wohl in ihrer Kfz-Versicheru­ng beim Schadenfre­iheitsraba­tt zurückgest­uft wird. Immerhin: Der Anwalt, den Sylvia Haus mit der Klärung des Vorgangs beauftragt hat, hat angekündig­t, in dem Fall auf seine Gebühren zu verzichten.

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Foto: Fastl Bei aller Tragik dieses Falls ärgert sich Sylvia Haus aus dem Raum Augsburg, dass sie auf Kosten sitzen bleibt, die sie nicht zu verantwort­en hat.

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